Kolumne »Guten Tag allerseits«
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Sie finden hier die gesammelten Intro-Texte aus der Startseite von www.pecht.info im Monat März 2008 (beginnend beim ältesten Text, abwärts zu den jüngeren fortschreitend)
2008-03-07
Guten Tag allerseits,
manchal beschleicht einen der Verdacht, Vergesslichkeit sei ein Wesenszug der Moderne (- die jetzt Postmoderne genannt wird, obwohl der Begriff "Moderne" doch dazu da ist, das jeweils jüngste, das je gegenwärtige Stadium der Zeitläufe zu bezeichnen). Wobei besagte Vergesslichkeit gerade keine Eigenart der ältesten Semester zu sein scheint, sondern mehr jener etwas jüngeren Zeitgenossen, die im Augenblick in Politik, Medien, Kultur vortanzen.

Anders lassen sich die kategorisch-ultimativen Abwehrreflexe gegen die LINKE als neue fünfte Partei im parlamentarischen System der Bundesrepublik kaum erklären. Denn vergessen ist offenbar, dass vor 25 Jahren die damaligen Altparteien den  damaligen Newcomer "Die GRÜNEN" genauso kategorisch-ultimativ als nicht politik- und nie koalitionstauglich abwatschten. Die Geschichte wiederholt sich nun bis in die Wortwahl hinein, doch alle tun so, als liege eine völlig neue Situation vor. Dazu mehr hinter dem nebenstehenden Link "2008-03-05 Analyse: CDU und SPD spielen ...."

Auf neumodische Vergesslichkeit bezieht sich indirekt auch Martin Walsers jüngster Roman "Ein liebender Mann", indem er daran erinnert, dass die Liebe betagter Menschen zu ungleich jüngeren keine Erfindung bloß altersgeiler Gegenwartsschriftsteller ist. Dass schon Goethe mit diesem Phänomen zu ringen hatte und schon zu Goethes Zeiten die Gesellschaft darüber moralisierend die Nase rümpfte. Und das, obwohl seinerzeit Verheiratungen von Frauen an eine Generation ältere Männer durchaus üblich waren. Goethe überspringt aber gleich zwei Generationen, was für seine Umwelt denn doch zu arg war. Dazu die Rezension unter dem Link "2008-03-06...".

Schließlich ein Zitat, gefunden beim Anlesen der eben bei Luchterhand erschienenen  "Memoiren eines Moralisten" vom Kollegen Hans Sahl selig (Besprechung folgt demnächst). Darin wird auf schlicht-schöne Weise die ureigentliche Bedeutung des Theaters ausgesprochen. Eine Bedeutung, die heutzutage bei  allzu vielen Jüngeren wie Älteren kurzweilsüchtig in Vergessenheit geraten ist.

"Es ist schwer, heute einem jungen Menschen verständlich zu machen, was das Theater uns einmal war, was es der Welt bedeutete. Es war der Ort, wo Probleme, die alle angingen, behandelt wurden. Es war der Ausdruck einer Zeit, die eine Antwort suchte."


Wünsche anregende Lektüre,
Andreas Pecht
 
2008-03-12
Guten Tag allerseits,
heute mal zur Begrüßung einige Bemerkungen in eigener Sache, also diesen Internetauftritt betreffend. Dazu ein bisschen Gemecker über Sie, die verehrte Leserschaft. Zwar tut man so etwas gemeinhin nicht in der publizistischen Zunft, aber im Internet sind die Sitten bekanntlich weniger streng als in der ehrwürdigen gedruckten Zeitung.

Aufmerksame Beobachter werden bemerkt haben, dass die seit ein paar Tagen am Kopf der Startseite eingeblendete Besucherzahl in unregelmäßigen Abständen und in zumeist dreistelligen Sprüngen wächst. Das erklärt sich so: Die Zahl ist kein Live-Zählwerk, sondern wird von mir jeweils bei Gelegenheit per Hand auf Basis der 24-Stunden-Berichte meines Providers aktualisiert. Da können dann auch mal zwei oder drei Tage auflaufen; daher die Sprünge.

Langjährig treue Besucher von www.pecht.info wundern sich etwas, dass die Zählung nur bis Januar 2006 zurückreicht, während doch der Internetauftritt selbst bereits im Frühjahr 2005 an den Start ging. Der Grund ist ganz einfach: Ich bin erst nach einigen Betriebs- und Erfahrungsmonaten auf die Idee gekommen, dass eine Besucherstatistik Sinn machen könnte, und habe deshalb auch erst zum Januar 2006 den entsprechenden Providerservice hinzuabonniert. 

Lehre mich einer die Leser verstehen. Auch wenn ich es nicht recht nachvollziehen kann: Dass nur sehr wenige Nutzer dem Vorschlag folgen, dieses Leseangebot gelegentlich mit einem freiwilligen Obolus zu honorieren, sei im Internet fast normal, sagen mir Fachleute. Weshalb sie vorschlagen: Entweder wird  www.pecht.info in ein teilweise oder völlig  geschlossenes Abonnementssystem verwandelt oder du versuchst, Werbung hereinzunehmen. Mit beiden Vorschlägen kann ich mich (noch) nicht anfreunden. Denn der erste würde wahrscheinlich den Kreis der Leser gar zu sehr einschränken, der zweite den Charakter des Internetauftritts  verändern. Also bleibt vorerst mal alles wie es ist - und sei appellativ auf den Button  unter jedem Artikel hingewiesen:

Was ist Ihnen ein unabhängiges www.pecht.info wert?  »  

Wünsche Erhellung und Anregung
bei der Lektüre nebenstehender neuer Texte
2008-03-26:
Guten Tag allerseits,
sage keiner, es bewege sich nichts mehr in den Köpfen der Zeitgenossen. Wundersame Lektüre in diesen Tagen: Ausgerechnet der Chefredakteur des Wirtschaftsmagazines "Capital" fordert in einem Kommentar, die Führungskräfte der Wirtschaft mal wieder auf den Boden gesellschaftlicher Wirklichkeit zu zerren, mit gelegentlich sinnvoller Arbeit in den Niederungen der sozialen Realität (im Krankenhaus Bettpfannen leeren). Ackermann zum Subotnik in den Steinbruch! Noch vor zehn Jahren wäre, wer so kommentierte, unter Kommunismus-Verdacht geraten und womöglich seinen Redakteurs-Job losgeworden.

Anderes Thema. Ich höre, einige Schauspieler des Koblenzer Stadttheaters schimpfen kräftig auf die Kritik der dortigen Realisierung von "Endstation Sehnsucht". 
(Siehe ∇
2008-03-17 Theaterkritik:
Werner Tritzschler inszeniert "Endstation Sehnsucht" in Koblenz)

Das ist kaum verwunderlich, denn die Kritik fiel eher negativ aus. Ziemlicher Unfug ist allerdings der Anwurf, der Kritiker habe die Blanche-Darstellerin Madeleine Niesche der Unfähigkeit bezichtigt und sie als Person beleidigt. Die diesbezügliche Kritik-Passage ging so:
 
"Madeleine Niesches Spieltalent liegen Schwachheit und leise Verletzlichkeit nicht. Wo sie verzweifelt, tut sie es mit großem, bühnenfüllendem Gestus; selbst ihr Zerbrechen trägt meist Züge heroischer Tragik. Und damit ist die Blanche in Koblenz unübersehbar falsch besetzt. Überhaupt kann es nicht angehen, einer Schauspielerin fast alle weiblichen Hauptrollen der großen Sprechtheaterproduktionen aufzuladen. Johanna, Shen Te, Medea, Elisabeth, Lulu…, jetzt die Blanche: Was soll die Frau, die zugleich Chefdisponentin des Theaters ist, denn noch alles können? "

Mit Verlaub, hier ist nicht von Unfähigkeit die Rede, sondern von einer Fehlbesetzung, weil das spezifische Spieltalent dieser Mimin nicht berücksichtigt wird. Man kann doch in der Oper auch keine Sopranistin auf eine Alt-Rolle besetzen. Und nochmal mit Verlaub: Die Kritik nimmt hier eine Bühnenkünstlerin vor der unglaublichen Zumutung in Schutz, dass ihr alle Hauptrollen und obendrein die Aufgaben des Chefdisponenten aufgehalst werden. Das bekommt der Frau nicht, dem Theater nicht und mancher Rolle eben auch nicht. Ich hätte ebensogut schreiben können: Niesche wird verheizt. Ob sie sich selbst danach drängt oder von den örtlichen  Umständen gedrängt wird, ist für den Sachverhalt selbst bedeutungslos.