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2008-05-30a Analyse:
Geht die Vorherrschaft
des Automobils zu Ende?

Wenn Benzin unerschwinglich wird – Landbevölkerung fehlt die Alternative

 
ape. Lieber mit dem PKW oder mit Zügen, Bahnen, Bussen fahren?  Die Beantwortung dieser Frage hing lange  von individuellen Überzeugungen und Lebensstilen ab. Das ändert sich nun mit rasender Geschwindigkeit: Der Benzinpreis entzieht Menschen in wachsender Zahl die freie Entscheidung, insofern 1,50 Euro und mehr für den Liter viele Portemonnaies schlichtweg überfordert.

Dass die Preisspirale für Ölprodukte sich noch einmal kräftig rückwärts dreht, ist auszuschließen. Schwankungen gibt es allenfalls beim Tempo des Preisanstieges. Schätzungen für die nächste Zeit variieren zwischen 12 und 30 Prozent Verteuerung jährlich. Es besteht demnach eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass Benzin binnen drei Jahren mehr als zwei Euro je Liter kostet. Wodurch Autofahren für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung zum schieren Luxus oder vollends unmöglich wird.

Kann man, kann der Staat dagegen nichts tun? Kaum. Selbst eine strenge Unterbindung der Spekulationsgeschäfte im globalen Ölhandel oder eine Senkung der Steuern auf Benzin könnte den Verbrauchern allenfalls vorübergehend etwas Luft verschaffen. Denn die Verteuerungtendenz des Produktes selbst würde dadurch nicht gebremst, eher beschleunigt. Grund: Jedwede Maßnahme, die zu billigerem Sprit führt, hätte einen höheren Verbrauch zur Folge. Dies ließe das weltweit knapp gewordene Gut Öl noch schneller noch knapper werden und damit auch noch schneller noch teurer. Die Entlastung durch Senkung der  Benzinsteuern um, angenommen, die Hälfte wäre  schon nach zwei Jahren aufgefressen.

Nachfrage höher als Angebot

Das Angebot an Erdöl kann mit der exorbitant wachsenden globalen Nachfrage nach diesem Energieträger immer weniger Schritt halten. Zumal Erdöl obendrein Grundstoff der gesamten chemischen und  pharmazeutischen Industrie ist. Einerseits erschöpfen sich die im Abbau befindlichen Öllagerstätten zusehends. Andererseits werden zwar unter Tiefsee, arktischem Eis oder klumpig in Gestein und Sand gebunden noch beträchtliche Erölvorkommen vermutet und teils auch entdeckt. Aber deren Abbau ist so kostspielig, dass er sich nur rechnet, wenn für das Endprodukt an der Zapfsäule zwei, drei oder mehr Euro je Liter erzielt werden.

„Fortschritte in der Autotechnik werden’s richten.“ Es steht zu befürchten, dass diese Ansicht ein frommer Wunsch bleibt. Selbst wenn es gelänge, den Benzinverbrauch der weltweiten Autoflotte von derzeit 850 Millionen Fahrzeugen zu halbieren, würde die bis 2030 prognostizierte Verdoppelung des globalen Autobestandes die Einsparung wieder wett machen. Noch gar nicht gerechnet die gigantischen Erdölmengen, die bei der Produktion all dieser Autos sowie bei Bau und Unterhalt der zusätzlichen Straßennetze etwa in China und Indien verbraucht werden – Kunststoffe und Asphalt sind Erdölprodukte.

Alle Faktoren zusammengenommen, drängt sich der Verdacht auf, dass die Vorherrschaft des Autos sich ihrem Ende zuneigen könnte. Plötzlich wird Abhängigkeit vom Automobil via globales Wachstum und Benzinpreis in Eifel, Hunsrück, Taunus, Westerwald zum Mobilitätshemmnis. Der Verweis auf die ländlichen Räume des nördlichen Rheinland-Pfalz ist nicht zufällig. Denn während man in Mainz auf einen passablen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zurückgreifen kann, gibt es auf den Höhen nichts, das eine solche Bezeichnung verdiente.

Derzeit verbuchen sämtliche halbwegs brauchbaren Öffentlichen Verkehrsmittel auf Fernstrecken sowie in  Großstädten und Ballungsräumen sprunghafte Fahrgastzuwächse. 20 Millionen Fahrkarten zusätzlich hat die Deutsche Bahn zwischen Januar und April verkauft. Sogar in den USA registrieren die ÖPNV-Betriebe seit  2007 einen Publikumsansturm. Sie müssen allerdings auch registrieren: Ihre über Jahre ausgedünnten und vernachlässigten Netze sind dem Boom gar nicht gewachsen.

Dieses Problem steht jenen deutschen Kommunen noch bevor, die ihr ÖPNV-System nicht so ausgebaut haben, dass es nötigenfalls die Funktion des primären Fortbewegungsmittels im Stadt- und Umgebungsverkehr übernehmen kann. Angesichts der Benzinpreisentwicklung brauchen wir Nahverkehrssysteme, die in Fahrpreis und Mobilqualität  eine alltagstaugliche Alternative zu weiten Bereichen des Autoverkehrs darstellen. Berlin oder Stuttgart etwa sind darin schon recht weit. Weshalb dort Zehntausende, die sich eben noch durch Stadtstaus quälten, vor dem hohen Spritpreis in S- und U-Bahnen flüchten. Jeder Kilometer, den sie nicht mit dem Auto zurücklegen, bedeutet bares Geld für ihre  Haushaltskasse – entlastet obendrein die Umwelt.

Verkehr in der Sackgasse

Was jedoch wird aus den Menschen auf dem Land, die heute oder morgen Autofahren nicht mehr bezahlen können? Die dürftigen, oft auf Schülertransport reduzierten Busverbindungen in hiesigen Mittelgebirgen machen viele Wege unmöglich oder zur zeitraubenden Mühsal. Da das nördliche Rheinland-Pfalz überwiegend aus ländlichem Raum besteht und die Infrastruktur dort seit Jahrzehnten – selbst noch in den neuesten Verkehrsplanungen – völlig auf den automobilen Individualverkehr ausgerichtet ist, steht dieser Landstrich nun in allerkürzester Frist vor den allergrößten Problemen.

Denn es gibt hier fast nichts (mehr), worauf man  für die rasche Entwicklung eines richtigen ÖPNV-Netzes aufbauen könnte. Bis in jüngste Zeit wurden ländliche Bahnlinien stillgelegt,  Trassen zerstört oder in Radwege verwandelt. Die wenigen Buslinien sind überwiegend privatisiert, Andienungsrechte und sogar Haltestellen vielfach Privatmonopole. Schwierige Ausgangsbedingungen für die Bewältigung der aktuellsten Herausforderung. Die da heißt: Sehr zügig ein effizientes ÖPNV-Netz aufbauen, das Mobilität und Standort-Attraktivität auch dann sichert, wenn sich die Menschen nicht mehr jede Alltagsfahrt mit dem Auto leisten können.               Andreas Pecht


Siehe zu diesem Thema auch:

2008-04-13 Kommentar:
Brot statt Benzin! 


2008-05-25 Quergedanken:
Aberglaube macht sexy
 
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