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2008-09-22 Schauspielkritik:

"Nora" von Henrik Ibsen am Staatstheater Wiesbaden:
Schön gespielt, aber nicht schlüssig inszeniert
 

"Quatschliese" untauglich für
heutige Emanzipation
 
ape. Wiesbaden. Wie schon bei seiner Inszenierung der „Glasmenagerie“ jüngst in Bonn (s.  2008-09-08a ), verweigert David Mouchtar-Samorai jetzt auch Henrik Ibsens „Nora“ in Wiesbaden die realistische Erzählweise. Gleich zu Anfang wird die Chronologie des Stückes aufgebrochen: „Ich liebe dich nicht mehr“ erklärt Nora ihrem Gatten Torvald. Der Fingerzeig wiederholt sich zwischen den Akten. Was ständig vor Augen hält, dass alles Geturtel, Geschmuse, Umsorgen im  „Puppenheim“ gänzlich für die Katz ist.
 
Der Schluss des kleinen Kammerspiels auf der großen Bühne des Hessischen Staatstheaters geht dann, recht eigenwillig, auch so: Nach lautstarkem, bemüht auf  modernen Küchenkampf gebürstetem Grundsatzdisput, setzt die Frau den Hausherrn brüsk vor die Tür. Man kennt andere Stückschlüsse – von der Ermordung Torvalds bis zur glückseligen Versöhnung. Ibsen selbst bietet mehrere; eine Folge des polarisierenden öffentlichen Furors,  den „Nora“ bei Erscheinen 1879 verursachte.

Mit der frühen Offenlegung des Ausgangs handelt sich die Inszenierung allerdings ein Problem ein: Es geht die erhellende Kraft jenes Umkippmomentes verloren, in dem Nora begreift, dass dem Manne Macht und Reputation wichtiger sind als seine Liebe und ihre liebende Hingabe. So muss der zweistündige Abend auf Handlungsspannung weitgehend verzichten, muss ganz  auf die Faszination der Schauspielkunst bauen.

Heinz Hausers Bühne besteht aus einem Flügel, zwei Plexiglashockern und einem Kleiderständer auf heller Fläche zwischen drei riesenhaften schwarzen Wänden. An den Rändern verstreut blass-farbene Rosen. Auf dem Flügel spielt Ernst August Klötzke wiederholt ein paar Takte von Carl Philipp Emanuel Bach. Realitätsferne herrscht also auch im Umfeld, einem eher symbolischen Raum.

Darin lässt Verena Güntner ihre flatterhafte bis hysterische Nora das getreue Frauchen für Torvald spielen. Den gibt Michael Günther schön als mannhaft-pflichtbewussten Banker, der sich privatim nicht zu blöd ist, dem angetrauten Püppchen auch mal den verspielten Gockel zu geben. Beiden zur Seite steht, in stiller Größe Nora vergeblich liebend, der Doktor Rank von Uwe Kraus. Sebastian Mirow formt einen von verzweifelter Karriere-Geilheit heimtückisch gewordenen Krogstad. Den befriedet schließlich Linde, in Stefanie Hellmanns Ausführung eine zwar verhärmte, aber doch mit beiden Beinen tatkräftig in der Welt stehende Frau.

Psychologische Personenführung im entnaturalisierten Raum ist eine Stärke von Mouchtar-Samorai. Die spielt er auch bei dieser „Nora“ aus, formt so einen in Teilen durchaus sehenswerten Abend. Nicht aufgegangen ist indes das Regiekonzept, aus dem Stück eine Parabel auf gegenwärtige Geschlechterprobleme zu machen. Die vom Märchenprinzen enttäuschte „Quatschliese“ (Fontane) Nora taugt einfach nicht als Identifikationsfigur aktueller Emanzipation. Andreas Pecht

Karten/Info: www.staatstheater-wiesbaden.de

(Erstabdruck am 23. September 2008)


Theaterkritik, Ibsen "Nora" in Wiesbaden, Regie. David Mouchtar-Samorai
 
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