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2007-04-28b: Vorbericht
Das ganz andere Theater im Kultursommer

Innovative Herbst-Festivals in Mainz: „Grenzenlos Kultur“ und „No strings attached“

 
ape. Rheinland-Pfalz. Seit rund einem Jahrzehnt steht die jeweils letzte Phase des Kultursommers Rheinland-Pfalz in Mainz unter dem Zeichen zweier sehr besonderer Theaterfestivals: „Grenzenlos Kultur“ im Kulturzentrum KUZ sowie „no strings attached“ in und um die Mainzer Kammerspiele. Beide Festivals charakterisiert, dass die dort gezeigten Produktionen sich nach Inhalten,  Darstellungsformen und Gesamtästhetik deutlich von dem unterscheiden, was gemeinhin die Stadt- und Staatstheater auszeichnet. Beide sind internationale Foren spezieller Segmente der freien Theaterszene. Beide konnten über die Jahre eine wachsende Publikumsgemeinde für ihr so ungewöhnliches Angebot gewinnen.
 
„GRENZENLOS KULTUR“ ist ein integratives Theaterfestival. Besser gesagt: Es ist DAS integrative Theaterfestival in Deutschland, insofern es als einziges seit 1997 kontinuierlich geistig behinderte und nicht behinderte Künstler aus ganz Europa zusammenführt. Von ihm gingen und gehen wichtige Impulse für integrative Arbeit im künstlerischen Schaffen aus. Das Mainzer Festival war Vorreiter und Initialzünder für nachfolgende Projekte ähnlicher Art andernorts, etwa in Weimar, Hannover  und Berlin.
 
„Grenzenlos Kultur“ ist eine rheinland-pfälzische Gründung. Die veranstaltende und heute bundesweit aktive „Lebenshilfe GmbH Kunst und Kultur“ (mit dem Mainzer Andreas Meder als Geschäftsführer) wurde hier 1996 unter maßgeblicher Beteiligung des Kultursommers aus der Taufe gehoben. Schon für das erste Festival 1997 konnte die „Aktion Mensch“ als fördernder Partner gewonnen werden. Diese Kooperation dauert bis heute an. Mit im integrativen Boot sitzt auch das Mainzer KUZ, das als Gastgeber und Mitveranstalter so an seine große Theatertradition früherer Jahre anknüpfen konnte.

Das Festival gehörte stets zu den Höhepunkten des Kultursommers Rheinland-Pfalz, nicht zuletzt, weil es dessen auch soziokulturellen Anspruch unterstreicht. Integratives Theater, das Mitwirken geistig behinderter Künstler, bringt überraschend andere, bewegende, erhellende, Staunen machende Perspektiven und Ästhetiken auf die Bühne. Diese Art des Theaterspiels ist auf sehr eigene Weise experimentell, wagemutig, poetisch, im künstlerisch positiven Sinne „verrückt“. Weshalb auch Protagonisten aus der ersten Garde der deutschen Schauspielzunft sich hier wiederholt engagiert haben, darunter Anne Tismer, Miriam Goldschmidt oder Rufus Beck.

Und: „Grenzenlos Kultur“ ist sehr stark politisch. Denn dass Behinderte nicht nur ihr Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am alltäglichen gesellschaftlichen Leben fordern, sondern ebenso am künstlerischen Geschehen, ist per se ein Politikum. Was sie dann auf die Bühne bringen, spiegelt gesellschaftliche Verhältnisse, interpretiert auch Klassiker des Theaterrepertoires auf sonst kaum zu sehende Weise. Insofern korrespondiert das Festival schon von seinem Wesen her ideal mit dem diesjährigen Kultursommer-Motto „Rebellen, Reformer, Revolutionäre“.

Zwei Wochen lang gastieren von 6. bis 23. September 2007 integrative Ensembles und international bekannte Gruppen aus Deutschland, Frankreich, Belgien und der Schweiz in Mainz. Den Festivalauftakt bestreitet das Theater Stap mit der Tanzperformance „OOK“. In einer Choreografie von Sidi Larbi Cherkaoui und Nienke Reehorst thematisieren dabei geistig behinderte Akteure ihre Fragen an Leben und Gesellschaft. Das Züricher Theater HORA verarbeitet unter der Regie von Beat Fäh den Roman „Herz der Finsternis“ (Filmadaption „Apocalypse Now“) von Joseph Conrad als Auseinandersetzung zwischen „Behinderten“ und „Normalen“ um den Konflikt zwischen Dressur und Freiraum. Diese Arbeit wird in Mainz  Deutschlandpremiere haben, ebenso die Inszenierung von Brechts Klassiker „Die Mutter“ mit geistig behinderten Akteuren des französischen Ensembles Qiseau-Mouche. Weitere Gäste bei „Grenzenlos Kultur“ sind Cie Creation Ephemere aus Frankreich und das Berliner Theater RambaZamba, das seine neueste Produktion „Alice in den Schluchten“ als Vorpremiere ins Mainzer KUZ bringt.

Theater der ungewöhnlichen Formen und Inhalte steht auch beim Festival „NO STRINGS ATTACHED“ im Mittelpunkt, das sich vom 22. September bis in die erste Oktoberwoche anschließt. Vor allem im Bereich innovatives Figurentheater hat diese Reihe mit Auftritten einiger der bedeutendsten europäischen Künstler des Genres Marksteine gesetzt. Vertreten waren in den letzten Jahren Größen wie die Compagnie Philippe Genty oder Amoros & Augustin aus Frankreich, Albrecht Roser und Ilka Schönbohms Theater Meschugge aus Deutschland, Green Ginger aus Großbritannien oder der in Mainz mehrfach umjubelte Neville Tranter mit seinem Stuffed Puppet Theatre.

In der Mehrfachbedeutung seines Titels - „ohne Bindnung“, „ohne Verpflichtung“, „nicht am Faden hängend“ - hat das Festival „no strings attached“ im vergangenen Jahr die frühere enge Bindung ans Figurentheater weit geöffnet. Das neue Konzept bietet im Kultursommer Raum für spannende Theateransätze jedweden Zuschnitts. Ob Figuren- oder Bildertheater, ob Fusionen zwischen Mensch und Objekt oder Puppe, ob die Grenzen der herkömmlichen Theatersparten sprengendes Spiel oder Einbeziehung scheinbar abseitiger Darstellungsformen bis hin zur Artistik: „No strings attached“ will das Publikum bekannt machen mit der Vielfalt künstlerischer Innovationen in der freien Szene Europas.                                                                         Andreas Pecht

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Infos:

www.kultursommer.de/nostringsattached           
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