Kritiken Musik
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2007-07-09 Konzertfeature:
Begegnung mit jüngeren Musikstars

Unterwegs im Klassiksommer: Bernd Glemser bei den Mittelrhein Musik Momenten, Martin Stadtfeld und Jan Vogler bei den Moselfestwochen
 
ape. Nicht im Übermaß, aber doch in nennenswerter Zahl bespielen Solostars der klassischen Musikszene  auch die  Festivals in Rheinland-Pfalz. Stark vertreten ist die mittlere und jüngere Generation.  Unterwegs im Klassiksommer begegnete unser Autor jetzt bei den Mittelrhein Musik Momenten dem Pianisten Bernd Glemser in Braubach und dessen Kollegen Martin Stadtfeld in Trier bei den Moselfestwochen.
 
Bernd Glemser ist ein Jung' von der Schwäbischen Alb, Martin Stadtfeld – je nach Lesart – einer aus dem Westerwald oder aus Koblenz. Beide stammen also aus der Provinz, was sie nicht hinderte, ihre Pianistenkarrieren mit bemerkenswerten Rekorden zu beginnen. Der ältere, Glemser (Jahrgang 1962) gewann in den 1980ern 17 Klavierwettbewerbe in Folge und wurde 1989 zum jüngsten Professor Deutschlands berufen.

Stadtfeld (Jahrgang 1980) gewann 2002 den Ersten Preis des Leipziger Bach-Wettbewerbes, der zuvor 13 Jahre nicht mehr vergeben worden war. Im Jahr darauf legte er ein so noch nicht erlebtes CD-Debüt hin: Die Bachschen „Goldberg-Variationen“ des damals national völlig unbekannten Klavierspielers sprangen sofort an die Spitze der Klassikcharts.

Inzwischen befindet sich Stadtfeld auf gutem Wege dorthin, wo Glemser längst daheim ist: in der Spitzengruppe der europäischen Pianisten. So einer verirrt sich  nicht zufällig ins kleine Barbara-Kirchlein von Braubach. Dazu braucht's Beziehungen, wie sie zwischen Bernd Glemser und den Mittelrhein Musik Momenten bestehen. Der Pianist war im Gründungsjahr 2001 Artist-director-in-residence des Festivals.

Ein begnadeter Künstler in diesem Raum, dessen Akustik womöglich die beste für Soloklavier im Norden des Landes ist. Drängte nicht alle paar Minuten das Rattern von Eisenbahnzügen in den Klang, man könnte ihn makellos nennen. Glemser nutzt die Raumqualität im ersten Teil seines Konzertes zur Gegenüberstellung von Präludien und Fugen aus der Feder Bachs und Schostakowitsch'. Das Stimmungsspektrum des Russen von düsterem Sinnen über wuchtiges Aufbegehren bis zur kindlichen Verspieltheit sind in besten Händen.

Über technische Virtuosität gibt es nichts zu reden, die ist einfach da. Bewunderung gilt vor allem dem Interpretator Glemser, dem Nachempfinder und auch Neuempfinder. Seine Bach-Teile aus dem „Wohltemperierten Klavier“ sind Ohrenöffner auch für jene Zuhörer, die sich bei Bach oft verloren geben. Dieser Pianist lässt uns hineinhören, durchhören – plötzlich ordnen sich vor dem inneren Auge die verschlungenen Stimmpfade des Thomaskantors zum kunstvoll strukturierten Gewebe. Und: Glemser spielt Bach mit eigensinnigem Herz. Nicht romantisch, aber emotionale Möglichkeiten in einer Art ausschöpfend, dass auch manch einem Kenner das „Wohltemperierte Klavier“ zur Neuentdeckung gerät.

Aus der schlichten romanischen Kirche in den prächtigen Rokokosaal des Kurfürstlichen Palais zu Trier. Martin Stadtfeld tritt bei den Moselfestwochen mit dem renommierten Cellisten Jan Vogler (Jahrgang 1964) auf. Die beiden spielen Duos für ihre Instrumente. Man darf sagen: Da haben sich zwei gefunden, trotz des Altersunterschiedes von 16 Jahren. Beethovens sperrige Sonate Nr.5 D-Dur, mehr noch die d-Moll Sonate von Schostakowitsch reizen die Herren zum gefühlig-virtuosen Kaleidoskop.

Im Wechselspiel stehen sie sich in nichts nach.  Mal singt das Cello wehmütige Weisen, mal knarzt es aggressiv. Mal perlt das Klavier in seliger Gelöstheit, mal donnert es – etwa in Brahms' F-Dur Sonate – Akkordkaskaden orchestraler Fülle in den ausverkauften Saal. Die beiden Musiker haben sichtlich Spaß am artistischen Finger- und Bogentanz wie am zupackenden, aber dennoch differenzierten Affektspiel. Das eigentliche Wunder auch dieses Konzerts  kommt mit Bach, hier dessen Sonate Nr. 2,  die „Gambensonate“.  Voglers Cello klingt plötzlich völlig verändert, Stadtfeld fällt in einen scheinbar traumhaften Zustand ganz bei sich. Die Instrumente eilen durch die Welt oder halten innige Zwiesprache. Kristallklar strömt die auf einer kleinen volksliedartigen Melodie aufbauende Musik dahin.   Andreas Pecht
 
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