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2008-12-30 Feature:

Koblenzer Musikclub mit Kneipe/Restaurant feiert im Januar 10. Geburtstag
 

Brot und Spiele im „Circus Maximus“

 
ape. Koblenz. 10. Geburtstag − bei Menschen ist das Anlass für eine Kinderparty, der Jubilar steckt noch in der Frühphase des Lebensweges. Für gastronomische Einrichtungen, zumal wenn sie auch im schnelllebigen Musikclub-Geschäft stecken, gelten andere Zeitmaßstäbe: Wer sich da zehn Jahre am Markt behauptet hat, darf als gestandene Einrichtung betrachtet werden. Wer, wie der Koblenzer „Circus Maximus“, über diese Zeitspanne eine eigene, unverwechselbare Duftmarke ins Kulturleben einer Großstadt gesetzt hat, dem darf man zum Jubiläum applaudieren: Gar nicht schlecht, lieber Ralf!
 

28 Jahre alt war der Koblenzer Ralf Prestenbach als er im Januar 1999 seinen „Circus Maximus“ mit einer rauschenden Fete eröffnete. Aufs Wochenende zehn Jahre später rauscht es wieder an der Ecke Stegemann-/Victoriastraße: Drei Tage (und zwei Nächte) lang feiert der Musikclub mit Kleinkunstbühne, Kneipe, Café, Restaurant von 23. bis 25. Januar Jubiläum. Wobei sich im Programm dieses Wochenendes das Motto des Circus spiegelt: „Brot und Spiele“. Das rührt zwar her von einer „Panem et circenses“ überschriebenen Satire des antiken Dichters Juvenal auf seine vergnügungssüchtigen römischen Zeitgenossen, wird jedoch in Koblenz ohne den giftigen Hintersinn benutzt. Brot und Spiele meint  im hiesigen Fall: Was Leib und Seele zusammenhält und gut tut – Essen, Trinken, Gesellschaft, Musik, Schwof nebst ein bisschen Denken.

Folgerichtig setzt sich die Geburtstagsfete zusammen aus einer langen Konzertnacht (23.1.), in deren Zentrum Live-acts stehen. Tags darauf (24.1.) gibt es eine nicht minder lange Partynacht (24.1.), wo im Stundenrhythmus all jene Motto-Partys einander abwechseln, für die der Laden seit zehn Jahren bekannt ist: „Independent Alternative“, „Back to the 80's“, „No Limit – die 90er“ oder „Blow!Party“. Mittelpunkt des Schlusstages (25.1.) sind dann süße Gaumenfreuden beim „Kuchenclash“: Gäste stellen Selbstgebackenes zum Wettbewerb; der ganze Circus futtert, bewertet, kürt und beschenkt nachher die Sieger.

„Brot und Spiele“ unter einem Dach, das ist Circus Maximus. Aber, bitteschön, nicht in der Allerwelts-Version; das ist Prestenbachs Anspruch. Der Mann kommt schließlich ist im alternativen Milieu sozialisiert. Er hat in diversen Regional-Bands den Punk gesungen. Er hat Konzerte und Festivals organisiert, etwa das vor Ort legendäre „Hof- und Gartengelage“ zu Gappenach in der Eifel. Er ist gelernter Masseur, abgebrochener Tiermediziner und abgeschlossener Diplompädagoge. Inzwischen aber „bin ich ziemlich bürgerlich geworden“ meint der 38-jährige mit Hinweis auf seine Umsiedlung von der Landkommune in eine innerstädtische Neubauwohnung.

Im Circus Maximus wird „oben“ ordentlich gekocht, gepflegt ausgeschenkt, lässt sich gemütlich sitzen und schön plaudern. Jüngst erst wurde der ganze Laden renoviert: Am Thekenkopf musste ein Abbild von Lara Croft der Statue eines alten Römers weichen – „passt besser zum Namen“, so Prestenbach. Diverse Holz-Interieurs, „die wir 1999 noch ganz schrecklich fanden“, wurden von bunter Farbe wieder befreit und „wärmen“ nun angenehm. Zeiten ändern sich, Geschmäcker eben auch. Dem justiziablen Zeitgeist wurde zähneknirschend mit dem Anbau einer Raucher-Lounge Folge geleistet.

Wandel gibt es natürlich auch „unten“, im Keller, in den Katakomben. Dort also, wo Programm gemacht wird, und zwar reichlich. Doch bei allem Wandel hat sich ein Prinzip durchgängig gehalten, von dem die Eigenheit des Circus Maximus herrührt: „Wir machen, was nicht überall gemacht wird, spielen viel Musik, die nicht sowieso überall gespielt wird.“ Will sagen: Programmschwerpunkt ist nicht Mainstream-Pop, sondern jenes weite Feld, das früher Underground genannt wurde, heute Independent heißt – und neben jungen, innovativen Strömungen auch mal gute Musik von gestern einschließt. Da unten im Keller haben über die zehn Jahre ein paar hundert Bands gespielt und DJs aufgelegt. Darunter große „alte“ Namen wie Zeltinger, Birth Control oder Charly Mariano. Darunter Namen, die nachher erst groß werden sollten, etwa Marusha, Reamon, Sportfreunde Stiller oder Monsters of Liedermaching. Und immer wieder bot/bietet der Circus Formationen aus Stadt und Region Auftrittsmöglichkeiten – als Erprobungsfeld für Newcomer oder Spielwiese altbewährter Matadoren.

Zu Speis' und Trank, Musik und Tanz gesellt sich im Circus das Schriftstellerwort. Mehrfach haben hier renommierte Schreiber aus ihren Werken gelesen. Und: Regelmäßig monatlich stellen sich prosaisch oder poetisch ambitionierte Zeitgenossen in den Katakomben zum Dichterwettstreit, neudeutsch: Poetry Slam. Diese von der Koblenz-Touristik gesponserten Veranstaltungen haben sich zum Publikumsmagneten entwickelt und genießen in der bundesdeutschen Poetry-Slam-Szene einen ausgezeichneten Ruf. Weshalb die Slamer oft von weit her anreisen, um sich im Circus mit 7-minütigem Beiträgen dem strengen Urteil der Zuhörer zu stellen.

Ralf Prestenbach schließt nicht aus, dass diese inspirierenden Abende auch ihm die Scheu nahmen, selbst mal zur Feder zu greifen. „Man wälzt da über Jahre Ideen, aber zum Schritt in die praktische Umsetzung fehlt oft der letzte Anstoß.“ Den hat er vor zwei Jahren gekriegt und gleich resolut Butter bei die Fisch getan: Im Frühjahr erscheint im Knaur-Verlag Prestenbachs erstes Buch unter dem Titel „go crazy“. Das ist weder ein Roman noch eine Gedichtesammlung, sondern eine in Text und Bild launig erzählte Dokumention von Ereignissen, die man kaum für möglich hält: Die verrücktesten Wettbewerbe Europas. Da werden beispielsweise in England seit 200 Jahren Meisterschaften im Schienbeintreten ausgetragen, in Frankreich die besten Strandschnecken-Weitspucker ermittelt oder an der deutschen Nordseeküste die Meister im Wattwurm-Locken gekürt.

Prestenbach hat zwecks Recherchen selbst manche Wettbewerbs-Tortur auf sich genommen. Die Blessuren hat er sichtlich überlebt, einen Meisterpokal sucht man im Circus allerdings vergebens. Dort gehen zum Jahreswechsel die Dinge ihren Gang. Heißt: „Frohes Fetz“ gab's eben zur Weihnacht, Silvester düst die Party-Rakete im Rückwärtsgang durch die 90er in die 80er. Das Programm fürs erste Quartal 2009 steht soweit. Aber erstmal wird von 23. bis 25. Januar Geburtstag gefeiert. Dazu herzlichen Glückwunsch!                                              Andreas Pecht


Infos/Kontakt: www.circus-maximus.org

(Erstabdruck Woche 52 im Dezember 2008)
 
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