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2009-01-27 Romankritik:

Historienromane von Beate Schaefer und Günter Ruch:
"Die schwarze Taube" über das römische Trier und
"Der Krüpplemacher" über das
mittelalterliche Köln

Zeitenwende an der Mosel,
Revolution am Rhein


ape.
 
Was ist das Faszinierende an historischen Romanen? Sie verlegen Lovestory und Krimi, Abenteuerreise oder Sozialtragödie in eine von der unsrigen sehr verschiedene Welt. Doch anders als im Fantasy- oder Science-Fiction-Genre bewegen sich die besseren Historienromane nicht in frei erfundenen Sphären, sondern in rekonstruierten Lebensräumen der Vorfahren des Lesers. Wie geschrieben, hätte es sein können, damals. Der ordentlich recherchierte Roman macht Vergangenes lebendig; Lesen wird Nachempfinden und zugleich sinnliches Lernen.

Der Mainzer Verlag Philipp von Zabern hat jüngst zwei historische Romane herausgebracht, auf die das zutrifft. Der eine, „Die schwarze Taube“, spielt in der spätantiken Kaiserresidenz Trier. Der andere führt unter dem Titel „Der Krüppelmacher“ ins mittelalterliche Köln. Beiden Büchern ist gemeinsam: Ihre Stärke rührt von profunden Kenntnissen der seinerzeitigen Lebensumstände  -  mal im Trier des 4., mal im Köln des 14. Jahrhunderts. Daraus erwachsen überaus lebendige und ziemlich authentische  Zeitpanoramen. Die darin eingebetteten Stories sind handwerklich solide gemacht, mit Vergnügen und Gewinn zu lesen, hochliterarischer Glanz darf allerdings nicht erwartet werden.

Beate Schaefers „Schwarze Taube“ taucht ein in den Epochenwechsel von der antiken Vielgötterei zum Christentum im Imperium Romanum. Schön stellt sie dar, dass 
dies kein harmonischer Übergang war, sondern ein von mannigfachen gesellschaftlichen Verwerfungen begleiteter Kulturbruch. Dieser wird einmal festgemacht am Existenzkampf eines trierischen Theaters. Das hängt der römischen Tradition an, verspottet frivol seltsame Christenmanieren und wird von den Vertretern der neuen Religion heftig angefeindet.

Zweites Kontrastmoment ist eine unglückliche Liebe zwischen der Primadonna des Theaters und dem Trierer Bischof. Beiderseitiges Begehren stößt auf kulturelle Unvereinbarkeit: Was ihr als dionysische Selbstverständlichkeit gilt, ist ihm Verlockung zur Todsünde. Umgekehrt erscheinen ihr seine Bekehrungsversuche als Werben für eine abstruse Lebensweise. Es ringen im post-konstantinischen Treverorum die alte und die kommende Leitkultur um Vorherrschaft. Wobei die Autorin beiden platte Bejubelung oder Verteufelung verweigert.

Verglichen mit dem römischen Trier ist 1000 Jahre später das mittelalterliche Köln eine erbärmliche Kloake. Günter Ruchs Roman „Der Krüppelmacher“ beschönigt da nichts. Die „Handelsmetropole“ am Rhein hatte gerade mal 8000 Einwohner. Eine Kanalisation gab es nicht, auf den Straßen stand der Morast knöcheltief, darin suhlten Heerscharen freilaufender Hausschweine. Die Stadt wurde regiert einerseits von selbstsüchtigen Patrizierfamilien, andererseits von mafiosen Organisationen der Bettler, Huren, Diebe und Halsabschneider.

Diesem Pfuhl tritt der aus Sinzig stammende Autor ganz nahe mit seiner Geschichte. Die zeichnet den Aufstieg eines liederlichen Quacksalbers zum Vertrauten des Kölner Unterweltkönigs nach, dessen Thron insgeheim ein beherztes Edelfräulein von der Ahr besetzt. Verstrickungen zwischen oben und unten jede Menge. Kölscher Klüngel eben, schon im Mittelalter.

Der Roman mündet in einen Showdown auf dem Altermarkt ein: Unterwelt und Zünfte brechen am 18. Juni 1396 gemeinsam die Macht der alten Patrizierdynastien - indem sie deren Obersten mitsamt seinen bewaffneten Bütteln vor allem Volke auslachen. Revolution auf rheinische Art; ein bisschen idealisiert, wie die übrige Story auch, aber vom studierten Mittelalterkenner Ruch im  tatsächlichen Historieumfeld Kölns verankert.    Andreas Pecht

Beate Schaefer: Die schwarze Taube. 288 S., 19,90 Euro.
Günter Ruch: Der Krüppelmacher. 492 S., 21,90 Euro.
Beide erschienen im Verlag Philipp von Zabern.               
       
 

 
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