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2008-06-25a Kulturgeschichte:
Neue Römer
braucht das Land

Historische und archäologische Museen unter der Lupe
 
ape. Es gibt in Deutschland Hunderte, in Rheinland-Pfalz Dutzende Museen, die Funde aus der Römer-Zeit ausstellen. Sind die Präsentationen sinnvoll, interessant, lehrreich? Dies untersuchte eine junge Frau aus Dausenau für ihre Doktorarbeit unter dem Titel:  "Neue Römer braucht das Land"
 
Barbara Ellermeier ist Historikerin, ihr Schwerpunkt die Römerzeit. Wobei das Hauptinteresse der 28-Jährigen der römischen Historie außerhalb Italiens gilt, insbesondere in den germanischen Provinzen des Imperiums. Folglich gehörten seit Beginn des  Studiums der Geschichte und Archäologie an der Universität Freiburg Besuche in historischen Museen nördlich der Alpen zu ihrem beruflichen Alltag. Dabei widerfuhr ihr dies: „Immer öfter merkte ich, dass ich die erklärenden Texttafeln zu den ausgestellten Fundstücken nicht mehr lese, weil in jedem Museum dasselbe draufsteht.“ 

Die Erscheinung der ewiggleichen Infotexte in den Römer-Abteilungen der Museen ließ die junge Wissenschaftlerin – in Nassau geboren,  heute mit Mann und kleinem Sohn in Dausenau an der Lahn lebend - nicht mehr los. Während des Studiums nahm sie an archäologischen Grabungen teil, begleitete als Praktikantin auch das Entstehen von Ausstellungen. Dabei fiel Ellermeier manche Neigung auf, die sich im Ausstellungsgeschäft zu regelrechten Trends verfestigt hat. So zum Beispiel in vielen Museen landauf, landab die inflationäre Wiederkehr derselben Abbildungen: Szenen von den Fresken aus Pompeji. Da runzelt die Historikerin die Stirn. Denn diese  Darstellungen aus vorchristlicher Hoch-Zeit am Mittelmeer sind zwar wunderschön. Aber was können sie aussagen über die römische Provinzkultur des zweiten bis vierten Jahrhunderts nach Christus im hiesigen Limes-Raum? 

Deutschland ist Römerland

Ihre Doktorarbeit eröffnete Barbara Ellermeier die Möglichkeit, diesen Phänomenen mit wissenschaftlicher Akribie zu Leibe zu rücken. Doktorvater Hans-Joachim Gehrke, seit 2007 Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts, setzte mehrere Doktoranden auf die Fährte unseres heutigen Bildes von den alten Römern. Wie wird es vermittelt -  im Film, in der Literatur, im Schulbuch und in den Museen? Die Junghistorikerin von der Lahn durfte mit Förderung durch die Gerda-Henkel-Stiftung den deutschen Museen und ihren aktuellen Ausstellungs-Konzeptionen zur Römerzeit näher treten.

Aber: „Ich bin beim ersten Anlauf grandios gescheitert“, räumt die junge Frau schmunzelnd ein. Gescheitert woran? An der schier unglaublichen Fülle deutscher Museen, die sich mit den Römern befassen. Es sind Hunderte, vom großen Landesmuseum bis zum dörflichen Heimatmuseum – mal mit opulenten Römer-Abteilungen ausgestattet, mal bloß ein paar Scherben oder Münzen in einer Vitrine ausstellend. Deutschland ist Römerland, der Südwesten sowieso und Rheinland-Pfalz ganz besonders. Weshalb sich die Doktorandin für ihre Dissertation schließlich auf die Museen in ihrem Heimat-Bundesland und der direkten Nachbarschaft konzentriert hat.

„Es gibt hier auch hervorragende Römer-Ausstellungen“, erklärt die Historikerin, die ihre Untersuchung nicht als groß angelegte Museumskritik, sondern als Bestandsaufnahme für die Situation zwischen 2000 und 2007 verstanden wissen will. Dazu gehört allerdings ebenso die Feststellung, dass auch in rheinland-pfälzischen Museen besagte Trends ihre Spuren hinterlassen haben. Etwa jene Praxis, die sich seit den 1980ern in der Museumsdidaktik breit macht: Diverse Fundstücke oder deren Nachbildungen werden zu räumlichen Szenen inszeniert, beispielsweise zu einer römischen Küche oder einem Esszimmer.

Dilemma der historischen Museen

So erfreulich die derart sinnlich erfahrbare „Römerwirklichkeit“ für den Betrachter sein mag, so unscharf wird sie zugleich, wenn zu vermeintlich authentischen Szenen Artefakte zusammengefügt werden, deren Ursprünge bisweilen 500 Jahre und einen halben Kontinent auseinander liegen. Szenen, die den Fresken von Pompeji und den Darstellungen auf Grabmälern römischer Tuchhandels-Millionäre in Trier (Igeler Säule) nachempfunden und mit einigen Fundstücken aus dem Umland bestückt sind: Wie nahe mag solche „römische Lebensart“ noch der Realität auf Pensions-Gehöften rangniedriger Legionsveteranen an Mosel oder Ahr kommen? Sinnliche Beeindruckung der Besucher durch ungenaue Generalisierung oder historisch-regionale Korrektheit?  Für viele Museen ist das ein Dilemma – wie auch die Konkurrenz zwischen Dauerausstellungen und opulenten Sonderschauen eines ist.

Die Neigung zu spektakulären Sonderausstellungen werde immer größer, stellt Ellermeiers Untersuchung fest. Größer wird dadurch aber auch die Kluft zwischen sinkenden Finanzen für die dauerhaften Basisaufgaben der Museen  - sammeln, forschen, bewahren, vermitteln – und der wachsenden Förderung von öffentlichkeitswirksamen Großunternehmungen. Die Arbeit der Dausenauerin verweist darauf, wie sehr die oft stark mit auswärtigen Leihgaben bestückten Sonderausstellungen Ressourcen der Museen von der „normalen“ Arbeit abziehen. Dass die Dauerabteilungen im Gegenzug vom Ansturm auf die herausgehobenen Events profitieren, hält die Doktorandin für ein Gerücht. Ihre Umfragen deuten auf das Gegenteil hin: Wer eine umfangreiche Sonderschau besucht hat, dem fehlen hernach meist Kraft und Lust, auch noch die Dauerausstellung eines Museums anzusteuern.

Generalisierung macht verwechselbar

Der Hang vieler Museen zur Generalisierung, also dazu, immer und überall ein fast enzyklopädisches Gesamtbild der römischen Kultur zeigen zu wollen, ist laut Ellermeier eines der großen Probleme der Römer-Präsentationen. Daher rühren jene Verwechselbarkeit und  Beliebigkeit, die den unschönen Schluss hervorbringen: Hast du eine Römer-Ausstellung gesehen, kannst du dir die andern sparen. Nicht umsonst diskutieren deshalb Historiker und Museumsfachleute seit einiger Zeit heftig über Mut zur Spezialisierung, Mut zur Lücke und Mut zur regionalen Anbindung.

Ellermeier führt Beispiele aus Rheinland-Pfalz an, wo Museen aus Konzentration auf eine regionalgeschichtlich begründete Kernkompetenz besondere Bedeutung erwächst. Beispiel Rheinzabern: Seit 2007 befasst sich dort ein neues Museum speziell mit der in diesem Raum einst angesiedelten Massenproduktion von römischer Keramik und feinem Tafelgeschirr. Beispiel Archäologiepark Belginum in Morbach/Hunsrück. Mitten in einem Grabungsfeld gelegen, werden vor allem anhand straßenbaulicher Artefakte 1000 Jahre örtliche Siedlungsgeschichte in der Übergangszeit von den Kelten zu den Römern erhellt. Die gleiche Übergangsepoche hat der Archäologiepark Martberg bei Treis-Karden an der Mosel im Blick – allerdings wegen der dort gefundenen keltisch-römischen Tempelanlage vor allem unter Gesichtspunkten der Religionsgeschichte.

Eine Leerstelle füllen

Gerade Morbach und Martberg stoßen mit ihrer Arbeit in eine Leerstelle zahlreicher herkömmlicher Römer-Präsentationen vor, über die sich nicht nur die junge Historikerin von der Lahn bei Museumsbesuchen in ganz Deutschland oft geärgert hat: „Eben geht man noch durch die Abteilung Jungsteinzeit, drei Schritte weiter sind urplötzlich die Römer vom Himmel gefallen.“ Es fehlt die Aufbereitung der Übergangsphase etwa von den Kelten zu den Römern mit all ihren Umwälzungen, Kulturbrüchen und sozialen Verwerfungen.

Barbara Ellermeier feilt nun an der Endfassung ihrer Doktorarbeit, die in den nächsten Monaten publiziert werden soll. Ob die hiesigen Ausstellungsmacher sich dann noch dafür interessieren werden? Sollten sie aber, auch wenn das Museumsgeschäft noch so schnelllebig geworden ist und schon Umbau wie Neukonzeption des Mainzer Landesmuseums 2009 wieder ganz neue Trends setzen könnten.                                   Andreas Pecht


 
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