Thema Kultur
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2008-11-20a Kultur/Geschichte:

Hambacher Schloss - "Wiege deutscher Demokratie
- generalsaniert und neu konzipiert

 
Hinauf, hinauf zum Schloss!
 
 
ape. Neustadt/Hambach. 

Eine dem Pfälzer Wald vorgelagerte Anhöhe in der Rhein-Ebene bei Neustadt; darauf ein historisches Gemäuer: das Hambacher Schloss – seit dem legendären Hambacher Fest 1832 Symbolort für das Ringen aufgeklärter Bürger um ein freies, demokratisches Deutschland in einem Europa freier Völker. Rheinland-Pfalz steckte jetzt Millionen in eine Generalsanierung des Gebäudes. Nach einjähriger Bauzeit ging das Schloss mit neuer Dauerausstellung und neuem Nutzungskonzept Ende 2008 wieder „in Betrieb“.


Es lebe das freie, das einige Deutschland! Hoch leben die Polen, der Deutschen Verbündete! Hoch leben die Franken, der Deutschen Brüder! Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den Bund der Freiheit schwört! Vaterland – Volkshoheit – Völkerbund hoch!“


Mit diesen Worten begrüßte Philipp Jakob Siebenpfeiffer am 27. Mai 1832 in Neustadt rund 30 000 Menschen zu jener zweitägigen Kundgebung, die als Hambacher Fest in die Historie eingehen sollte. Weil politische Demonstrationen verboten waren, hatten er, August Wirth und Friedrich Schüler kurzerhand zu einem „Volksfest“ geladen. Daraus wurde schließlich unter dem kecken Ruf „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ jene Massendemonstration auf den vier Kilometer entfernten Burgberg zu Hambach, die heute als ein Kernstück deutscher Demokratiegeschichte gilt.


November 2008, Ortstermin im Hambacher Schloss. Es sind noch zwei Tage bis zum Staatsakt, mit dem Ministerpräsident Kurt Beck das frisch herausgeputzte Gemäuer seiner neuen Nutzung übergibt. Arbeiter legen letzte Hand an die behindertengerechten Automatiktüren, an den gläsernen Innenaufzug, an den Kassenraum, von dem aus via Kameras vor allem die neue historisch-politische Dauerausstellung im Schloss überwacht wird. Kurt Karst, ehrenamtlicher Generalsekretär der Stiftung Hambacher Schloss, führt in die Eingeweide der im 11. Jahrhundert entstandenen, seither mehrfach zerstörten und wieder aufgebauten Anlage.

Ein multifunktionales Schmuckstück


Heizung, Beleuchtung, Kommunikation, Infrastruktur für Feiern, Kongresse, mehrsprachige Tagungen, Lesungen, Konzerte, Filmvorführungen, Theateraufführungen – hinter sandgestrahlten Bruchsteinmauern, in Katakomben und auf Speichern versteckt sich Technik neusten Standes. Mit einem großen Saal für mehr als 250 Besucher, kleinen Sälen und einer eigenen Gastronomie – gehoben, aber nicht überdreht – hat das Land für rund 20 Millionen Euro in der Pfalz ein multifunktionales Schmuckstück geschaffen: gleichermaßen Demokratie-Denkmal, historisches Museum, Feierstätte und Kulturhaus.


Der Blick vom höchsten Turm reicht weit. Umfasst die halbe Pfalz, greift hinüber ins Kürpfälzische, ins Badische, ahnt im Dunst Odenwald und Schwarzwald, von wo aus 16 Jahre nach dem Hambacher Fest Friedrich Hecker den Aufstand gegen die Fürsten führte. Weiß links 'gen Norden Mainz, wo 39 Jahre vor Hambach die erste Republik auf deutschem Boden ausgerufen wurde. Weiß hinter sich Frankreich, die ungestüme Mutter aller neuzeitlichen Demokratie. Bei diesem Ausblick begreift der Betrachter, was Siebenpfeiffer gefühlt haben mag, als er 1832 mit Gleichgesinnten aus ganz Europa hier stand: Die Welt ist groß und viel zu schön, als dass der Mensch darin in Ketten wandle.


Der Geist des Hambacher Festes verbindet couragierten Freiheitsdrang mit politischer Weitsicht, weltbürgerlicher Offenheit und Lebensfreude. Dieser Geist findet im Konzept fürdas „neue“ Hambacher Schlosses gewissermaßen einen Resonanzboden. Das nachdenkliche oder auch provokante Wort, Meinungsaustausch und Diskussion, Wechselwirkungen von Geschichte und Gegenwart stehen zusammen mit Festen und Feiern im Zentrum des Nutzungskonzeptes. Dessen Kern ist die Dauerausstellung. Ihr Schwerpunkt liegt auf erklärenden Texten, die mit audiovisuellen Erlebnismomenten aufgewertet werden.

Nation kein Wert an sich


Die Schau spricht über die politischen und sozialen Umstände in Deutschland und Europa, aus denen das Hambacher Fest erwuchs. Die 1832er Kundgebung wird ausführlich behandelt – und zwar ohne die oft erlebte Übergewichtung des deutschnationalen Aspektes. Der Rundgang verstärkt den Eindruck, dass bei den 30 000 Versammelten aus aller Herren Länder damals „Nation“ kein Wert an sich war, sondern erst durch Freiheit, Demokratie, Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit wertvoll wurde. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Darstellung der Folgeentwicklungen über 1848er-Revolution und Paulskirche, Revolution 1918/19 und Weimarer Republik bis ins Dritte Reich in dieser Ausstellung eine eigene Spannung jenseits der üblichen Standards.


Kurt Karst ist stolz. Mindestens so stolz wie beim Vorgängerprojekt, das er vor rund 15 Jahren maßgeblich mit aus der Taufe gehoben hat und seither hauptberuflich als Geschäftsführer leitet: Schloss Engers nördlich von Koblenz, eine Melange aus Gastronomiebetrieb und Sitz der Kammermusikakademie der rheinland-pfälzischen Landesstiftung Villa Musica. Von dort ist Karst für zwei Jahre quasi nach Hambach ausgeliehen, um den Schlossbetrieb in der Pfalz mit seinen Erfahrungen aus Engers auf die Beine zu bringen.

Budget auf Kante genäht


Der Anfang ist gemacht und schaut auch bauästhetisch gelungen aus: Architekt Max Dudler stieß sich nicht an den diversen Baustilen und -zuständen, die die Geschichte dem Hambacher Schloss eingestanzt hat. Er verband sie zu einem stimmigen Ganzen aus gewachsenen Unterschieden. Karst rechnet fürs erste mit etwa 60 000 Besuchern jährlich. Die braucht er auch, denn das Budget für den laufenden Betrieb ist auf Kante genäht: 100 000 Euro pro Jahr schießt der Bund zu, von Land, Kreis und Kommune gibt es nochmal etwa 300 000 Euro. Das reicht mit den erwarteten Besuchereinnahmen gerade hin.


Man wird sehen, ob und wie die „Wiege der deutschen Demokratie“ zurecht kommt. An mangelnder Bekanntheit des Hambacher Schlosses sollte es nicht scheitern: Jeder, der eine deutsche Schule besucht hat, kennt den Namen, weiß vom Fest. Auch wenn es oft nichts Genaues ist. Dem kann abgeholfen werden – jetzt aufs Beste mit einem Ausflug zum Ort des Geschehens.                                                                                               Andreas Pecht


Infos: www.hambacher-schloss.de


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