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2008-02-28 Porträt:
Tüchtige Theaternarren an der Lahn-Mündung

Seit 10 Jahre Städtische Bühne Lahnstein im Nassau-Sporkenburger Hof: Boulevard vor vollem Haus
 
ape. Wäre dieses Theater nicht zehn Jahre jung, sondern so alt wie der Kern des Gebäudes, in dem es untergebracht ist: Die Stadt an der Lahn-Mündung könnte vermutlich die älteste nach-römische Bühne Deutschlands ihr Eigen nennen. Denn die „Städtische Bühne Lahnstein“ domiziliert im Nassau-Sporkenburger Hof, und der gründet im 14. Jahrhundert. Spätgotisch im Stil, von einem achteckigen Treppenturm überragt, diente das Haus über die Jahrhunderte allerlei Zwecken, etwa weltlichen Grafen und klerikalen Herrschaften als Wohnsitz, bisweilen auch munteren Gesellschaften als Fest- und Ballhaus.

Von den Nachgeborenen aus den Augen verloren, vom Zahn der Zeiten zernagt, schlug dem Gemäuer im späten 20. Jahrhundert die Schicksalsstunde: Abreißen oder einen Neuanfang wagen? Die Stadt Lahnstein entschied sich für Letzteres – stand damit, wie so viele andere Gemeinden auch, vor der Frage: Was tun mit dem Oldtimer nach der Generalsanierung? Und wie andernorts ebenfalls, lautete die probate Antwort: Einer kulturellen Nutzung zuführen. Nach gut fünfjähriger Renovierungs- und Bauzeit wurde der Naussau-Sporkenburger Hof  1997 als „Kultur- und Schauspielhaus“ der Stadt Lahnstein wieder eröffnet. Die Idee war: Bündelung der örtlichen Kultur in einem Haus mit den Schwerpunkten Theater, Literatur, Musik und Bildende Kunst. Eineinhalb Jahre später, im November 1998, wurde daraus die Städtische Bühne Lahnstein. Dabei ist es bis heute geblieben. Folglich darf das Theater heuer zehnjähriges Jubiläum feiern.

Die wechselhafte Geschichte ist dem Gebäude nicht anzusehen. Mit blendend weißen Fassaden, herausgeputztem Teilfachwerk und einem modernen Anbau, der die Formensprache des Altteils aufgreift, macht es einen schmucken und ästhetisch stimmigen Eindruck: Historie und Gegenwart architektonisch miteinander versöhnend und mit einer gläsernen Brücke auch sinnfällig verbindend. Die steinerne Wendeltreppe im alten Turm hinauf, treffen wir oben in einem heutigen Büro Ulrike Krapp, als Kulturbeauftragte der Stadt verantwortlich dafür, dass der Laden funktioniert. Das passt, den „die Krapp“ ist unschwer als eine vom Virus der Theaterkunst infizierte Frau zu erkennen. Seit Schülertagen im Bereich Kinder- und Jugendtheater aktiv, schlüpft sie immer wieder auch selbst in Bühnenrollen.

Ihr zur Seite steht gewöhnlich Friedhelm Hahn, künstlerischer Leiter des Hauses, Haus-Regisseur, Stückeschreiber und Dramaturg. 2008 legt der Lehrer allerdings ein Ruhejahr ein, reduziert seine Arbeit auf die Kreation eines Revue-Stückes mit dem Titel „Schuld ist nur der Bossa Nova“. Das soll im Sommer open-air bei den Burgspielen auf Burg Lahneck neben Peter Turrinis Komödie „Der tollste Tag“ zur Aufführung kommen. Die schon seit vielen Jahrzehnten existierenden sommerlichen Burgspiele gingen 2006 in die Verantwortung der Städtischen Bühne über, stockten deren Zuschauerbilanz von inzwischen 14 000 Besuchern pro Saison im Haus um weitere 4000 open-air auf.

Ulrike Krapp spricht von einer 100-Prozent-Auslastung der sieben bis zehn Eigenproduktionen je Saison. 150 Aufführungen pro Jahr, fast alle ausverkauft. Das ist erfreulich für das Theater, die Stadt und das kulturelle Leben dort. Und es ist nötig, allein schon der Finanzierung der Institution wegen. Zwar wird das Gebäude von der Stadt unterhalten, der künstlerische Betrieb jedoch muss sich selbst tragen. Was der Experimentierfreude im Programm und auf der Bühne deutliche Grenzen setzt. Damit unterscheidet sich die Bühne Lahnstein in ihrer Konzeption grundsätzlich von vollsubventionierten und deshalb umfassend dem öffentlichen Kunstauftrag verpflichteten Häusern wie Staatstheater Mainz oder Stadttheater Koblenz.„Wir mussten einen Mittelweg finden, unsere Möglichkeiten ausloten.“ Also wurde in der Anfangsphase getestet, was geht und was nicht. Yasmina Rezas hintergründiges Stück „Kunst“ ging 1998 nicht: Die Vorstellungen im 99-Plätze-Theater des Nassau-Sporkenburger Hofes waren nur mäßig besucht, am Ende wurden für die Produktion insgesamt bloß 150 Zuseher bilanziert. Zum Überleben zu wenig.

Je weiter zurück man in die vergangenen zehn Jahre greift, umso höher der Anteil von eingekauften Gastspielen. Anfangs waren diese gegenüber den Eigenproduktionen deutlich in der Überzahl. Das Verhältnis hat sich mittlerweile umgekehrt. Zuletzt waren im Februar Bernd Lafrenz mit seinem komischen „Othello“ an drei Abenden und das Hohenloher Figurentheater mit Goldonis „Diener zweier Herren“ an einem Abend zu Gast. Ab und zu gibt es ein Konzert und im Foyer des Theaters eine Ausstellung (Präsentationen von Marion Durban-Schneider sowie von Editha Pröbstle sind avisiert). Ansonsten gilt das Prinzip der Risikominimierung: Unternehmungen mit unkalkulierbarem Ergebnis werden gemieden. Eine anfangs vorgesehene ambitionierte Reihe mit literarischen Lesungen musste aufgegeben werden, nachdem selbst ein renommierter Autor wie Ulrich Woelk vor fast leerem Saal gelesen hatte.       
   
Wie kriegen wir das Lahnsteiner Publikum in unser Theater? Die Antwort auf diese existenzielle Frage für die Einrichtung hieß: Volkstheater. Dem Gründungsjahr folgte eine Phase der Schwänke und Brettln, bei denen neben Bühnenprofis allerhand Leute vom Ort mitspielten, bis hin zum Oberbürgermeister höchstselbst. Jetzt brummte der Laden und „nach drei Jahren hatten wir ein völlig neues Publikum gewonnen, überwiegend Menschen, die vorher noch nie in einem Theater waren“, erklärt Krapp. Darauf ließ sich aufbauen. Was für diese Bühne hieß: Erweiterung des Programms in Richtung Boulevard-Stücke, „aber nur sehr gute Boulevard-Stücke“ wird beim Gespräch ausdrücklich betont.

Die Rechnung ist aufgegangen: Die Volkstheater-Fans haben sich mit dem Boulevard angefreundet, andere Publikumsschichten, auch aus der weiteren Umgebung, konnten erschlossen werden. Im vergangenen Herbst hatte Stefan Krause die Komödie „Messe-Diener“ inszeniert und das Team um Ulrike Krapp keine Mühe, 22 Vorstellungen bestens zu verkaufen. An diesem 13. März kommt Francis Vebers Komödie „Dinner für Spinner“ in der Inszenierung von Manfred Molitorisz auf die Bühne; davon sind en suite 23 Aufführungen angesetzt. „Dass damit die Nachfrage befriedigen wäre, ist nicht gesagt“, so die Kulturbeauftragte. „Aber wegen der logistischen Bedingungen müssen wir dann eben aufhören, um mit den Vorbereitungen zur nächsten Produktion beginnen zu können.“ Denn die Lahnsteiner Hauptbühne ist zugleich Probebühne, Kulissenlager und –werkstatt.

Um die Weihnachtszeit 2007 stellte Rocco Hauff das musikalische Kindermärchen „Der Lebkuchenmann“ auf die Bühne. Die hier erreichten 40 Vorstellungen mit rund 4000 Besuchern sind beim Theater für die Kleinen keine Seltenheit. Zum regelmäßigen Kindertheater gesellt sich die Reihe „Jugendbühne“, im Mai geht unter Mitwirkung von Lahnsteiner Jugendlichen das Grabbe-Lustspiel „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung!“ an den Start. Die Regie hat Frank Eller übernommen.

Eller gehört wie Krause, Hauff und Molitorisz zu den etwa eineinhalb Dutzend Schauspiel- und Regieprofis, die immer wieder für die Lahnsteiner Bühne arbeiten. Ein Kreis, den Ulrike Krapp „unser Ensemble“ nennt, obwohl es sich bei seinen Mitgliedern um freie Theaterschaffende handelt. Ein eigenes Bühnen-Ensemble hat das kleine Haus natürlich nicht. Und die gesamte Logistik bestreiten eine handvoll Leute, von denen alle alles machen, ob Hausmeister, Zivi, Praktikantin,  künstlerischer Leiter oder die Kulturbeauftragte selbst. Theaternarren eben – denen zwischen all der vergnüglichen Bühnenkunst gelegentlich doch das Sehnen nach mal wieder einem ernsten Stück ins Gesicht geschrieben steht.                                                 Andreas Pecht     

Infos/Kontakt: www.naussau-sporkenburger-hof.de

(Erstabdruck 9. Woche im Februar 2008)

Städtische Bühne Lahnstein, Porträt zum 10. Geburtstag 
 
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