Kolumne Begegnungen regional
Thema Menschen / Initiativen
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2007-05-05 Pressestimme:
Pecht und seine "Begegnungen"

Zum Abschluss der Artikel- und Gesprächsreihe: Diesmal steht der Kulturjournalist und RZ-Autor selbst Rede und Antwort


 
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(Unter diesen Überschriften erschien am 5.5. 2007 in der Koblenzer Rhein-Zeitung der letzte Teil der Serie "Begegnungen" - Gespräche mit und Reflektionen über Persönlichkeiten, die für das Kulturleben in Koblenz wichtig sind. In monatlichem Abstand waren 19 Folgen aus meiner Feder publiziert worden. Bei der vorliegenden, abschließenden 20. Folge  wurde nun ich selbst zum "Opfer". Dieser Artikel nachfolgend im Wortleit. ape)
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Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, 5. Mai 2007:

19-mal ist unser Autor Andreas Pecht in den vergangenen eineinhalb Jahren Koblenzer Kulturschaffenden begegnet - entstanden ist eine RZ-Artikelreihe, die einen gut gesicherten Status quo des kulturellen Lebens in der Stadt beschreibt. Zum Abschluss der Reihe wird der Spieß umgedreht: In der 20. "Begegnung" ist Pecht selbst der Erzählende. Unser Redakteur Tim Kosmetschke übernahm dafür seine Rolle.
 
Von Tim Kosmetschke

KOBLENZ/WITTGERT. Es soll keine Selbstbespiegelung werden, kein lockerer Kollegenplausch über dies und jenes. Deshalb haben wir uns für diese letzte "Begegnung" unter veränderten Vorzeichen dasselbe Reglement auferlegt, das auch für die 19 bisher erschienenen Artikel von Andreas Pechts Reihe galt: Das Treffen findet am Arbeitsplatz des Betroffenen statt, eine vorherige Themen- oder gar Fragenabsprache gibt es nicht, angestrebt wird weniger ein Interview als vielmehr ein offenes Gespräch.

Andreas Pecht bittet mich also in sein Arbeitszimmer im Haus der Familie im Westerwald-Nest Wittgert. Es geht ins Dachgeschoss, durch das Fenster hört man Schafe. Das Büro wird dominiert von einem Eckschreibtisch, in Holzregalen findet sich das Arbeitszeug des Kulturjournalisten, der 18 Jahre lang Redakteur der Rhein-Zeitung war, seit zweieinhalb Jahren nun als freier Autor unter anderem für die RZ tätig ist: Klassik-CDs, Schauspielführer, etliche Nachschlagewerke, nur wenig Belletristik. "Meine Klause", sagt Pecht - dies ist der Platz, an dem er seine Texte schreibt. Texte, die mancher in der Stadt fürchtet.

Und schon sind wir im ersten Thema angelangt - wenige Tage zuvor ist seine Kritik zu Annegret Ritzels Inszenierung von Grillparzers "Medea" am Koblenzer Theater in unserer Zeitung erschienen. Pecht kritisiert vor allem das "Schau-Spiel" selbst, die eskalierenden Affekte - nicht zum ersten Mal in jüngster Vergangenheit.

Ist es überhaupt eine gute Idee, wenn ein und derselbe Kritiker immer wieder über die Schauspielproduktionen schreibt? "Das hat natürlich sehr viel Gutes, es ist eher positiv", ist er überzeugt. Er sieht sich als "kritischen Chronisten", der das Haus kennt, die Umstände, unter denen hier gearbeitet wird. Deshalb sind für ihn seine Kritiken stets von einordnender Natur - und bieten damit ein erweitertes Leseerlebnis als der einmalige Besuch eines Großkritikers. "Zumal ich ja auch das überregionale Geschehen im Blick habe." Die Gefahren, die die lange Dauer birgt, kennt er zwar, sieht sich jedoch vor "Verärgerung wie Vereinnahmung" gefeit.

EIN PERSÖNLICHER FELDZUG?

Was sagt er denen, die ihn auf einem Feldzug gegen die Intendantin sehen? "Das ist kompletter Unsinn. Man darf nicht vergessen, wer der Erste war, der Annegret Ritzel in Koblenz willkommen geheißen hat. Ich kenne Frau Ritzel, beziehungsweise ihre Arbeit, seit sehr langer Zeit. Und als sie zur neuen Koblenzer Intendantin erklärt wurde, habe ich geschrieben: Eine gute Wahl. Über die Jahre habe ich viele gute Kritiken geschrieben." Gab es einen Bruch? "Nein, bis heute gibt es Positives wie Negatives, wobei zuletzt leider das Negative überwiegt."

Es ist kein Geheimnis, dass Pecht das Ende der Ära Ritzel nach Ablauf ihres aktuellen Vertrages 2009 befürwortet - er hat es in einem Kommentar zum neuen Spielplan sogar als Tatsache dargestellt, dass diese Ära dann endet. Warum? "Zunächst einmal erreicht Annegret Ritzel dann die Pensionierungsgrenze. Das ist natürlich auch nur eine Marke, aber es ist dennoch zu bedenken. Außerdem ist sie dann zehn Jahre hier in Koblenz. Und zehn Jahre sind gemeinhin ein guter Zeitraum, um einen Umbau zu wagen. Und schließlich: Wer regelmäßig und mit hellen Augen in dieses Theater geht, der wird erkennen, dass das Haus nicht mehr das Feuer hat, das es zum Anfang ihrer Zeit hatte. Eine Ära geht zu Ende. Und das merkt nicht nur der Kritiker, sondern jeder regelmäßige Besucher."

Wenn das so ist, wende ich ein, wie steht Pecht dann zu den Äußerungen von CDU-Fraktionsvize Hans-Jörg Assenmacher, der eine Diskussion über das Theater insgesamt fordert, bevor öffentlich über Personen gesprochen wird? "Assenmacher hat recht. Und auch wieder nicht. Denn natürlich muss über die Situation des Theaters insgesamt gesprochen werden. Wenn das aber erledigt werden soll, bevor über die Nachfolge der Intendantin geredet werden darf, wird Koblenz nie einen neuen Theaterchef bekommen." Dann erklärt er das Prozedere: Sollte man zu dem Schluss kommen, 2009 einen neuen Intendanten zu installieren, muss der 2008 feststehen. Üblicherweise beziehen neue Intendanten schon in der Spielzeit vor ihrem Amtsantritt Stellung in der Stadt. Und damit also zum Ende der neuen Spielzeit ein Kandidat gefunden ist, muss im nahenden Sommer die Suche beginnen. Kurz: Die Zeit drängt. "Ich halte die Frage nach der Nachfolge für völlig unabhängig von den anderen Fragen. Wenn wir eine Grundsatzdiskussion führen wollen - gerne. Aber doch nicht als Vorbedingung für eine Intendantensuche."

Was erhofft er sich von diesem neuen Mann oder dieser neuen Frau? "Dass die Schauspielerei wieder ins Zentrum gestellt wird, nicht der Effekt. Und die Mimen müssen so gut sein, dass sie im Extrem auch auf leerer Bühne nur mit ihrem Text und ihrem Spiel den Zuschauer fesseln. Pecht favorisiert also einen, der nicht immer die ganz große (in Koblenz ohnehin erneuerungsbedürftige) Maschinerie bemühen muss, um etwas Vorzeigbares zu liefern. Pecht plädiert also vor allem für künstlerische Qualität: "Koblenz braucht wie bisher einen künstlerischen Intendanten, keinen Betriebswirt. Nicht umsonst gibt es an deutschen Bühnen die Zweiteilung der Theatermacht in Intendanz und Geschäftsführung."

Weil in Koblenz alles mit allem zusammenhängt, fällt der erste Themenschwenk dieser "Begegnung" leicht. Schließlich war am Zentralplatz auch mal ein zweites Haus für das Theater im Gespräch. Das ist nun längst passé, aber was soll nun hin? Pecht hat kürzlich in einer Kolumne ironisierend über die aktuell diskutierte Lösung eines Geschäftshauses mit angeschlossenem Kulturbetrieb geätzt. Er schrieb von einem Ladencenter mit dem Mittelrhein-Museum im vierten Stock. Ich werfe ihm Polemik vor, schließlich hätte diese Lösung immerhin den Charme, eine Chance auf Umsetzung zu haben. Die Polemik räumt er ein, aber: "Irgendjemand muss doch die gefährliche Kehrseite ins Blickfeld rücken, sonst geht sie unter. Wenn die Kultur - egal, um welche Einrichtung es nun konkret geht - in diesem neuen Gebäude an den Rand gedrängt wird, wäre es fatal. Die kulturelle Nutzung muss auch baulich präsentiert werden. Da ist der Architekt gefordert - ein Foyer, eine Freitreppe oder sonst ein großzügiges Entree, egal was, die Bedeutung des Gebäudes als Museum oder Kulturforum muss unübersehbar sein."

SELBSTBEWUSST FÜR KULTUR

Hier gilt es schließlich auch, selbstbewusst für diese kulturelle Teillösung einzutreten: "Wenn da Geschäfte sind, was ist dann abends und am Wochenende? Wenn da nicht eine ordentliche kulturelle Nutzung hinkommt, dann ist das Ding tot. Mitten in der Stadt." Im Fortgang des Gesprächs spricht Andreas Pecht geradezu begeistert über die von Daniel Raiskin angeregte mittelgroße Veranstaltungshalle. In der 19. "Begegnung" hatte der Chefdirigent der Rheinischen Philharmonie diesen Raum ins Gespräch gebracht. Um den Faden aufzunehmen: "Mitten in der Stadt ein echtes Forum, ähnlich wie in der Antike. Ein Raum, der verschiedenartig genutzt werden kann. Dafür gibt es einen Bedarf." Und wir sprechen nicht nur von einer "Koblenzer Philharmonie" - wobei damit eine Grundfrequenz geschaffen wäre. Ein akustisch gut funktionierender Raum, in dem das Staatsorchester vor 700 bis 800 Zuhörern seine Konzerte geben könnte - das könne der Stadt im Ganzen und dem Zentralplatz im Besonderen eine Chance eröffnen. "Es gibt ja einen Bedarf nach dieser Raumgröße in Koblenz. Der Schlachthof ist weg, die Rhein-Mosel-Halle öfters zu groß, die anderen Räume oft zu klein. Mitten in der Stadt gäbe es einen Raum der Begegnung - und auch die Geschäfte und die Gastronomie drum herum würden davon profitieren", ist Pecht überzeugt. Man darf eben nie vergessen: Auch ein Museum macht um 18 Uhr zu, selbst das angedachte Welterbezentrum ist irgendwann am Abend geschlossen. "Wenn es dann dort nichts gibt, hat man alle urbanen Probleme an einem Ort konzentriert."

Wo gerade der Name Raiskin gefallen ist - mit der Entwicklung des Orchesters darf man zufrieden sein, oder? "Es ist alles sehr erfreulich, was ich bislang mit ihm erleben durfte", bestätigt Pecht, der nun auf das Wachsen des Orchesters im künstlerischen Bereich hofft: "Was Raiskin vorhat, was irgendwann in einem ,Koblenzer Klang‘ gipfeln könnte, wird sehr spannend. Aber ist auch viel Arbeit. Die Fortschritte werden nicht immer so deutlich ausfallen wie bisher, aber sie werden kommen."

"Begegnungen" dauern meist etwa eineinhalb Stunden. Bevor diese Marke erreicht ist, bitte ich ihn um ein Fazit seiner 19 "Begegnungen": "Eines haben alle bestätigt: Das Koblenzer Kulturleben ist viel reicher, als man es beim schnellen Hinsehen zu erkennen glaubt. Der Blick, den diese 19 Leute, die ich getroffen habe, auf ihr Koblenz hatten, war stets unterschiedlich. Gemeinsam hatten sie jedoch, dass er sich vom hin und wieder vernehmbaren Gemaule, das sei hier tiefe Provinz, unterscheidet. Man muss ehrlich sein: Es spielt sich eben alles auf einem gewissen Niveau ab, und das ist nicht immer Weltniveau. Aber Provinz wäre etwas anderes."

Und nun? "Die ,Begegnungen‘ haben ein gutes Bild davon geliefert, wo die Stadt Koblenz derzeit kulturell steht. Vielleicht sollte man sie irgendwann noch einmal wiederholen." Was könnte ein passender Zeitpunkt sein: "Nach der Bundesgartenschau. Wenn man erkennen kann, ob und was sie an Bleibendem gebracht hat."
 
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