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2007-10-28a Kulturgeschichte:
200 Jahre hohe Musikkultur
am Deutschen Eck

Von Bürgern gegründet, von Bürgern durch die Zeitalter getragen: Musik-Institut Koblenz feiert 2008 Jubiläum

 
ape. Koblenz. Anderthalb Jahrhunderte hindurch war das (Koblenzer) Musik-Institut Träger und Gestalter der großen Chor- und Symphoniekonzerte in unserer Stadt. Den ihm gestellten hohen kulturellen Aufgaben ist es zu allen Zeiten und ungeachtet aller politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen gerecht geworden. Durch seine Tätigkeit hat es den Ruf der Stadt Koblenz als eines musikalischen Kulturzentrum am Mittelrhein begründet und erhalten.

Das schrieb vor 50 Jahren der Justizrat Karl Weber ins Festprogramm zum 150. Geburtstag des Musik-Institutes Koblenz. Seine Aussagen behalten ihre Gültigkeit auch 2008, mit dessen Beginn diese Einrichtung für klassische Musikpflege in ihr 200. Jahr geht. 
 

Am 7. April 1808 hat der Präfekt des französischen Departements Rhein und Mosel, zu dem Koblenz gehörte, die Verwaltungskommission des Musik-Institutes von Amts wegen eingesetzt. Dieser Akt gilt als offizielle Instituts-Gründung So nahm mit dem Wohlwollen von Napoleons Statthalter ein an Wechselfällen reiches Kapitel deutscher Kulturgeschichte seinen Anfang – dessen Ende zwei Jahrhunderte später noch immer nicht absehbar ist.

Musik-Institut Koblenz. Für die in bundesrepublikanischer Zeit Geborenen steht die  Bezeichnung vor allem für jene zehn großen Klassikkonzerte, die alljährlich von Herbst bis Frühsommer quasi das sinfonische Rückgrat des Koblenzer Musiklebens abgeben. Wovon mancher Veranstalter träumt, ist für diese „Anrechtskonzerte“ selbstverständlich: die Rhein-Mosel-Halle regelmäßig gut gefüllt. Denn das Institut ist eine Institution und tief verwurzelt im Kulturleben von Stadt und Region, fest verankert bei den hiesigen Musikfreunden. Viele der zurzeit 900 Abonnenten sind seit Jahren, oft Jahrzehnten dabei – so manche Koblenzer Familie zählt gar seit Generationen zum Besucherstamm.

Das Musik-Institut verfügt nicht nur heute über einen eigenen, rund 80-köpfigen Chor. Es steht zugleich für  große Chor-Tradition am Ort. Schließlich ward es dereinst zu dreierlei Zwecken gegründet. Erstens, um Koblenzer, zumal junge, zu ordentlichen Sängern, Chorsängern vor allem, auszubilden. Zweitens, um hiesige Instrumentalisten zu sammeln, zu binden, zu fördern. Drittens, um mit beiden eine anspruchsvolles Konzertleben auf die Beine zu stellen. Nicht, dass es ein solches vor 1808 nicht gegeben hätte. Unter Kurfürst Clemens Wenzeslaus blühte das höfische Musikleben; seine Koblenzer Hofkapelle war im späten 18. Jahrhundert eines der größten Orchester Deutschlands. Indes: Der Fürst hatte einer königstreuen Exilregierung gegen die Französische Revolution Unterschlupf gewährt. Weshalb unser Clemens gut daran tat, 1794 vor der anrückenden Revolutions-Armee Reißaus zu nehmen. Leider wurde dabei auch das schöne Orchester mitsamt Hofsängern in alle Winde zerstreut.

Selbst ist der Bürger

Da stand’ s schlecht mit der Musik am nunmehr französischen Deutschen Eck. Weil Musik zwar nicht alles ist, aber ohne Musik alles nichts, mag sich Joseph Andreas Anschuez gedacht haben: Selbst ist der Bürger. Und er schritt zur bürgerlichen Eigeninitiative, setzte das Musik-Institut ins Werk. Der Mann, im Hauptberuf Jurist, mischte als Organisator, Gesangslehrer und erster Musikdirektor (= künstlerischer Leiter und Chefdirigent) das örtliche Kulturleben kräftig auf. Eine Gesang-Schule entstand, ein Chor auch. Anschuez sammelte versprengte Hofmusiker um sich,  rekrutierte neue. Konzerte in Kirchen wurden gegeben, Konzertreihen im örtlichen Gymnasium aufgelegt. Alsbald erlangte das Musik-Institut die Anerkennung als „Staatsanstalt“. Von da an gab´s regelmäßige Staatszuschüsse, und um diese auch unter Anschuez Nachfolgern ebenso regelmäßig erheblichen Ärger mit wechselnden Vertretern der weltlichen Macht: Franzosen, Preußen, wieder Franzosen, dann Nazis, danach Amerikaner.  Schlussendlich machte sich das Institut als Stiftung von allen Staatszuwendungen unabhängig.

Das Lebens spiegelt sich in der Historie des Instituts als Folge von Hochs und Tiefs. Anschuez’ Nachfolger etwa, sein Sohn, war ein Ärgernis und wurde vorfristig entlassen. In den 1830ern ging die Klage über vergnügungssüchtiges Volk, das nicht mehr ins  Konzert gehe. Dann wieder jubeln Chronisten über Aufschwünge bei der Qualität mal des Chores, mal des Orchester, mal beider. Eine hohe Zeit war die Direktion von Max Bruch. Die währte nur zwei Jahre (1865 bis 1867), dann entfleuchte der berühmte Musikus, blieb aber der Stadt verbunden: Er dirigierte später gelegentlich als Gast, stiftete dem Musik-Institut gar ein Porträt-Gemälde von sich. Das fand im Künstlerzimmer des Instituts einen Ehrenplatz, wurde allerdings 1944 mitsamt Zimmer und umgebender Koblenzer Festhalle ein Opfer alliierter Bomben.

An Bruchs Leistung knüpften Nachfolger wie Hasenclever, Maszkowski oder  Heubner erfolgreich an. Im späten 19. Jahrhundert erreichte der Instituts-Chor die heute schier unvorstellbare Stärke von 196 Sängern. Dort wurden nicht Volkslieder geträllert, sondern die größten und schwierigsten Werke der klassischen Chorkunst realisiert, jeweils zeitgenössische  Kompositionen inklusive. Wie überhaupt zu unterstreichen ist: Die Konzerte des Musik-Institutes waren nicht bloß lokale Erscheinung, sondern weithin anerkannter Qualitäts-Bestandteil des deutschen Musiklebens. Gastsolisten wie Clara Schumann, Joseph Joachim, Johannes Brahms oder Max Reger bezeugen es.

Vorständler allweil ehrenamtlich

Das 20. Jahrhundert brachte nicht nur Revolution, Diktatur und zwei Weltkriege, während denen das Musik-Institut oft unter schwierigsten Umständen stets einen Konzert-Notbetrieb aufrechterhielt. Es brachte auch das Absterben der Gesang-Schule mit sich, die Übernahme des Musik-Direktors ins städtische Angestelltenverhältnis sowie des Orchester erst als Stadt-, nachher als Landesorchester, die Anerkennung des Instituts als Öffentliche Stiftung. Wandlung zuhauf also, von der indes einige Komponenten unberührt blieben: Das Musik-Institut unterhält einen eigenen Chor, veranstaltet große Konzerte von Rang und wird, wie vom ersten Tage an, von einem Bürgervorstand mitsamt Intendanten ehrenamtlich geleitet.

Letzterer ist seit 1993 Rolf Wegeler, Spross einer Koblenzer Bürgerfamilie, die seit ewigen Zeiten mit dem hiesigen Musikleben verbunden ist. Einer der Vorfahren war Beethovens Busenfreund Franz Gerhard Wegeler. Ein anderer  Julius Wegeler, der einst die astronomische Summe von 100 000 Goldmark spendete, ohne die in Koblenz um 1900 keine konzerttaugliche Festhalle hätte erbaut werden können. Und der noch einmal den gleichen Betrag als Finanzbasis für das Musik-Institut stiftete; verbunden mit der Maßgabe, zu jedem Konzert 100 Schülern freien Eintritt zu gewähren. Dieses Kapital haben Inflation und Krieg leider gefressen, doch das Bemühen um die Jugend erfährt just im Jubiläumsjahr 2008 engagierte Neubelebung.

Was wäre Koblenz ohne das von Bürger Anschuez auf die Beine gestellte und seither von unzähligen selbstlosen Koblenzern durch die Zeiten getragene Musik-Institut? Wie stände es um dieses Gemeinwesen ohne die 200-jährige musikalische Hochkultur am Ort? Kaum konkret greifbar, haben deren Einflüsse auf den Kern der Bürgerschaft doch tiefe Prägungen ins kollektive Kommunalbewusstsein eingegraben, weit bedeutender als das pittoreske Bekennertum a la „was is unser Kowelenz doch so schee“.

Viele gute Gründe zum Feiern. Die Feierlichkeiten zum 200. beginnen mit einem Festakt am 31.Mai und enden mit einem Festkonzert am 7. November 2008. Dazwischen gibt es so allerhand, das demnächst bekannt gemacht wird.
                                                                            Andreas Pecht

Infos: www.musik-institut-koblenz.de   


(Erstabdruck am 29. Oktober 2007)   
 
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