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2008-05-30 Porträt:
Schweizer Hansdampf macht Sommertheater

Intendant Peter Nüesch baut bei Mayener Burgfestspielen auf "intelligente Unterhaltung"
 
ape. Ein neuer Intendant ist für jedes Theater oder Festival spannend. Welche Handschrift wird der Neue beim  Programm und auf der Bühne schreiben? Dies fragt sich das Stammpublikum. Wie werden sich die Zuschauerzahlen entwickeln, und kann der Neue mit Geld umgehen? So fragen die Träger des Theaters, im vorliegenden Fall also die Stadt Mayen. Die Rede ist von den dortigen Burgfestspielen und deren Intendant Peter Nüesch. Ganz neu ist der 1949 im schweizerischen St. Gallen Geborene in Mayen nicht: Nüesch hat die Festspiele mit Hauptbühne im Innenhof der Genovevaburg bereits durch den vergangenen Sommer geführt und lebt seither auch in der Eifel-Stadt.

Die am 20. Mai mit der Premiere des Kindermusicals „Eine Woche voller SamsTage“ eröffneten Burgfestspiele 2008 sind für Peter Nüesch also die zweite Saison am Ort. Die dauert bis 16. August und umfasst rund 90 Theatervorstellungen. Neben dem Kinderstück kommen das Musical „My Fair Lady“ und die Shakespeare-Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ auf die Burgbühne. Die erste Spielzeit galt, wie immer bei Intendantenwechseln, als  Aufwärmphase. Nüesch allerdings legte 2007 eher einen Blitzstart hin, der den Mayener Oberbürgermeister strahlen ließ: „Eine prima Spielzeit mit prima Stücken“ freute sich Günter Laux und bilanzierte 31 500 Besucher - das beste Ergebnis der letzten sieben Jahre. Gespielt wurden „Der Hauptmann von Köpenick“, das zeithistorisch Singstück „Comedian Harmonists“ sowie für Kinder  „Der Zauberer von Oz“.

Was ist das für einer, dieser Peter Nüesch, der nach Pavel Fiebers nur dreijähriger Interims-Intendanz die Leitung des größten Freilicht-Theaterfestivals im nördlichen Rheinland-Pfalz übernommen hat. Wir trafen den einstigen Eidgenossen und heutigen Mayener Neubürger im „Künstlerischen  Betriebsbüro“, das in einem historischen Häuschen am Fuße der Genovevaburg untergebracht ist. Und konfrontierten ihn gleich mit einem Problem, das die hiesigen Theaterkritiker seit der Pensionierung des langjährigen Burgfestspielintendanten Jochen Heyse im Jahre 2003 umtreibt.

Heyse hatte die Burgfestspiele zum einzigen Sommerfestival im Umkreis von gut 200 Kilometern entwickelt, das mit eigenem Saisonensemble ganz dem anspruchsvollen Sprechtheater verpflichtet war. 16 Jahre lang hatte es unter ihm fürs Abendprogramm Repertoirestücke aus dem klassischen Theater oder aus der klassischen Moderne gegeben,  jeweils eine Komödie und eine Tragödie. Dieses regionale Alleinstellungsmerkmal der Mayener Festspiele gab schon Pavel Fieber auf. Und auch Nüesch bleibt mit seiner Mischung aus Schauspiel und Musiktheater bei der Abkehr von Heyses reinem Sprechtheater-Festival. Warum?

Der neue Intendanten vertritt seine Linie selbstbewusst: „Sowieso klar ist, dass man bei solch einem Sommer-Event dem Publikum nicht mit modernem Experimentier-Theater kommen darf. Und im Prinzip gilt das auch für die klassischen Tragödien. Selbst wenn es mir als Künstler anders lieber wäre, so muss ich als Intendant doch eine sichere Bank spielen.“ Heutzutage würden die Leute kaum mehr von weit her anfahren, um sich an einem lauen Sommerabend mit den ernstesten Stoffen auseinanderzusetzen. Das kann man auch anders sehen, aber Nüesch ist davon überzeugt und setzt deshalb für Mayen bewusst auf leichtere Stücke und zudem die musikalische Komponente.

Was indes keineswegs heißt, so der Intendant entschieden, dass in Mayen fortan bloß billige  Amüsierkost serviert werde. Er verweist auf den „Hauptmann von Köpenick“ und auf die „Comedian Harmonists“, beides niveauvolle Werke mit Nachdenklichkeit motivierendem Sinn und Hintersinn. Was ebenso für die Stücke der aktuellen Spielzeit gelte und im kommenden Jahr etwa mit dem Musical „Cabaret“ fortgesetzt werde. Leicht, populär, attraktiv und unterhaltend soll das Programm sein, zugleich aber auch intelligent und durchaus anspruchsvoll. Was für Nüesch etwa im Hinblick auf die Musical-Auswahl heißt, dass bei ihm Opern-Phantome oder Rollschuh-Soaps nicht auf die Bühne kommen. Und wie steht’s mit richtigen Opern? „Das geht hier schon finanziell nicht. Wir werden uns nie ein Orchester und ein komplettes Opernensemble leisten können.“ Selbst bei der jetzigen Kombination aus Schauspiel und Musical sind Doppeltalente beim Personal mehr als willkommen.

Wer mit Peter Nüesch spricht, gewinnt bald den Eindruck: Der Mann weiß, was er will, ist sich seines Könnens sicher – und hat jede Menge Spaß an dem, was er macht. Auf einem schweizer Bauernhof aufgewachsen, war ihm das Theater zwar nicht in die Wiege gelegt. Doch meint er selbst, es von Kindheit an im Blut gehabt zu haben. Als Bub schon trommelte er die Dorfjugend zusammen, auf dass sie unter seiner Leitung tagelang in Gassen und auf Höfen selbst erfundene Stücke spiele. Schauspieler wolle er werden, teilte der Peter früh den Eltern mit. Der Vater winkte unwirsch ab. Der Sohn wurde erstmal Lehrer, und machte diese Arbeit durchaus mit Freude, erinnert sich Nüesch – dabei mit seinen Schulklassen regelmäßig  große Musicals einstudierend.

Sechs Jahre war er Lehrer, die letzten beiden davon wieder aufs engste mit dem Theater verbandelt. Einerseits trug er in Zürich zu einem Schulmodell für schwer erziehbare Mädchen theaterpädagogische Komponenten bei. Andererseits nahm er parallel privaten Schauspielunterricht, unter anderem bei Ellen Widmann, der damaligen Grande Dame des schweizerischen Theaters. Nüesch lernte das Bühnenhandwerk von der Pieke auf, Singen und Tanzen inklusive. Zum Abschluss der Ausbildung spielte er an Widmanns Seite in Ibsens „Gespenster“. Gleich drauf kam das erste Engagement beim Züricher „Theater 58“; die erste Rolle des jungen Mannes war die eines alten in Claudels „Der Tausch“.

Und weil in der Schweiz jeder Schauspieler bei jedem Einstellungsgespräch gefragt wird, wie lange er denn schon in Deutschland gespielt habe, ging Peter Nüesch alsbald nach Deutschland – wo er dann bis heute geblieben ist. Dort folgen Stationen unter anderem in Marburg, Düsseldorf, Ingolstadt. 1983 wird der Schweizer ans Pfalztheater Kaiserlautern engagiert, wo er vier Jahre lang vor allem im Bereich Operette/Musical spielt und inszeniert. Danach gründet er in Regensburg sein eigenes kleines „Turmtheater“. Sieben Jahre kann und muss er dort nach Gusto walten, übernimmt anschließend die Intendanz des Landkreistheaters an der Rott im bayerischen Eggenfelden. Zehn Jahre bleibt er da, bis es 2007 heißt: ab nach Mayen.

Peter Nüesch gehört einer selten gewordenen Theaterspezies an: Er ist ein Allrounder, oder wie man früher sagte, ein Hansdampf in allen Gassen. Er spielt, führt Regie und ist Intendant. Zu dieser Multifunktionalität steht der bald 60-Jährige, auch wenn in der großen Theaterwelt inzwischen die Spezialisierung nach Sparten und Aufgaben Standard geworden ist. Nüesch bedauert Kollegen, die auf ein Fach oder eine Funktion festgelegt sind. Auf fünf Jahre ist sein Mayener Vertrag fürs erste abgeschlossen. Im jetzigen zweiten Jahr hat er sich ein ganz schönes Päckchen aufgeladen: Er führt bei allen drei Hauptproduktionen selbst Regie, und mitspielen tut er auch noch. „Volldampf!“ war stets das Prinzip von Peter Nüesch, darüber sollte man sich durch die Gemütlichkeit des noch immer unüberhörbaren schweizerischen Zungenschlags nicht hinwegtäuschen lassen.  Andreas Pecht

Infos: www.mayenzeit.de


(Erstveröffentlichung 22. Woche im Mai 2008)


Peter Nüesch, Intendant Burgfestspiele Mayen, Portät
 
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