Kritiken Theater
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2008-05-01 Schauspielkritik  
Krieg und Frieden im Wohnzimmer

Yasmina Rezas Theater-Hit „Der Gott des Gemetzels“
in Bonn trefflich gespielt

 
ape. Bonn. Langer Premierenbeifall in der Halle Beuel des Theaters Bonn für Jennifer Whighams Inszenierung von „Der Gott des Gemetzels“. Seit der Züricher Uraufführung 2006 von mehr als 60 Theater übernommen, ist Yasmina Rezas kleiner Einakter das derzeit meistgespielte Gegenwartsstück. In der Umgebung steht es aktuell auch in Köln und Wiesbaden auf dem Spielplan.
 
Vorgeführt wird die Begegnung zweier Ehepaare, deren Buben aneinander geraten sind. Dabei hat der Sohn der Reilles dem der Houillés zwei Zähne ausgeschlagen. Nun sitzen die Eltern im Houille’schen Wohnzimmer bei Kaffee und Kuchen, nachher bei reichlich Schnaps zusammen, um den Konflikt auf zivilisierte Weise beizulegen. Man redet, lächelt sich in Bonn über die weite Distanz zu, die im Bühnenbild von Gesine Kuhn ein ungeheurer Couchtisch von der Größe dreier Tischtennisplatten schafft.

Die Vier einigen sich zu Beginn auf eine Sprachregelung für den Hergang bei der Rauferei ihrer Söhne. Damit hätte man in Frieden scheiden können, plaudert dann aber noch über dies und das, kommt einander näher, redet sich mit Vornamen an. Ein Wort ergibt das andere, bis sich kleine Sticheleien zu heftigen Kontroversen aufschaukeln. Zivilisiertheit perdu -  „Der Gott des Gemetzels“ übernimmt die Herrschaft im Wohnzimmer, mal Paar gegen Paar, mal Männer gegen Frauen, mal diagonal zu den Ehebünden das Personal zur Generalabrechnung aufeinander hetzend.  

In diesem Quartett mimt Birte Schrein als Veronique Houillé die Gutmenschin, die einerseits auf der Opferrolle ihres Sohnes beharrt, andererseits mit pädagogischem Sendungsbewusstein jedermann ungefragt ins Gewissen redet. Günter Alt gibt deren Gatten erst als gemütlichen, nachher entnervt explodierenden Zeitgenossen. Bei den Reilles spielt Susanne Bredehöft eine weinerlich-verbrauchte Bürgersgattin, die buchstäblich das Kotzen kriegt, weil ihr Alain (Stefan Preiss als zynischer Geschäftsmann) inmitten der Aussprache ständig per Handy versucht, die Vertuschung eines Pharmaskandals zu managen.

Da wird reihum trefflich gespielt, werden Zwischentöne wie Eruptionen zu einem Stück aus dem ganz normalen Tollhaus verwoben. Die Bonner Inszenierung hat einen etwas eigensinnigen Rhythmus: Anders als etwa in Wiesbaden entwickelt sie keine kontinuierlich fortschreitende Eskalation, sondern einen auf- und abschwellenden Bocksgesang: Die Schlacht scheint mehrfach beendet, bricht unerwartet doch wieder aus.

Damit verschenkt die Regie zwar Möglichkeiten atmosphärischen Furors, gewinnt indes  Spielräume für ein anderes dem Stück innewohnendes Phänomen: einen bewusst boshaften Schwebezustand zwischen ernster Psychotragödie und schier boulevardesker Persiflage derselben. Sehenswert. Andreas Pecht

I
nfo: www.theater-bonn.de

(Erstabdruck 3. Mai 2008)

Theater Bonn, Kritik, Yasmina Reza "Der Gott des Gemetzels", Regie: Jennifer Whigham
 
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