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2008-09-01a Theaterkritik:

Theatersommer Idar-Oberstein bleibt anspruchsvoll -
Preisgekröntes Stück "Heaven" am Ende der Saison
 

Leben in einer sterbenden Stadt

 
ape. Idar-Oberstein. „Heaven (zu Tristan)“ von Fritz Kater: Ein zeitgenössisches Theaterstück der schwierigen Art, das Schicksale in einer sterbenden Region Ostdeutschlands beleuchtet. Die von Armin Petras inszenierte Koproduktion von Gorki-Theater Berlin und Schauspiel Frankfurt: Ein dreistündiger Abend, der mit bisweilen auch brachialen Darstellungen arbeitet. Und doch findet sich in der Kleinstadt Idar-Oberstein eine ordentliche Zahl Zuseher ein, die unterwegs nicht scharenweise weglaufen, sondern dem befremdlichen Geschehen gespannt bis zur letzten Minute folgen.
 
Um fernab der großen Bühnen ein solch offenes Publikum herauszubilden, brauchte der „Theatersommers Idar-Oberstein“ Mut und langen Atem. Anders als jüngst die Burgfestspiele Mayen schwenkte das Festival an der Nahe nie vollends auf leichtgewichtiges Amüsement ein, sondern hält seit Jahren an seinem Kunst-Anspruch fest: Die Mehrzahl der je zehn bis zwölf eingeladenen Produktionen soll innovatives, ernsthaftes, nachdenkliches Gegenwartstheater von Niveau bieten.  Natürlich, Idar-Oberstein ist vorwiegend ein Gastspielfestival, während Mayen selbst produziert. Aber was möchte einem am Ende lieber sein: Hochklassige Gastspiele da oder nur noch krachledern kalauernde Volksbelustigung dort?

„Heaven“ war jetzt zum Ende der Saison wohl die größte Herausforderung für die  Zuseher in Idar-Oberstein. Im Unterschied zu den meisten anderen Festival-Beiträgen wurde die mit dem Berliner Friedrich-Luft-Preis und dem rheinland-pfälzischen Lasker-Schüler-Preis ausgezeichnete Produktion nicht unter freiem Himmel vor Schloss Oberstein gezeigt. Im  kleinen Idar-Obersteiner „Stadttheater“ war das fein ziselierte Spiel des siebenköpfigen Ensembles besser aufgehoben.

Stück und Inszenierung verbinden zahlreiche Szenen zu einem bedrückenden Mosaik regionalen Zerfalls, sozialen Abstiegs und prekärer Entwurzelung. Die sich hier durchs Leben mühen, sind nach Sicht des Theaters Verlierer der deutschen Einheit, sind Opfer marktliberaler Allgewalt und Anarchie. Ein altes Ehepaar (Susanne Böwe/Peter Kurth) will bloß noch weg aus der sterbenden Stadt Wolfen – schafft aber den Absprung nicht, kann die lebenslangen Wurzeln so wenig abhacken wie dem erbärmlich gewordenen Leben ein Ende machen.

Ein Architekturstudent (Max Simonischek) flüchtet mit Visionen von menschenwürdigem Städtebau in die Welt hinaus - um bald kränklich-verkommen dort wieder zu landen, von wo er aufgebrochen. Die verlassene und suizidgefährdete Freundin (Fritzi Haberlandt) hängt sich mitsamt ihrem trunksüchtigen und von Gewaltfantasien gebeutelten kleinen Bruder an einen Bekannten, der vom Sammeln leerer Flaschen lebt. Die theatralisch zugespitzte Tristesse lässt kaum eines der brennenden Sozialprobleme unserer Tage aus. Das könnte einem  überladen erscheinen, käme die Klumpung der Faktoren nicht der realen Wahrheit so nahe.

Den Leser mag irritieren, von dennoch häufigem Schmunzeln, ja Lachen bei den Zusehern zu hören. Das rührt von der Brillanz der Mimen, die in wunderbarem Nuancenspiel ins allgemeine Elend die situative Lächerlichkeit des Allzumenschlichen hineinweben. Schauspielkunst dieses Niveaus ist keineswegs nur in Idar-Oberstein ein seltenes Erlebnis.         
Hoffnung macht das Stück indes nicht. Es gilt über den Abend hinaus, was der Student schon an dessen Anfang erklärt: „Eine Gesellschaft ohne Utopie ist die größte Bedrohung der Menschheit überhaupt.“                                                             Andreas Pecht

 
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