Thema Politik
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2008-03-11 Kommentar: 
Freie Fahrt für freie Bürger

Zum BVG-Urteil gegen Nummernschild-Scanning
in Hessen und Schleswig-Holstein



ape.
Wolfgang Schäuble hatte einen Traum: Jedes auf Deutschlands Autobahnen verkehrende Fahrzeug jederzeit lokalisieren und mit den Datenbeständen der Behörden abgleichen zu können. Ausgeträumt. Das Bundesverfassungsgericht hat gestern mit seinem Urteil gegen die automatische Erfassung von Autokennzeichen per Video in Hessen und Schleswig-Holstein einem anderen Rechtsverständnis Vorrang eingeräumt: Dem Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“. Damit bekommt der alte Spruch „freie Fahrt für freie Bürger“ eine ganz neue Qualität: Ich kann auch künftig mit dem Auto fahren, wohin ich will, und es geht es keinen was an – schon gar nicht die Polizei und den Geheimdienst.

Das muss die Regel sein in einem freien Land, sollte man meinen. Ausnahmen dürfe es nur in  Ausnahmemomenten bei konkreter Gefährdung von Leib, Leben und Gemeinwohl geben. So sieht es das höchste Gericht und schiebt einem sicherheitspolitischen Trend den Riegel vor, der die Ausnahme zum Normalzustand machen wollte. Acht Bundesländer haben sich Gesetze geschaffen, auf deren Grundlage ihre Polizeien mit Hilfe von Videotechnik im fließenden Verkehr jedes Auto durchs Fahndungsraster jagen können. Alle Tage, an jeder x-beliebigen Straße, ohne Sicherheitsalarm, ohne konkreten Verdacht, nicht stichprobenartig, sondern total. Das verstößt gegen die Verfassung.

Einige Bundesländer praktizieren das Nummernschild-Scanning schon eine Weile millionenfach; auch Rheinland-Pfalz hat seit 2004 ein entsprechendes Gesetz, es laut Innenminister Bruch bloß noch nicht angewendet. Gut so. Am besten, die Landesregierung stampft das Gesetz jetzt vollends ein. Zumindest aber muss sie es kräftig nacharbeiten – auf dass es eine Maßnahme für den Ausnahmefall klar regelt und nicht die vom Verfassungsgericht gerügten Grundrechtseingriffe „ins Blaue hinein“ legitimiert.

Selbstredend, Sicherheit ist ein hohes Gut. Und wenn Politiker sich um die Sicherheit im Land sorgen, ist das pflichtgemäß wie ehrenwert. Allerdings schüttet man das Kind mit dem Bade aus, wenn die Rechtsgrundsätze der Republik, auf denen die Freiheit der Bürger beruht, erst aufgeweicht, dann auf den Kopf gestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht musste in jüngerer Zeit diesbezüglich die Sicherheitspolitiker mehrfach ins Gebet nehmen, zuletzt vor zwei Wochen in Sachen Ausspähen von Computerfestplatten. Ein bisschen bedenklich ist es schon, wenn immer öfter die Karlsruher Richter in Erinnerung bringen müssen, welchen Wert in Deutschland Bürgerrechte haben.
                                                           
 Andreas Pecht

(Erstabdruck am 12. März 2008)

BVG-Urteil zum Nummerschild-Scanning, Kommentar
 
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