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2007-06-27 Feature:

Der besondere Geist
von Burg Namedy


Besuch bei Heide von Hohenzollern:
Rührige Herrin über das Andernacher Kulturschloss 

 
ape. Andernach/Namedy. Sie ist eine leibhaftige Prinzessin – und also plagt für einen Moment die Frage: Wie Heide von Hohenzollern anreden, wenn sie gleich in den Rittersaal von Burg Namedy tritt, um mit mir zwei Stunden über ihr Haus und das kulturelle Leben darin zu sprechen?
 
Mit dem Gatten war die Anrede-Frage Jahre vor seinem Tod 2001 ganz unkonventionell geklärt worden: Mit einem Glas Bier in der Pause irgendeiner der Kulturveranstaltungen, bei denen wir uns ständig über den Weg liefen, wurde auf  Verzicht aller Formalitäten angestoßen. Ihro Durchlaucht Prinz Godehard von Hohenzollern machte sich wenig aus Titularien und ständischer Etikette, mehr aus munteren Gesprächen zwischen Kulturfreunden. Denn Kultur war das Lebenselixier des Herrn Hohenzollern.

Auftritt der Hausherrin von Schloss „Burg Namedy“. Ach was, Auftritt. Mit Hündchen und  Hund als Gefolge tritt sie weder gemessenen noch schwebenden, sondern resoluten Schrittes hinzu, begrüßt mit kräftigem Handschlag. Ihre Augen suchen den Blickkontakt, bannen, mustern für einen Augenblick, als wollten sie ergründen: Was bist du eigentlich für einer, jenseits der gedruckten Worte? Der Augenblick verweht. Mag auch Einbildung dabei gewesen sein, so manifestiert sich im Interesse dieser Frau am Gast eine wesentliche Seite des Geistes in der Namedy-Burg: Ob Besucher dort einer Hochzeits- oder Geburtstagsgesellschaft, einer Tagung oder dem Publikum einer der vielen Kulturveranstaltungen angehören – Heide von Hohenzollern interessiert sich, schaut jedem in die Augen. Woraufhin du dich angenommen, willkommen fühlst.

Dass Kunst und Kultur alten Burgen und Schlössern neues Leben einhauchen, ist heute fast Normalität. Als Godehard von Hohenzollern 1988 Burg Namedy  erbte, war das noch keineswegs Usus. Und, erinnert sich die Witwe, für ihr Gemäuer im Andernacher Stadtteil Namedy alles andere als wahrscheinlich. Denn im jetzt wunderschönen Spiegelsaal, wo heute Festbankette, Kongresse, Konzerte stattfinden, gammelte damals unter undichtem Dach raumhoch der Schutt vor sich hin. Überhaupt mochte man auf die Fortexistenz der spätgotischen Wasserburg aus dem 15. Jahrhundert, die Ende des 19. zum dreigeschossigen Schlösschen ausgebaut wurde, keinen Pfifferling mehr geben: Das gesamte Anwesen war grundstürzend renovierungsbedürftig. „Wir haben ernsthaft überlegt, Namedy zu verkaufen“, erinnert sie sich beim Gang durch das „offene Haus“.

Verkaufen, dieses Kleinod? Knapp 20 Jahre hat es gedauert, die Burg dazu zu machen. Spiegelsaal und Rittersaal; ein Blauer Salon, der immer gelb war; ein japanischer Salon, der vom Aufenthalt des Hohenzollerschen Großvaters am Hofe des Tenno zeugt; ein Rokoko-Salon, dem der Vater  nach eigener Kreation einen Schuss Jugendstil, sogar Bauhaus verpasst hat. Droben Gäste-, Musik-, Wohn-, Bücher-, Kuschelzimmer – eines schöner als das andere, mit historischen Möbeln eingerichtet, geschmackvoll hergerichtet und unauffällig mit moderner Installationstechnik ausgerüstet. Die Mühen, die Kämpfe um Finanzen und mit Behörden, zwischendurch gegen die eigene Ermattung, sie sind erahnbar, aber nicht sichtbar. Heide von Hohenzollern mag darüber kein Wort verlieren: „Ich spreche von erfüllten und noch zu erfüllenden Träumen, nicht von den Albträumen.“

Die Triebkraft hinter all diesem Wirken? Liebe zu Kunst und Kultur. „Als wir seinerzeit Teile des Schutts aus dem Spiegelsaal geräumt hatten, entdeckte mein Mann die fantastische Akustik dieses Raumes“, erzählt die Hausherrin. Von da an war von Verkaufen keine Rede mehr, sondern nur noch vom Projekt „Begegnung Burg Namedy“. Seither gehen dort Klassik-Musiker und Jazzer, Schauspieler und Rezitatoren, Maler und Bildhauer ein und aus. Etliche Jahre hindurch gaben sich Künstler und Handwerker die Klinke in die Hand.

Burg Namedy ist kein Protz unter den Kultur-Locations am Mittelrhein, muss aber als eine der wichtigsten Säulen und Treibsatz der Kulturentwicklung in der Region während der zurückliegenden zwei Jahrzehnte betrachtet werden. Hier veranstaltete die Villa Musica schon Stipendiatenkurse und Konzerte als die Kammermusikakademie in Schloss Engers noch nicht einmal Zukunftsmusik war. Hier gab es eben im Mai den bereits 17. Jahrgang der Andernacher Musiktage – 16 Jahre unter künstlerischer Ägide von Lutz Leskowitz’  Salzburger Solisten, jetzt in Verantwortung des Xyrion-Trios von Nina Tichmann, Ida Bieler und Maria Kliegel. Drei Berühmtheiten von vielen, die der Reiz der Örtlichkeit, mehr noch die Verbundenheit mit Godehard und/oder Heide von Hohenzollern hierher geführt hat – auch wenn bisweilen das Honorar mehr aus Kost, Logis und Zuwendung bestand denn aus Geld.

Ungeachtet nasser Füße stapft die Prinzessin durchs hohe Gras des Schlossparks. Zwei kleine Freilichtbühnen will sie zeigen, und einige der Skulpturen, die von den Projektwochen „Kunst im Park“ geblieben sind. Dazu laden die Namedyschen alljährlich sechs bis acht Künstler/innen für eine Arbeitswoche in die Burg ein. Dann wird der Park zur öffentlichen Kunstwerkstatt. Nachher bleiben die Werke mindestens ein Jahr der Natur überlassen; „also den Wildschweinen“, holt Frau von Hohenzollern plötzlich burschikos die Kunstbetrachtung auf den Boden profaner Realität.

Überhaupt sagt die Dame von Adel manchmal Sätze, die so gar nicht zu dem passen wollen, was gemeinhin für standesgemäß gehalten wird. Die Angepasstheit heutzutage ist ihr ein Gräuel, Mangel an Widerstandsgeist und Widerspenstigkeit beklagt sie, und dass devote Dummheit mehr zählt als aufmüpfige Kreativität. Deshalb sei „Rebellen, Reformer, Revolutionäre das beste Kultursommer-Motto, das es je gab“, schwärmt die Schlossherrin. Zum Wort gehört die Tat: Beim Sommerfest am 1. Juli werden nicht nur Gedanken anstoßende Arbeiten der diesjährigen „Kunst im Park“-Woche präsentiert. Heide von Hohenzollern hat auch jedermann eingeladen auf ihrer „Offenen Bühne am Wald“ aufzuführen, was immer man will – wenn es nach Form und/oder Inhalt nur rebellisch statt brav und angepasst ist.

„Ich bin neugierig, was da kommt“, sagt die Prinzessin, die so gar kein Prinzesschen ist. Und ich bin noch lange nachher verwirrt, weil der oft schmerzlich vermisste Geist aus aufgeklärtem Kunstsinn und republikanischer Haltung ausgerechnet in einem Hohenzollern-Schloss Heimstatt gefunden hat. Chapeau, Bürgerin Heide von Hohenzollern.

Andreas Pecht

Infos: www.burg-namedy.de         

                                       ***

Nachtrag im März 2015, Aktualitätsverweis:

2015-03-24a Jubiläumsporträt:
25 Jahre Andernacher Musiktage
auf Burg Namedy



 
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