Kolumne »Guten Tag allerseits«
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Sie finden hier die gesammelten Intro-Texte aus der Startseite von www.pecht.info im Monat Dezember 2007 (beginnend beim ältesten Text, abwärts zu den jüngeren fortschreitend)
2007-12-02:
Guten Tag allerseits,
von Botho Strauss ist in diesem Herbst ein Büchlein erschienen, "Die Unbeholfenen" - noch seltsamer als manches zuvor. Über weite Strecken ergeht sich diese "Bewusstseinsnovelle" in philosophierender Rabulistik, die auch mit gesteigerter Leseaufmerksamkeit kaum verstehend durchdringbar ist. Dennoch: Wenn du während der Lektüre jeden Gedanken  unterstreichst, der wichtig oder irgendwie bedeutsam erscheint, hast du am Ende bald ein Drittel des Textes markiert.

Das Markierte rekapitulierend, fällt auf: Herr Strauss hat ein Pamphlet geschrieben, eine Streitschrift, die zu diversen Themen des Gegewartsdiskurses Stellung nimmt, zu  Klimawandel, Internet, Neurowissenschaften, Islam-Renaissance sowie demgegenüber einem fatalen Mangel an Glaubenseifer in der Christenwelt -  wie er es sieht, wenn ich ihn recht deute. Was bei diesem Buch stets fragwürdig bleibt, weil es zwar eine kristallklare Sprache pflegt, die indes das Angesprochene und Gemeinte leider nur selten richtig klar werden lässt. Immerhin bleiben beim ratenden, frei interpretierenden Stochern in den Straussschen Vagheiten ein paar treffliche Sätze hängen, von denen einige wenige zwecks Nachgrübelns in die ersten (trüben) Dezembertage werfen möchte.

"Das reflektierende Subjekt gehört wie ehedem das sakrale nun schon zum Altertum des Menschengeschlechts."

Begründung dafür findet sich in mancherlei Bruchstücken und Andeutungen. Angeführt sei jenes über das Romantische, das einigermaßen begreiflich auftritt - übrigens sehr hübsch mit Gedanken in Rüdiger Safranskis "Romantik" konveniert:

"Romantisch nenne ich alles, was lebt, um sich zu sehnen. (...) alles, was unvollendet bleibt, halb gelesen, halb entschlüsselt, halb erkannt. Und einen unstillbaren Antrieb zurücklässt. Ander ergeht es den Menschen der erleichterten Welt (das meint unser Heute, ape). Sie leben ausschließlich mit dem, was ist, was da ist, zuhanden. Wahrscheinlich sind die Heutigen überhaupt die größten Zuhandenheitsartisten der Weltgeschichte. Nie zuvor hat der Mensch soviel Tüchtigkeit besessen, niemals solche Funktionslust verspürt, alles klappt. Nie war er von soviel Perfektem umgeben und einzig an Perfektion interessiert."            

Wünsche Erhellung und Anregung bei der Lektüre nebenstehender neuer Artikel

Andreas Pecht
 
2007-12-11:
Guten Tag allerseits,

„Er geht um“ - sagt der Volksmund. Er kann auch eine Sie sein oder ein Es. Wer? Pferdefuß, Schwarzer Tod, Cholera, Zauberweib oder das Unbestimmbare, das Menschen reihenweise niederwirft. Umgehen = auf unkontrollierbare Weise über die Pfade des Alltäglichen wandelnd, sich auf geheimnisvolle und kaum zu unterbindende Weise einschleichend und verbreitend. „Magen-Darm geht um“ heißt es dann heute, oder „die Grippe geht um“.  Und wie anno dazumal stehst du machtlos vis-a-vis. Da musst du noch immer durch, moderne Mittelchen hin oder her. Erst wenn die Folgen bedrohlich werden, gibt´s Hilfe, die es früher nicht gab. Ansonsten gilt bis in unsere Tage: Drei Tage kommt sie, drei Tage steht sie, drei geht sie – mindestens – die Erkältung. Man übe sich also in Geduld.     

2007-12-13:
Guten Tag allerseits,

Presseumschau am heutigen Donnerstagmorgen: Man möchte sich gleich wieder ins Bett legen und die Decke über den Kopf ziehen. 

- Morgan Stanley prognostiziert für die USA eine unmittelbar bevorstehende Rezession, die auch Europa und Asien in Mitleidenschaft ziehen wird.

- Die Notenbanken pumpen erneut Milliarden in den Markt. Die Börsen juckt das kaum, weil sich dadurch am Wesen der Hypothekenkrise nichts ändert.

- Der UN-Klimachef ist tief besorgt, dass bei der Bali-Konferenz nichts Brauchbares herauskommt. Die Großen, vornweg die USA, mauern.

- Passend dazu ein neuer Forschungsbericht mit dem Ergebnis: Das antarktische Eis schmilzt viel schneller als bislang befürchtet.

- Bush setzt Polen und Tschechien unter Druck, auf dass sie seinem Raketenabwehrschild endlich zustimmen.

- Japanische Wissenschaftler züchten genveränderte Mäuse, die vor Katzen keine Angst mehr haben (da kommen Generäle ins Träumen).

Einziger Lichtblick an diesem Morgen: Thomas Assheuers Aufmacher auf der Titelseite der neuen "Zeit". Unter der Überschrift "Von Schafen und Wölfen - Manager-Millionen als Warnsignal: Die neue Ungleichheit zerfrisst die Gesellschaft" bringt er das Thema brillant auf den Punkt. Danach folgen die Manager nur "einer Logik,  die der global entriegelte Kapitalismus (schöner Begriff, ape) ihnen vorgibt: Sie tun auf den Weltmärkten, was sie dürfen, und sie nehmen, was sie bekommen". Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer und das Gründungsversprechen der Bundesrepublik geht über den Jordan: Dies sei ein Land, in dem alle am erwirtschafteten Wohlstand teilhaben, in dem die Vorteile und Lasten für alle gerecht verteilt sind. 

"Schon fürchtet Angela Merkel, der Marktwirtschaft drohe eine Legitimationskrise. Diesmal irrt sie. Diese Krise ist längst da", endet Assheuers unbedingt lesenswerter Artikel.

2007-12-17:
Guten Tag allerseits,
Bali-Konferenz geschafft. Und wer sich Keinen in die Tasche lügt, der kann ob der Ergebnisse eigentlich nur frustriert sein. "Nach großen Worten die noch größere Ernüchterung" hätte ich den Kommentar überschrieben, den zu schreiben es an Gelegenheit mangelt. Ein allgemeiner Aufbruch zum gemeinsamen Kampf gegen Klimawandel sieht anders aus, kann sich nicht festmachen an einem rüden Gerangel um Erwähnung oder nicht von unkonkreten Zielvorstellungen in einer Fußnote des Schlussdokuments. Frau Merkel bejubelt einen großen Erfolg, Herr Gabriel - der sich dem Vernehmen nach in Bali redlich geschlagen hat - meint, es hätte mehr rauskommen müssen, aber auch schlechter ausgehen können. Derweil die Hütte brennt nur kleine Fortschritte am Rande, auch geht die Diskussion weiter, und - das ist nun wirklich erfreulich - die amerikanische Nichtklimaschutzpolitik steht einsam und verlassen unter globaler Ächtung. Dies "Machbare" ist leider zu wenig angesichts des Nötigen.