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2007-04-24 Romankritik:
Aus dem Wurzelgrund der Roma-Kultur
vertrieben

Colum McCanns faszinierender Roman "Zoli" über das Leben einer außergewöhnlichen Roma-Frau
 
ape.„Zoli“ heißt der jüngste Roman des 1965 in Dublin geborenen Colum McCann. Der Autor wurde hierzulande vor allem durch seinen halbbiografischen Roman „Der Tänzer“ (2003) über Rudolf Nurejew bekannt. Zoli ist ein slovakischer Jungenname, hier jedoch wurde er als Rufname einem Roma-Mädchen angehängt. Dessen Leben erzählt und beleuchtet das gleichnamige Buch - von einem realen Vorbild in Polen inspiriert, in den realen historischen Rahmen eingefügt, sonst aber in weiten Teilen fiktional nach der Devise: Es war nicht genau so, aber genau so hätte es sein können. 

Das Erzählen übernimmt Zoli selbst: Ihr Lebensbericht an die Tochter beherrscht den Roman. Das Beleuchten fällt zwei anderen zu, mit denen vermutlich der Autor selbst sich in sein Buch gemogelt hat. Erstens einem heutigen Rechercheur, der in elenden Unterkünften verelendeter Roma nach Spuren der einst in der Slowakei so berühmten Tochter des einst fahrenden Volkes sucht. Zweitens einem jungen Briten namens Stephen Swann, der nach dem Krieg in der sozialistischen Slowakei zusammen mit dem Kulturfunktionär Stransky die Roma-Dichterin Zoli entdeckt, zum Star macht und sie liebt.

Zolis Leben ist eine Reihung von Schicksalsschlägen. Der erste erwischt sie als Kind: Sie muss in den 1930er-Jahren mit Großvater Stanislaus aus einem Versteck heraus erleben, wie ihre ganze Sippe mitsamt Rössern und Wohnwagen von Faschisten auf einen zugefrorenen See getrieben wird; wie sie alle einbrechen und ertrinken. Danach ziehen sie und der Alte jahrelang durch die Wälder - die Heimischen meidend, die Deutschen fürchtend, sich irgendwann einer anderen Kumpanija anschließend.

Stanislaus kann lesen, was ihn im Roma-Volk zum misstrauisch beäugten Außenseiter macht. Stanislaus lehrt auch Zoli insgeheim Lesen und Schreiben. Als Sängerin ist sie bei den Ihren hoch geachtet, als schreibende Dichterin müsste sie indes den Bann durch alte Roma-Gesetze fürchten. Der ereilt sie Jahre später doch. Da haben sie die slovakischen Revolutionäre zur schriftstellernden Vorzeige-Zigeunerin für eine „sozialistische Verbrüderung“ mit den Roma gemacht – die endet als zwangsweise Sesshaftmachung nach staatlich exekutierter Verbrennung tausender Wohnwagen.

Die Roma entwurzelt, Zoli aus der sterbenden Kultur als Verräterin vertrieben: Wie das kleine Mädchen zuvor mit dem Großvater, so wandert die Frau nun einsam und elend durchs Land, auf der Suche nach Überleben und einem bisschen Leben irgendwo. Eine Verlorene zwischen den Kulturen, die den Eisernen Vorhang überwindet - um alsbald aus einem österreichischen Flüchtlingslager zu flüchten. An der Seite eines Schmugglers kommt sie in der Einsamkeit der südtiroler Berge bei sich selbst an. Doch auch dann verlässt sie die Wehmut des Wurzel-Verlustes nie vollends.

Colum McCann führt auf berührende Weise an eine Kultur in einer Zeit und unter Umständen heran, von denen wir fast nichts wissen: Die Roma Osteuropas am Übergang vom Faschismus zum Sozialismus. Er tut das ohne Idealisierung des Wandervolkes, an dessen Archaik Zoli zwar leidet, in der sie dennoch ihre Wurzeln hat. Aus dieser Spannung erwächst in einer interessanten Geschichte eine faszinierende Frauen-Figur.            Andreas Pecht 

Colum McCann: "Zoli". Rowohlt, 384 S., 19,90 Euro

 
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