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2007-11-27 Porträt/Feature:
Die Kunst, die Stadt und der Galerist

Kunsthalle Koblenz feiert 10-jähriges Bestehen –
Oliver Zimmermanns interdisziplinäre Visionen

 
ape. Koblenz. Mao Tse-tung mit einem Heiligenschein aus Spermien. Mädchen in den manieriert-demonstrativen Posen der Pekingoper, allerdings mit Sportgerät. Eine junge Chinesin im Selbstporträt, unsicher noch in ihrer Nacktheit. Traditionelle chinesische Scherenschnitte etwas verfremdet …  Der Koblenzer Galerist Oliver Zimmermann ist in seinem Element, als er den Besucher durch die Ausstellung mit Werken von acht chinesischen Künstlern führt. Chinas Kunstszene im Umbruch, lebendig, innovativ, nachdenklich. Die Künstler noch immer dem wachsamen Auge von Staat und Partei ausgesetzt, und doch auf eigene, neue Weise  chinesische Vergangenheit reflektierend, zugleich den Einflüssen der globalen Gegenwart nachspürend.
 
Die Chinesen-Schau war die vorletzte Ausstellung im sich neigenden zehnten Jahr seit Gründung von Oliver Zimmermanns Kunsthalle Koblenz. Wenn dieser Artikel erscheint, sind die Arbeiten bereits wieder auf dem Rückweg ins Reich der Mitte. Dann verströmen in der Galerie im Eckhaus Gymnasialstraße/Schanzenpforte schon breitwandige Kompositionen aus natürlichen Pigmenten ihre Farbpoetik. Eine Einzelausstellung mit Werken von Petra Lemmerz beschließt dort das kleine Jubiläumsjahr 2007. Die Vernissage am 30. November ist zugleich die offizielle Geburtstagsfeier der Kunsthalle Koblenz in Form einer „art night“. Einmal mehr stellt die Einrichtung an diesem Abend Korrespondenzen zwischen mehreren Kunstsparten her: Zu Lemmerz’ Bildern gesellen sich Musik und zeitgenössischer Tanz – am Ende kulminierend zur Jubiläumsperformance aus Kunst und Geselligkeit.

Inspirierende Wechselbeziehungen zwischen sich gewöhnlich nicht so nahe stehenden Kulturfeldern herzustellen, das ist ein wesentlicher Teil jener „Vision“, die Galerist Zimmermann von Anfang an trieb, im zehnten Jahr seiner Kunsthalle noch immer treibt. Dazu gehört auch sein 1999 begonnenes China-Engagement, das jetzt nicht nur fernöstliche Gegenwartskunst nach Koblenz brachte. Im Gegenzug präsentierte Zimmermann vier „seiner“ deutschen Künstler bei der Kunstmesse in Peking. Ein spannender Dialog; freilich auch einer, dessen Initiierung und internationale Organisation an den Kräften zehrte.

Eins bewegt das Andere

„2007 war ein überaus produktives, aber ebenso anstrengendes Jahr“, bilanziert der 42-jährige gelernte Friseur, studierte Betriebswirtschaftler, professionelle Kunstliebhaber und Galerist das ausgehende Jubiläumsjahr. Er denkt dabei etwa an die Ausstellung mit den so sparsamen, so stillen und doch so tief ins menschliche Empfinden greifenden Werken des Bopparder Künstlers Aloys Rump. Vor allem denkt er an jene Sonderveranstaltung im Rahmen dieser Schau: Gemälde von Gedichten Paul Celans motiviert, die Verse dazu rezitiert, von diesen wiederum inspiriert eine Auswahl klassischer Musik und eine zum Anlass eigens kreierte und aufgeführte Ballett-Choreographie. Eins bewegt das Andere – mit bisweilen unerwarteten Wirkungen: In diesem Fall druckte die Zeitschrift „Konkret“ einen für die Ausstellung verfassten Text von Rolf Tiedemann ab.

Das interessante Neue in der Kunstszene früh erspüren, es „adäquat, lebendig und am Zahn der Zeit präsentieren“, derart umschreibt Oliver Zimmermann sein Selbstverständnis als Galerist, der jährlich sechs Ausstellungen plus diverse Sonderprojekte allein in Koblenz realisiert. Ein Selbstverständnis, das seine Heimatstadt stets einschließt – als Lebensraum, der der reflexiven, auch der provokativen Kraft der Kunst bedarf: „Weil eine Stadt sich nun mal in erster Linie über ihre Kultur definiert“. Demgemäß versteht Zimmermann die Kunsthalle Koblenz nicht bloß als Galerie, sondern ebenso als Impulsgeber für das sie umgebende urbane Gemeinwesen. Sein Ottmar-Hörl-Kunstprojekt „Weißer Fleck“ vor einigen Jahren war eines, das unmittelbar in den städtischen Raum hineingriff.

Wurde die damalige Aktion – die mit weißen Lampen allerorten Koblenz ironisch als keineswegs weißen Fleck auf der Karte der modernen Kunst beleuchten sollte – von den Bürgern angenommen, begriffen? Der Initiator schwankt: „Zeitgenössische Kunstimpulse haben es in Koblenz schwerer als in großen Zentren wie Frankfurt, Köln oder Düsseldorf .“ Doch, ja, es gebe Zuspruch, sogar eine Menge. Aber das „Aha“ komme oft erst hinterher, wenn die von ihm als noch weithin Unbekannte nach Koblenz gebrachten Künstler später überregional reüssieren. So im Falle von Hörl, der heute Präsident der Akademie der Bildenden Künste zu Nürnberg ist, von Xenia Hausner oder Norbert Tadeusz, die inzwischen zur Creme der europäischen Kunstszene zählen. Etwas anders liegt die Sache  bei der viel beachteten Ausstellung mit Werken von Oda Jaune 2004 in der Kunsthalle Koblenz. Als damals junge Gattin des 2006 verstorbenen Jörg Immendorff war sie eine Berühmtheit. Doch hatte Zimmermann deren eigene Kunst bereits Jahre zuvor entdeckt, da studierte die Bulgarin noch und kannte niemand ihren Namen.

Potenziale der Stadt entfalten

Lust auf die Auseinandersetzung mit junger, ungewöhnlicher, auch irritierender Kunst:  Daran mangele es in Koblenz ein bisschen, meint Zimmermann. Diesen Mangel zu beheben, zumindest zu verkleinern, versteht der Koblenzer zugleich als ständige Herausforderung. Die Kunst und die Stadt: ein ebenso schwieriges wie interessantes Spannungsfeld – in das nach seiner Ansicht mit der Bundesgartenschau (Buga) allerhand Bewegung kommen kann. Zimmermann spricht in diesem Zusammenhang von der Chance, die Potenziale der Stadt besser zu entfalten, Strahlkraft zu entwickeln. Wirkungen, die indes nachhaltig nur sein würden, wenn Kunst und Kultur – auch und gerade die zeitgenössische – dabei eine zentrale Rolle spielen.

Allerdings sieht er ein großes Handicap auf diesem Weg: „Es gibt in Koblenz zwar ein vielfältiges Kulturleben, aber einfach kein übergreifendes modernes Kulturkonzept.“ Zimmermann  verweist darauf, dass die Gesellschaft nach einer Epoche der Spezialisierung nun in eine Zeit der Integration eingetreten sei. „Wie in Wissenschaft und Technik heute jeder weiß, dass interdisziplinäres Arbeiten von überragender Bedeutung ist, so macht es auch in anderen Bereichen keinen Sinn mehr, wenn jede Institution, jede Sparte, jeder Veranstalter nur immer sein eigenes Ding durchzieht.“ Die spartenübergreifenden Acts der Kunsthalle Koblenz sind ebenso ein Ausdruck dieser Einsicht wie das Zugehen des Galeristen auf  die Stadt generell.

Entdeckungsreise durch urbanen Raum

Seit zehn Jahren bringt er regelmäßig auch neue Talente der Düsseldorfer Kunstakademie nach Koblenz. Im Geburtstagsjahr wurde die übliche Gruppenausstellung in der Kunsthalle erweitert um Kunstaktionen in leer stehenden Räumen rund um den Koblenzer Zentralplatz. Davon gibt es so viele, dass die Künstler Zug um Zug eine vollständige Umrundung des Platzes realisieren konnten. Kunst als Entdeckungsreise durch den urbanen Raum, die zugleich den Finger auf die Probleme dieses Raumes legt. Und mittendrin das Herz der Stadt, der Zentralplatz, als offene Wunde, für deren Heilung  noch immer keine vernünftige Therapie existiere. „Es hat kreative Ideen für den Zentralplatz gegeben“ sagt Zimmermann; „jenseits der Bebauung mit einem Geschäftshaus.“ Aber es fehlten Mut und Verständnis, sich auf diese auch künstlerisch ambitionierten Entwürfe einzulassen.

Der jetzt neuerlich aufgekommenen Vorstellung von einem „Zentralpark“ steht er skeptisch gegenüber: „Wegen einer Grünanlage kommt kein Mensch nach Koblenz.“ Aber er sei nicht grundsätzlich dagegen, „sofern man sich Gedanken macht darüber, was um den Zentralplatz mit Kultur geschehen muss.“ Womit wir wieder beim Kerngedanken des visionären Koblenzer Galeristen Oliver Zimmermann wären: Eine Stadt definiert sich über ihre Kultur. „Und wie wir mit der Zentralplatz-Frage umgehen, das ist selbst Ausdruck unserer Kultur.“ Mehrdeutige Aussage eines Mannes, der auch nach dem Zehnjährigen seiner Kunsthalle weiter „für eine moderne Kulturstadt Koblenz kämpfen“ will.                                                                          Andreas Pecht

Infos/Kontakt:  www.kunsthalle-koblenz.de


(Erstabdruck am 29. November 2007)
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