Kritiken Theater
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2008-02-10 Theaterkritik:  
Verspäteter Narrhallamarsch für Meister Molière

Annegret Ritzel serviert am Stadttheater Koblenz „Der Geizige“ als fett in Lokalkolorit ausgebackene Volksbrettl-Posse

 
ape. Koblenz. Ja, dürfen die denn das? Darf ein Theater, in diesem Fall das Koblenzer, aus Molières Komödie „Der Geizige“ eine hemmungslos kalauernde, fett in Lokalkolorit ausgebackene Volksposse machen? Es darf. Ob es gescheit ist, steht dahin. Jedenfalls schließt die Freiheit der Kunst das Recht des Künstlers ein, sich zum Narren zu machen sowie das Publikum zum Narren zu halten. Und: Annegret Ritzels Zurichtung (Übersetzung und Regie) des 340 Jahre alten Klassikers über einen Familienvorstand, der aus Geldgier Sohn, Tochter und Bedienstete mit krankhafter Knausrigkeit malträtiert, ist nicht mal völlig aus der Luft gegriffen. Schließlich hat Meister Molière mit dem Stück eine Mischung aus Charakterkomödie, Commedia dell’arte und Farce vorgelegt.

Muss man also den 110-minütigen Abend in Koblenz kunstkritisch ernst nehmen? Muss man nicht, kann man gar nicht – weil offenkundig die Macher selbst mehr auf krachlederne Narretei denn geistvoll-süffisantes Komödienspiel aus sind. Die Frauenrollen von dick auftragenden Männern gespielt. Zwei Figuren mit stadtbekannt humorigen, schauspielerisch dilettierenden Koblenzer Stadträten besetzt (Manfred Gniffke, Paul Henchel). Das Ensemble ferner um den örtlichen Mundart-Komödianten Dirk Zimmer aufgestockt.

Die einheimischen Akteure „schwaaden“ Rhein-Mosel-Dialekt, dass die Schwarte knackt. Die übrigen Protagonisten parlieren bisweilen in  kölschen, berlinischen und anderwärtigen Zungen – über Liebesnot und die liebe Not mit dem Geld, das der ortsübliche Geiz „diesem Haus“ wie dem Kampf gegen den Taubendreck auf dem Zentralplatz vorenthält.

Wie gesprochen, so gespielt: In derangierten Rokoko-Kostümen, unter zerzausten Perücken allweil den Lachknaller suchend. Die schöne Mariane wird bei Bernd Rieser zur stockfischigen Jungfer, Markus Scherers Elise zum verkrumpelten Travestiegirl, Dirk Diekmanns Kupplerin zur Tunte mit Pferdegebiss. Olaf Schaeffers geiziger Harpagon tobt die meiste Zeit am Rande des Nervenzusammenbruchs herum.

Das alles ist so gewollt und auch von einigem Amüsierwert: Lacher gab es bei der Premiere ordentlich, Beifall ebenso. Mit Kunst hat der Abend allerdings wenig zu tun und mit Molière auch nichts mehr. Weshalb wir geneigt sind, die ganze Unternehmung der Kategorie „Fastnachtsposse“ zuzuordnen, wie es sie seit langem etwa als Gastveranstaltung am Staatstheater Mainz gibt. Es wäre vielleicht eine Idee, solcherart Tradition in Koblenz zu begründen.

Dann sollte allerdings die in Mainz oder auch in anderen Karnevalshochburgen gepflegte Praxis zu Rate gezogen werden. Dort spielt man die Fastnachtsposse logischerweise in den Sessions-Wochen vor dem Aschermittwoch. Auch werden dafür eigene Klamaukstücke geschrieben und keine Klassiker durch die Hanswurstmaschine gedreht.

Aber womöglich verstehen wir den Koblenzer „Geizigen“ derart ganz falsch. Vielleicht ist dieses lachhafte Bühnenereignis bitterernst gemeint. Als gallig-knallige Persiflage auf die hierorts bescheidene Finanzausstattung des Theaters. Und zugleich als klassische Publikumsbeschimpfung nach der Devise: Spiele nur recht deftige Volks-Brettln, schon treiben die Hiesigen die Auslastung des Stadttheaters in schwindelnde Höhen. Man wird sehen.                                                                             Andreas Pecht

(Erstabdruck am 11. Februar 2008)  

Theater Koblenz, Der Geizige, Regie Annegret Ritzel
 
 
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