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2008-08-14 Buchkritik/Rezension:

Neuer Roman von Amos Oz beobachtet
Schriftsteller beim Kreativsein


Der Autor auf Diebestour
 
ape. „Verse auf Leben und Tod“ – der Titel des neuen Romans von Amos Oz klingt dramatisch,  klingt nach verzweifeltem Anschreiben gegen die tragischen Unbilden des Daseins. Doch im 120-seitigen Bändchen des israelischen Autors wird keineswegs ums existenzielle Sein oder Nichtsein gerungen. Thema sind vielmehr die kleinen Geheimnisse im Dichterleben, die Besucher von Autorenlesungen gerne fragend ergründen möchten. Warum er schreibe, mit welchem Ziel, wie, wann, woher er die Stoffe beziehe, die Figuren?
 
Eine lange Liste solcher Fragen eröffnet das Büchlein. Im Café sitzend, rekapituliert der Schriftsteller sie still zwecks Vorbereitung auf seine nachherige Lesung in einem Kulturzentrum von Tel Aviv. Sein Blick fängt sich an einer Unregelmäßigkeit in der Haltung der Kellnerin, am verschobenen Abdruck ihres Schlüpfers. Und schon beginnt sein Hirn eine Geschichte zu spinnen um diese spröde Frau, die er im Geiste Riki nennt. Seine Riki erlebte einst, in wilden Teenager-Zeiten, eine Woche der Liebe. Dann legte sich der Geliebte wieder ihre Vorgängerin ins Bett und tat mit jener dasselbe, was er eben noch mit ihr getan.

Woher nimmt der Autor seine Stoffe? Im Café plaudern am Nebentisch zwei Alte über einen, der mal als Lottomillionär den Lebemann gab, jetzt aber bettelarm dem Krebstod entgegensiecht. Wieder nimmt im Kopf des Autors das zufällig Aufgeschnappte Erzählform an, werden unbekannte Menschen zu sich entwickelnden Figuren einer Geschichte. Ein Faden verknüpft sich mit dem nächsten, und es scheint fast, als geschähe das ohne Zutun des Schriftstellers.

Dann die Lesung. Er auf dem Podium zwischen Kulturfunktionär, akademischem Referenten  und einer schüchternen Vorleserin. Sein Blick schweift übers Auditorium im überhitzten Saal. Hier der in Zweifeln befangene Junge, der selbst mal Dichter werden will. Dort der in seinem Schweiß zerfließende Mann. Irgendwo ein unerkannter Zwischenrufer. Lauter Anfänge für neue Geschichten, Fäden, die sich bald verlieren, bald einander umschlingen. Schließlich das zarte Story-Gespinnst über die Annäherung an die Vorleserin und die Möglichkeit einer Liebesnacht, erzählt aus zwei Perspektiven: der seinen und der ihren.

Reale Alltäglichkeit und Fantasie: Für den Schriftsteller sind das siamesische Zwillinge, die ohne einander nicht können. Amos Oz hat sein unpathetisches, meisterlich zwischen Ernst, Ironie und feinem Humor schwebendes Buch nicht aus der Ich-Perspektive geschrieben, sondern aus beobachtender Distanz. Während Blicke und Gedanken seines Protagonisten die Mitmenschen zugunsten der Literatur „wie ein Taschendieb beklauen“, stiehlt Oz diesem namenlosen Alter Ego gleich einen ganzen fabelhaften Roman.                                                                                              Andreas Pecht

Amos Oz: Verse auf Leben und Tod.
Suhrkamp, 120 S., 16,80 Euro.

(Erstabdruck der Rezension am 15. August 2008)
 
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