Kritiken Theater
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2008-04-14 Schauspielkritik:  
"Clavigo" verloren zwischen
Zeiten und Stilen


Pechsträhne in Bonn: Goethe-Klassiker
geht völlig daneben

 
ape. Bonn. Schwarz-weiße Eindeutigkeiten sind nicht Sache der Kunst. Denn nie ist gut nur gut, böse nur böse, stimmen Schein und Sein überein. Folgerichtig sind Fragen danach, was der Regisseur meint oder meinen könnte, Normalität am Theater. Mehr noch: Decodierung gehört zu den  reizvollsten Herausforderungen der Kunst. Sofern es etwas zu decodieren gibt – was sich hinsichtlich der jetzigen Inszenierung von Goethes „Clavigo“ in den Godesberger Kammerspielen der Bühnen Bonn nicht mit Gewissheit sagen lässt.

Irgendwie passt hier gar nichts zusammen. Constanze Kümmels Bühne hat ein Vorne, ein Hinten und ein Oben. Vorne das Foyer eines Kinos oder Varietees etwa anno 1970. Hinten schmuddeliger Backstage-Bereich, allerdings mit geschwungener Showtreppe hinan. Die führt dorthin, wo der an Krücken gehende Carlos zwei heutige Helferinnen scheucht und vom Sofa aus seinem wankelmütigen Schützling Clavigo der Karriere hinderliche Liebesflausen austreibt.

Aus dem Off donnern bisweilen Regieanweisungen in die Szenerie. Soll wohl heißen: Alles nur Show, Reality-Show. Das hatten wir eben erst in Mainz bei „Ein Mond für die Beladenen“, allerdings besser, weil prima gespielt und nach einer Weile auch als durchdachtes Unterfangen decodierbar. In Bonn hingegen spielen die Mimen im Körperausdruck steifes Provinztheater der Gegenwart – positive Ausnahme Volker Muthmann als Carlos –, bemühen sprachlich indes durchweg historische Goethe-Deklamatorik.

Mag sein, hier soll der gekünstelte Dichter-Ton als „Frühform des Kitsches“ vorgestellt werden, wie ein Kritikerkollege äußerte. Wenn dem so ist, dann gäbe es zwar eine Idee hinter dem Ganzen, deren Umsetzung allerdings stinklangweilig ausfällt. Auf eineinhalb Stunden vordergründiges Schwärmen, Ränkeschmieden, Erbarmen, Verzweifeln folgt ein 15-minütiger, nun wirklich kitschiger Showdown.

Die von Clavigo (Arne Lenk) doppelt verratene Marie (Philine Bührer) stirbt vor dem Strandprospekt einer sich plötzlich öffnenden Brettlbühne beiläufigen Tragödinnentod. Ihr Bruder Beaumarchais klatscht Clavigo so lange gegen die Wand, bis er hin ist. Nachher versammeln sich alle um die im Nebelwaber aufgebahrte Marie. Da fehlt zum billigen Grusel-Varietee  nicht mehr viel. Das könnte so gewollt sein. Aber was soll es? Der Betrachter ärgert sich über vertane Chancen, mittels „Clavigo“ die Doppelgesichtigkeit einer ebenso hartherzigen wie gefühlsduseligen Ökonomisten-Generation auszuleuchten.

Anzumerken ist, dass auf dieser Produktion eine Pechsträhne lastet. Regisseur Peter Carp fiel während der Proben wegen familiären Unglücks aus. Es heißt, Ersatz Stefan Otteni habe sich mit Carps Regiekonzept nicht anfreunden können, weshalb auch der ursprüngliche Beaumarchais-Darsteller im Zwist geschieden sei und kurzfristig ersetzt werden musste. Da hätte Intendant Klaus Weise den „Clavigo“ wohl besser ganz ausfallen lassen.                                                                                                    Andreas Pecht

Info: www.theater-bonn.de

(Erstabdruck am 15. April 2008)

Bühnen Bonn, Kritik, Goethes "Clavigo"
 
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