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2008-09-18a Romankritik:

„Das Museum der Unschuld“ von Orhan Pamuk: Interessanter Stoff allzu distanziert erzählt

 
Jahr um Jahr nur immer Liebeskummer

 
ape. Orhan Pamuks neuer Roman „Das Museum der Unschuld“ ist ein ermüdendes Buch. Das sagt sich nicht leicht, immerhin hat der türkische Schriftsteller und Journalist 2006 den Literatur-Nobelpreis bekommen. Das sagt man auch nicht gerne, denn aus Pamuks Feder stammen so bemerkenswerte Romane wie „Das neue Leben“ (1998), Rot ist mein Name“ (2001) oder „Schnee“ (2005).
 
Diesmal erzählt er die Geschichte einer obszessiven Liebe im Istanbul der 1970er-jahre. Einer Liebe, die mit den libertären Möglichkeiten in der westlich orientierten Oberschicht spielt, sich aber dann doch in den türkischen Traditionen verheddert. Kemal verliebt sich kurz vor seiner standesgemäßen Verlobung in eine andere, in Füsun, blutjunger und bildschöner Sproß armer Verwandtschaft.

Er geht mal mit der Geliebten, mal mit der Verlobten ins Bett – und würde derart gerne bis in alle Ewigkeit fortleben. Doch Füsun verschwindet, womit für den Mann ein Martyrium beginnt, das acht Jahre währt. In ruhelosen Streifzügen durchsucht er über Monate ganz Istanbul nach dem Mädchen, philosophiert anbei in genussvoller Selbstqual über die diversen Formen seines Liebeskummers. Kemal findet die Geliebte schließlich als Verheiratete unter dem Dach ihrer Eltern wieder. Diese Familie besucht er nun Tag um Tag, Jahr um Jahr, in der Hoffnung, Füsun durch seine bloße Dauerpräsenz wieder für sich zu gewinnen.

Während all dieser Zeit stibitzt und sammelt er Gegenstände, die mit dem Mädchen zu tun haben: Kippen, Löffel, Kleidungsstücke . . . summieren sich nachher zum Museum der Unschuld. Schließlich stellt sich heraus, dass der Roman eine erzählerischer Führung durch selbiges ist.
Die Konstruktion hat was, wie auch die seltsame Spannung zwischen adaptiertem westlichem Lebensgefühl und gleichzeitiger Verwurzelung in der Traditionskultur überaus interessant ist. Hier der voreheliche Beischlaf als Zeichen aufgeklärter Modernität. Dort bei ihr und bei ihm untergründig wühlende Scham  wegen des Tabubruchs.

An Pamuks Stoff gibt es so wenig auszusetzen wie an der Struktur des Buches. Es ist die distanzierte, fast schon trocken berichtende Art seines diesmaligen Erzählens, die den Roman ermüdend macht. Etappe um Etappe von Kemals Stillstandsliebe wird referiert und sachlich analysiert. Atmosphärische Verdichtung, Spannungsaufbau, erlebbares Gefühl: Fehlanzeige. Das ist leider zu viel Museumsführung und zu wenig Tragödie.
                                                                                     Andreas Pecht


Orhan Pamuk: Das Museum der Unschuld. Hanser, 565 Seiten, 24.90 Euro

(Erstabdruck am 19. September 2008) 
 
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