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2008-08-25a Porträt:

Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems:
Landeszentrum zur Förderung zeitgenössischer Kunst

 

Junge Avantgarde in alter Russen-Villa

 
ape. Bad Ems. Künstlerhaus Schloss Balmoral – wer sich am Mittelrhein intensiver für zeitgenössische Bildende Kunst interessiert, dürfte eine ungefähre Vorstellung davon haben, was sich hinter diesem Namen verbirgt. Dem breiteren Kulturpublikum außerhalb des Nahbereiches ist vielleicht der Begriff schon mal untergekommen, ansonsten wird es mit der seit 1995 in Bad Ems ansässigen rheinland-pfälzischen Landes-Institution eher wenig verbinden können. Was schade ist, denn in Balmoral pocht der Pulsschlag neuer und neuester Kunstentwicklungen. Genauer gesagt: In der schlossartigen Villa über dem Lahnufer vis-a-vis der historischen Bad Emser Kurmeile kommen alljährlich jüngere, hoffnungsvolle Künstler aus aller Welt zusammen, um für einige Monate gemeinsam zu arbeiten.
 
Das Künstlerhaus Schloss Balmoral ist eines von drei künstlerischen Begegnungs- und kreativen Arbeitszentren des Landes Rheinland-Pfalz. In der Pfalz bietet das Künstlerhaus Edenkoben der Literatur eine Heimstatt. Schloss Engers bei Neuwied ist mit der Villa Musica und ihrer Akademie für Spitzennachwuchs der Kammermusik verschrieben. Bei allen drei Einrichtungen macht die Förderung von Künstlern durch Stipendien und die Arbeit der Stipendiaten am Ort das Kernstück ihres Daseins aus. Eine Vielzahl weiterer Aktivitäten und Veranstaltungen stehen in direktem oder indirektem Zusammenhang mit dem Stipendiatenbetrieb.

Ortstermin in Balmoral. Wir sind verabredet mit Dr. Danièle Perrier, seit 1999 Direktorin des Künstlerhauses in Bad Ems. Die Kunsthistorikern gehörte schon zuvor zum inneren Kreis des rheinland-pfälzischen Kulturpersonals: Von 1991 bis 1996 leitete sie als Gründungsdirektorin das Koblenzer Ludwig-Museum. Die Anfahrt zur 1867 von einem Krösus aus St. Petersburg im Stile eines Renaissance-Schlösschens erbauten Villa ist etwas verzwackt. Vom Rhein her  kommend, führt das letzte Stück des Bad Emser Straßentunnels quasi unter Balmoral hindurch. Dem Tunnelmief entflohen, geht’s wieder ein paar Meter in die Gegenrichtung, dann links gen Wiesbaden, gleich nach rechts in ein Wohnsträßchen, schließlich ein Bergweglein hinan - an dessen Ende das in jungfräulichem Weiß strahlende Künstlerhaus mit allenfalls einer handvoll Parkplätzen aufwartet. Weshalb Besucher gut beraten sind, ihr Auto an der Lahn stehen zu lassen und drei Minuten die Füße zu bemühen.

500 Künstler-Bewerbungen aus aller Welt

Danièle Perrier und ihre Mannschaft sind im Stress. Auf dem Design-Schreibtisch im winzigen Büro der Direktorin häufen sich Korrekturfahnen für Ausstellungskataloge, Vortragsmanuskripte und Stipendiaten-Bewerbungen. Das Telefon glüht, wie man so sagt: Noch während der Besucher seinen zum Tote-Erwecken tauglichen Begrüßungskaffee zuckert, führt die Chefin mit irgendeinem Planungsstab für die Koblenzer Bundesgartenschau Verhandlungen über denkbare Beiträge „meiner Künstler“ zum Buga-Großevent 2011. Im Gespräch nachher wird deutlich: Die Direktorin und ihre sehr kleine Crew haben ein beträchtliches Pensum zu bewältigen. Und in diesem August/September kommt es knüppeldick.

Fast 500 Bewerbungen aus aller Welt für die Stipendien 2009 sind zu sichten, zu bewerten, zuzubereiten für die Auswahljury aus Vertretern von Kunstakademie, Kunstkritik und freier Kunst sowie ministerieller Fachfrau und der Balmoral-Chefin selbst. Perrier hebt anerkennend hervor, dass von Mainzer Seite nie versucht worden sei, auch einen Politiker in die Jury zu setzen. Glück gehabt, denkt man still bei sich, denn das Jury-Geschäft dürfte sich angesichts mancher Trends in der zeitgenössischen Kunst schon unter Fachleuten nicht eben einfach gestalten. Die Grenzen zwischen den Disziplinen Malerei, Plastik, Installation, Zeichnung, Grafik, Design, Fotografie weichen auf, neue Bereiche gesellen sich hinzu: Etwa Videokunst, Computervisualistik und Klangkunst. „Unsere herkömmlichen Begriffe und Bezeichnungen funktionieren nicht mehr“, erklärt Perrier und verweist auf den gegenwärtigen Boom der künstlerischen Vermischung von Bild, Design, Wort, Klang und computergestützter Virtualität. In dieser neuartigen Flut mit Qualitätskriterien fassbare Schwerpunkte zu setzen, ist eine der großen Herausforderungen für die Juryarbeit.

1200 Euro Taschengeld plus Unterkunft und Atelier

Von Balmoral aus werden sämtliche Landesstipendien im Bereich der Bildenden Kunst gemanagt. Die da wären: Sechs international ausgeschriebene Balmoral-Stipendien, die für die beteiligten Künstler einen sechsmonatigen Arbeitsaufenthalt in Bad Ems umfassen. Siebter im Bunde ist neuerdings ein Theoriestipendiat, also etwa ein angehender Kurator. Dazu kommt als achte Position ein Projektstipendium, mit dem eine konkrete Arbeit eines Künstlers andernorts unterstützt wird. Soweit gewissermaßen die Balmoral-Kernfamilie. Daneben gibt es eine Reihe von Stipendien, mit denen das Land Landeskindern, als Künstlern aus Rheinland-Pfalz, Arbeitsaufenthalte im Ausland ermöglicht. Damit kann sich noch einmal ein knappes Dutzend Stipendiaten von hier in New York, London, Paris, Burgund oder China künstlerisch weiterentwickeln.

Jeder erhält 1200 Euro pro Monat plus freie Unterkunft und Arbeitsmöglichkeit. Was in Bad Ems heißt: Wohnstudio und Atelier für den Einzelnen, dazu gemeinsame Werkstätten für Holz und Metall, Bibliothek, PCs, Videoschnittstelle. Und: Es gibt die so wichtigen Szenekontakte nebst Berührungen mit dem Publikum – durch Einzelpräsentationen oder Gruppenausstellungen der Stipendiaten in Balmoral und anderswo, durch Einzelkataloge und Präsenz im Jahrbuch des Künstlerhauses. „Wir haben in den letzten Jahren zusätzlich zur Ausstellungstätigkeit hier in Bad Ems unsere Präsenz auf wichtigen Kunstmessen intensiviert sowie die Zusammenarbeit mit Galerien beispielsweise in Frankfurt und Berlin deutlich verstärkt“, erläutert Danièle Perrier.

Szenekontakte und Ausstellungen

Eine der zentralen Außendarstellungen war immer die Jahresausstellung in Schloss Balmoral. Von nun an wird es regelmäßig eine große Präsentation von Werken sämtlicher Kunst-Stipendiaten des Landes Rheinland-Pfalz aus dem jeweiligen Jahrgang in der neuen Mainzer Kunsthalle geben. Beobachter halten das für eine sehr kluge Entscheidung, denn trotz aller Sympathie für die Mittelrhein-Region: Bad Ems liegt nun mal noch weiter abseits von den Zugwegen der internationalen Kunstszene als selbst Koblenz. Weshalb die regelmäßige Präsenz des Kreativzentrums Balmoral an das in Sachen zeitgenössischer Kunst weltläufig-vitale Rhein-Main-Gebiet den Künstlern, dem Land und der hiesigen Region nur nützen kann. Die erste dieser Ausstellungen in der Mainzer Kunsthalle unter dem Titel „km 500“ beginnt mit Werken der Stipendiaten des Jahres 2007 am 13. September (bis 26.10.).

Fallen damit die Jahresausstellungen in Schloss Balmoral weg? „Aber nein“, lacht Danièle Perrier, „dazu sind der Kontakt zu und die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit hier viel zu wichtig für das Haus und die Künstler.“ Während in Mainz also alle 2007er Landesstipendiaten ausgestellt werden, erarbeiten in Bad Ems die sechs 2008er Balmoral-Stipendiaten, die zurzeit das Künstlerhaus bevölkern, eine örtliche Abschlussausstellung zu ihrem halbjährigen Aufenthalt. Diese Präsentation beginnt am 26. September und dauert bis zum 5. Oktober. Balmoral und seine Künstler in der großen Kunstwelt bekannt machen, das Künstlerhaus zugleich stärker in der hiesigen Region verankern – das sind für Perrier zwei Seiten der gleichen Medaille. Weshalb ihr eine Mitwirkung an der Buga ebenso nahe liegt wie ein engeres Zusammenrücken zwischen Universität Koblenz und Balmoral. Erstes Produkt dieser Kooperation ist eine am 24. September startende, hochkarätig besetzte Vortragsreihe, die über den Herbst mal an der Uni, mal im Künstlerhaus kritisch die Beziehungen zwischen Kunst, Wissenschaft, Politik und Markt beleuchtet.                                                           Andreas Pecht


Infos: www.balmoral.de 


(Erstabdruck Woche 35 im August 2008)

Künstlerhaus Schloss Balmoral Bad Ems, ein Proträt
 
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