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2008-02-22 Romankritik:
Nathan Zuckerman geht
der Welt verloren


"Exit Ghost", der neue Roman von Philip Roth, wirkt etwas zerstreut, ist aber unbedingt lesenswert
 
ape. Nicht wenige der auch hierzulande überaus zahlreichen   Verehrer des amerikanischen Schriftstellers Philip Roth werden mit dessen neuem Roman „Exit Ghost“ nicht srecht glücklich sein. Das Werk packt eine Fülle von Themen in ganz unterschiedlichen Formen zusammen. Romanhandlung, Brief, Theaterszenen, theoretische Reflexion, Satire – verglichen mit „Der menschliche Makel“ oder zuletzt „Jedermann“ wirkt . die Collage unfertig, zerstreut. Und doch mag man „Exit Ghost“ nicht missen. Denn dies Buch spricht wahr, selbst wenn es bisweilen in Alters-Lamentationen oder sehr bemühte Geilheiten rutscht.
 
Der bald (am 13. März) 75-jährige Roth setzt sein bekanntes Alter ego, den Autor Nathan Zuckerman, einmal mehr den Lockungen einer gescheiten, begehrenswerten, jungen Frau aus. Nur dass Zuckerman inzwischen den erotischen Obsessionen seiner literarischen Existenz als geistvoller Antispießer entsagen musste: Er ist in "Exit Ghost" 71, infolge einer Prostata-Operation impotent und inkontinent. Was will Roth da noch mit der alten Leier alternder Schriftsteller vom alten Mann und der vollsaftigen Jungmuse?

Er will, dass Nathan sich quält. Will ihm die Kasteiungen des Wünschens, aber Nicht-Könnens auferlegen. Will ihm die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit aufzwingen. Will sehen, wie sich seine Figur schlägt im Konflikt zwischen selbstbestimmtem Alterssitz auf dem Land und den „Möglichkeiten“ im vitalen New York des Jahres 2004. Dorthin kommt unser Mann nach elfjähriger Abwesenheit; Hoffnung auf ein neues Mittel gegen sein Tröpfeln treibt ihn. Er, der Technikferne, Langsame, Vergessliche, mehr an der Kunst als den Biografien über die Künstler Interessierte: Zwischen den handysüchtigen Schnelllebern New Yorks ein sich lächerlich machender und sich ebenso fühlender Kauz. 

Nathan trifft auf Jamie und auf Amy. Diese eine schöne Endzwanzigerin. Jene eine von Gehirntumoren zerfressene Greisin, Gefährtin seines vor Jahrzehnten verstorbenen literarischen Vorbilds I. E. Lonoff (= erfundene Figur, wohl an Saul Bellow angelehnt). Einst war Amy jung, schön, scharf wie Jamie jetzt. Er trifft auf Kliman, einen kraftstrotzenden jungen Schreiberling, vermeintlicher Liebhaber von Jamie. Der will mit einer Skandal-Biografie den vergessenen Lonhoff - und sich selbst mit - in den Literaten-Olymp schießen.

„Alte Männer hassen junge Männer“, weiß Nathan. Und er hasst Kliman, aus Angst um Werk und Integrität Lonhoffs, aus Eifersucht wegen Jamie - und weil der Kerl ist, wie er selbst mal war. Die Spritzen des Urologen wirken nicht: Der Alte zieht gewindelt gegen den Jungen ins Feld, und er fantasiert schlüpfrige Dialoge mit Jamie aufs Papier. Deren reale Vorbilder in der Romanhandlung drehen sich indes bloß um Furcht. Um die Furcht der New Yorker vor Anschlägen wie denen vom 11. September 2001. Um ihre noch größere Furcht, die rechten US-Fundamentalisten könnten Amerika vollends unter die Fuchtel kriegen. Schließlich um das, fürs liberale Amerika stellvertretende,  blanke Entsetzen Jamies über die Wiederwahl von George W. Bush.

Literatur, Sex, Politik – Roth hat seine zentralen Themen nochmals gebündelt. Hat das Bündel Zuckerman mit Aussicht auf einen neuen Frühling aufgehalst. Und der Narr geht den Pakt ein, wissend, es ist nur ein Wahn. Wissend auch, dass er besser im einsamen Häuschen mit der Literatur allein - zwar nicht glücklich, aber doch in tröstender Gelassenheit - seine Tage verbrächte. Der Wahn kann nur zu einem Schluss führen: „Exit Ghost“, der Geist tritt ab. So  die Regieanweisung im „Hamlet“, mit der Shakespeare den Besuch des schon toten Ex-Königs im Diesseits beendet.                                                                                                  Andreas Pecht

Philip Roth: „Exit Ghost“, Hanser, 297 Seiten, 19,90 Euro.

(Erstabdruck der Kritik am 29. Februar 2008)
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Besprechungen weiterer Bücher von Philip Roth:

2006-08-28 Romankritik:
Philip Roth' "Jedermann"  - ein trauriges Meisterwerk


2003-02-27 Romankritik:
"Das sterbende Tier" von Philip Roth


2002-04-25 Romankritik:
Philip Roth' "Der menschliche Makel"

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Rezension, Philip Roth "Exit Ghost"
 
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