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2008-07-28b Gastbeitrag:
Kowelenz ist ein Sommernachtstraum

Dirk Zimmer über ein eigenes Theater, sein neuestes Stück und Mundart als Identitätshilfe
 
map. Es rattert und grollt im Hintergrund: Das Geräusch wird immer lauter, während Dirk Zimmer auf einem Schotterplatz im Koblenzer Stadtteil Güls steht. Der Platz gehört zum Café Hahn, das Geräusch zur Eisenbahn, die durch das enge Moseltal rumpelt. „Züge werden in den Vorstellungen bestimmt eine Rolle spielen“, erzählt Zimmer gerade. Der Regisseur, Autor und Schauspieler wendet sich einem Modell zu und erklärt, wie der Parkplatz des Café Hahn schon in wenigen Tagen aussehen wird: Eine von der Buga-GmbH bepflanzte Bühne wird am Kopf stehen und die Kulisse für ein Stück jüngere Koblenzer Stadtgeschichte sein. Zimmer macht nämlich wieder in Mundart und bringt, diesmal in Kooperation mit Berti Hahn, „Sommernachtstraum Reloaded“ auf die Bretter.
 
Die Handlung der Kowelenzer Variante des Shakespeare-Klassikers ist einigen bereits bekannt, wurde sie doch in der Schängel-Reihe schon im Sommer 2007 auf dem Fort Asterstein aufgeführt. Und doch bringt Zimmer nicht einfach die letztjährige Produktion noch einmal heraus. Neue Bonmots kommen hinzu: „Wir werden uns mit aktuellen Themen beschäftigen“ verspricht Zimmer. Europameisterschaft, Bundesgartenschau und Olympia kommen im Open-Air-Schängel vor und natürlich die prägenden Figuren Ernst und Willi. Die, so Dirk Zimmer, „freuen sich schon sehr auf die Seilbahn über den Rhein“, die es während der Buga 2011 geben soll. Koblenzer Stoff hat es für „Zimmers Theater“ also wieder genug.

Zur Handlung von „Sommernachtstraum Reloaded“: Die Protagonisten Willi und Ernst haben in der prototypischen Altstadtkneipe Schängel das Regiment übernommen und vertreten die Wirtin während ihres Urlaubs. Schnell wird ein Biergarten im Hof eröffnet, die eingeplanten Horden an Touristen aber bleiben aus. Statt derer kommt etwa eine gewisse Frau Anne Schnitzel vorbei, ihres Zeichens Theaterintendantin am Ort vorbei. Sie hat einen verwegenen Plan: Ein Kowelenzer „Sommernachtstraum“ soll aufgeführt werden - und schwups übernehmen die Altstädter Originale aus der Kneipe tragende Rollen in einem der bedeutendsten Stücke der Theatergeschichte.

„Wenn  man sieht, wie Shakespeare auf eine solche Art funktioniert, ist das etwas sehr Schönes“, sagt Dirk Zimmer und will erneut den Beweis antreten, dass Mundart-Theater weder Karneval noch Bauernkomödie sein muss. Viel mehr müsse der Dialekt als kultureller Bestand verstanden und weiter getragen werden. „In Koblenz ist es immer noch ungewohnt, Platt zu sprechen“, erklärt Zimmer. Dabei habe Dialektsprechen überhaupt nichts mit Unterschichtkultur zu tun, stellt der in Horchheim geboren klar. Dieser Grundhaltung ist auch sein privates Theaterunternehmen verpflichtet, dem er als Dramatiker, Schauspieler und Produzent beiwohnt.

Mit seinen Stücken will Zimmer in erster Linie unterhalten. „Auch mit unserer aktuellen Arbeit verbinden wir wieder Generationen“, sagt der Künstler. Der „Sommernachtstraum“ dient da als Stück im Stück, schließlich soll kein klassisches Theater gemacht werden. Es wird Comedy-Elemente geben, gespielte Fehler und allerlei andere Effekte, die das Publikum direkt ansprechen. Zimmer arbeitet ausschließlich mit hauptberuflichen Schauspielern zusammen, er selbst beherrscht das Improvisationstheater, hat immerhin 200 Auftritte pro Jahr mit der Bonner Springmaus absolviert. „Die Schauspieler sind nicht alle aus Koblenz. Darum kann eigentlich auch jeder den Dialekt verstehen“, sagt Dirk Zimmer.

Der Familienvater hat seinen Teil dazu beigetragen, dass am Deutschen Eck die Mundart heuer so etwas wie Kult ist. Insgesamt vier Schängel-Folgen hat es schon gegeben, aufgeführt fast immer in der Kulturfabrik. Über die Besucherzahlen kann nicht geklagt werden und über die Begeisterung des Publikums auch nicht. Ein weiterer Indiz dafür, dass die Arbeit des Dirk Zimmer in seiner Heimatstadt ankommt, ist das Video „Dau bist Kowelenz“. Die Parodie auf die Kampagne „Du bist Deutschland“ haben mittlerweile unzählige Menschen im Internetportal youtube angeschaut. „Ich finde es toll, wenn Koblenz seine eigene Identität findet“, bemerkt Zimmer zu solchen Phänomenen. Theater könne da übrigens einen wichtigen Beitrag leisten, ist sich der Stadionsprecher der TuS Koblenz sicher. Darum hat er auch einen großen Traum: Ein eigenes Mundart-Theater in der Stadt. „Ich denke, dass der Bedarf da ist“, so Zimmer. Die freie Kulturszene sei in Koblenz nicht groß. „Das fehlt für mich etwas“, sagt der Mann, der nach eigenen Angaben sehr viele Stücke des Kölner Millowitsch-Theaters gesehen hat.

Dirk Zimmer kommt selbst aus der freien Szene. In den 1990er-Jahren hat er in der Kufa gearbeitet, Veranstaltungen organisiert und war beim Tanztheater Regenbogen dabei. Außerdem zwei Jahre beim Improvisationstheater „Springmaus“ engagiert. Als Dramatiker hatte Zimmer seinen Durchbruch mit der Textfassung des Musicals „Dschungelbuch“, das er 2000 für das Koblenzer Jugendtheater schrieb.

Aber ist Theaterarbeit für den Familienvater nur ein Hobby? „Nein“, entgegnet er schnell. Damit verdiene er sein Geld, das sei neben Moderationen ein Teil seines Berufes. Darum müssen sich auch die Schängel-Aufführungen immer halbwegs rechnen. Aus unternehmerischer Sicht können die Zeichen dieses Jahr positiv gedeutet werden. Sponsoren und gute Planung stimmen optimistisch. 250 Karten werden jeweils für die 12 Aufführungen in Koblenz-Güls verkauft. Sollte das Wetter schlecht sein, können Akteure und Besucher innerhalb von fünf Minuten ins Café Hahn umziehen. Regenschirme dürfen zu Hause bleiben. Das beruhigt auch Dirk Zimmer, war er doch mit der ursprünglichen Fassung des „Kowelenzer Sommernachtstraums“ auf dem Fort Asterstein einer ziemlichen Schlechtwetter-Periode ausgesetzt. Diesmal steht einer trockenen Spielzeit nichts mehr im Wege.

Zimmer ist sich sicher, dass der „Sommernachtstraum“ auch an neuer Spielstätte und mit etwas veränderte Handlung funktionieren wird. Die aktuelle Version beinhalte ja das Beste aus 14 Vorstellungen. „Jeder Witz, der einmal gezündet hat, ist dabei“, sagt Zimmer. Außerdem sei die Vorlage eigentlich ein Erfolgsgarant an sich. Der „Sommernachtstraum“ ist für den Produzenten eine gut spielbare Komödie, die jeder in den Grundzügen kennt. Viel erklärt werden muss also nicht. Und trotzdem hatte Zimmer Respekt vor dem Originaltext: „Shakespeare schreibt so schön, das kann ich nicht alles transportieren“, räumt er ein, ist sich aber völlig sicher, dass er auch in diesem Sommer erreicht, woran ihm vor allem liegt: „Einfach saugute Unterhaltung machen“.            Marco Pecht

Premiere des „Sommernachtstraums Reloaded“ ist am 15. August. Von da an wird es von Donnerstag bis Sonntag drei Wochen lang ab 20 Uhr Vorstellungen geben. Infos und Tickets im Internet: www.cafehahn.de


(Erstabdruck 31. Woche im Juli 2008)

Dirk Zimmer, Koblenzer Mundarttheater, "Sommernachtstraum Reloaded"
 
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