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2007-05-23 Kultur: 
Moselfestwochen sind ein Kind des
Kulturaufbruchs in den 1980er-Jahren

Ein Rückblick aus Anlass der 20. Saison des Musikfestivals im Moselland
 
ape. Seit Jahren konkurrieren die beiden großen Musikfestivals im Rheingau und in Schleswig-Holstein darum, welches das größte in Deutschland sei. Mit 60 Veranstaltungen können die  Moselfestwochen da zwar nicht mithalten, sie dürfen für sich in Anspruch nehmen, das größte Klassikfestival in Rheinland-Pfalz zu sein. Was jedoch das Alter angeht, stechen sie die beiden Giganten aus: 23 Jahre nach Gründung feiern die Moselfestwochen heuer ihre 20. Saison.
 
Am 17. Juni 1985 traten mit einem Konzert von Justus Frantz im Kloster Machern die Moselfestwochen ins Leben. Nachher, beim Wein, steckte der Pianist dem Festivalleiter Hermann Lewen: So etwas wie hier an der Mosel plane er auch. Ein Jahr später hob Justus Frantz das Schleswig-Holstein Musikfestival aus der Taufe. Zwei Jahre darauf, 1988, ging dann auch das Rheingau Musik Festival an den Start. Lewen, Gründer der Moselfestwochen und bis heute Intendant wie Geschäftsführer, fasst die damals begonnene  Entwicklung für die Musikfestivals in Zahlen: Die Szene in Deutschland „ist von einer handvoll Festivals in den 80ern auf 360 Sommerevent-Reihen heute angeschwollen“.

Die Moselfestwochen sind das Kind einer turbulenten kulturellen Aufbruchphase, die sich auf die 1980er-Jahre datieren lässt. Einerseits machten  im Felde der klassischen Musik neue Festivals in wachsender Zahl den etablierten Einrichtungen mit ungewöhnlichen Präsentations- und Erlebnisformen Konkurrenz. Ob an der Mosel oder nachher im Rheingau und in Schleswig-Holstein: Die Musik zog aus den Städten hinaus, eroberte Klöster und Burgen, vergessene Kirchen, Weingüter und Scheunen, begann Höfe und Gärten zu bespielen. Politik und Fremdenverkehrsbranche begannen zu ahnen, dass hier ein touristisches Pfund heranwächst.

Andererseits formierte sich auch die Alternativkultur. 1980 entstand die Koblenzer Kulturfabrik als Ausdruck einer ganzen Strömung, die nachfolgend soziokulturelle Zentren etwa in Trier, Kaiserslautern, Altenkirchen motivierte und 1992 in die Gründung des rheinland-pfälzischen Kultursommers einmündete. 1981 wurde das Café Hahn ins Leben gerufen, ein früher Treibsatz für die Ausformung der heutigen Clubszene im Land. Aufbruchstimmung allenthalben,: In den 80ern wurden Neubau und Generalsanierung des Mainzer Staatstheaters auf den Weg gebracht, 1986 die Villa Musica gegründet, 1987 die Mayener Burgfestspiele als selbst produzierendes Theaterfestival eingerichtet…

Die Kulturlandschaft sah am Ende des Jahrzehnts völlig anders aus als am Anfang. Und die Prozesse, die damals ihren Ausgang nahmen, halten noch immer an. Die Gründung der Klassikfestivals Mittelrhein Musik Momente und RheinVokal sei stellvertretend angeführt. Die Moselfestwochen sind ein schönes Beispiel für die Kraft, die diese Entwicklung entfaltete. Hermann Lewen war dereinst nach Bernkastel-Kues engagiert worden, um den „Tango zum Fango“ zu organisieren, wie er sich ausdrückt. Das war nun nicht gerade die Lebenserfüllung für den Kulturmanager. Also heckten er und der damalige Bürgermeister den Plan für ein anspruchsvolles Festival aus.

Mit 40 000 Mark Budget und einem Dutzend Veranstaltungen, örtlich begrenzt auf Bernkastel-Kues und direkte Umgebung, begannen 1985 die Moselfestwochen im zweijährigen Rhythmus. Die  entfalteten bald eine ganz eigene Dynamik: Das Publikum mochte diese andere Art klassischer Konzerte – an lauen Sommerabenden etwa in der historischen Kulisse des Klosters Machern. Andere Gemeinden stiegen zu, das Festivalgebiet wuchs, 1991 wurde auf jährlichen Rhythmus umgestellt. Im vergangenen Jahr erfolgte schließlich die Anpassung der Trägerschaft an die jetzige Ausdehnung der Moselfestwochen quasi auf den gesamten Moselraum vom „Dreiländer Eck Saar-Lor-Lux bis zum Deutschen Eck“: Träger ist seither nicht mehr Stadt- und Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues, sondern die Mosellandtouristik GmbH als Mehrheitsgesellschafter der „Mosel Festwochen GmbH“.

300 000 Besucher verzeichnete das Festival seit seiner Gründung. „Schöne Sommerabende an einzigartigen Plätzen bei hochrangiger Musik und gutem Moselwein“, umschreibt Lewen das Grundkonzept. Die Wortwahl unterscheidet sich zwar kaum vom Sprachgebrauch der Festivalmacher am Mittelrhein oder im Rheingau, aber der Mosel gebührt die Ehre, zuerst auf diese publikumswirksame Mischung für den sommerlichen Klassikbetrieb gekommen zu sein. Der allerdings, weiß Lewen, ist nur so lange erfolgreich, wie die musikalische Qualität tatsächlich stimmt. Hat er negative Erfahrungen machen müssen? Nicht wirklich, aber „man kann sich vertun“. Lewen spielt auf eine kurze Phase in der Geschichte der Moselfestwochen an, während der beispielsweise mit Auftritten von Udo Jürgens oder von Kölner Stimmungsbands das Festival in die Beliebigkeit abzudriften drohte.

Lehrreich, an der Mosel aber Schnee von gestern. Das Programm der am Pfingstmontag beginnenden und am 3. Oktober endenden 20. Saison besticht mit einer spannenden Mischung versierter Künstler und aufstrebender Talente des klassischen Metiers. Dass Justus Frantz im Jubiläumsjahr das 1000. Konzert der Moselfestwochen bestreitet und damit symbolträchtig den Bogen zum Startschuss 1985 schlägt, ist ein hübsches Bonmot. Andreas Pecht

Programm, Infos, Karten: 06531/ 3000; www.moselfestwochen.de
 
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