Kolumne Begegnungen regional
Thema Menschen / Initiativen
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2007-03-10 Begegnung XVIII:
Joachim Hofmann-Göttig
und die Heimat


Der rheinland-pfälzischen Kulturstaatssekretär über Kulturvielfalt, Schüchternheit, OB-Kandidatur und eine Seilbahn in seiner Wahlheimat Koblenz
 
 
ape. Koblenz. "Koblenz ist die heimliche Kulturhauptstadt von Rheinland-Pfalz." Sagt einer mit Dienstsitz im Mainzer Kultusministerium, aber Wohnsitz seit 1999 in Koblenz. Die 18. Folge in der Reihe "Begegnungen"  ist Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig gewidmet, der als Landespolitiker und zugleich bekennender Neu-Koblenzer für die Kultur dieser Stadt eine nicht unerhebliche Rolle spielt.
 
Wir sitzen im schmucklosen Lehrbeauftragten-Zimmer des Instituts für Soziologie der Universität Koblenz. Wieso da? Mein Gegenüber ist Professor Doktor phil. und hält im Ehrenamt Lehrveranstaltungen auf dem Metternicher Campus. Also ist dieses Uni-Räumchen ein Koblenzer Arbeitsplatz von Joachim Hofmann-Göttig; mithin für die "Begegnung" akzeptabel. Man hätte sich ebenso bei "Burgen, Schlösser, Altertümer" oder im Landesmuseum auf der Festung Ehrenbreitstein treffen können, wahlweise bei der Rheinischen Philharmonie, im Landeshauptarchiv oder im Landesbibliothekszentrum. Denn auch das sind quasi Koblenzer Arbeitsplätze des 56-Jährigen: Die fünf Landesinstitutionen fallen in seine Zuständigkeit als Kulturstaatssekretär.

Und auf diese Einrichtungen stützt sich Hofmann-Göttig auch, um den Einwand zu entkräften, mit dem Satz über Koblenz als "heimliche Kulturhauptstadt von Rheinland-Pfalz" greife er wohl etwas arg in die Harfe. "Aber nein. Die Koblenzer sind sich in ihrem oft schüchternen Understatement nur manchmal nicht recht bewusst, was sie hier alles haben." Das sei typisch "für Alteingesessene" - wie es "typisch ist für den missionarischen Eifer von Konvertiten", sich keine Zurückhaltung aufzuerlegen. Also rechnet der seit 1999 nebst Frau und Kindern auf dem Oberwerth wohnende Staatssekretär vor: Von elf Landeskultureinrichtungen haben fünf ihren Sitz in Koblenz, mehr als in jeder anderen Stadt des Landes. "Von 805 Landeskulturbeschäftigten arbeiten 407,25 für in Koblenz beheimatete Kultureinrichtungen des Landes; eine Mehrheit, 50,6 Prozent."

Konvertiert ist der mit 18 Jahren in die Partei eingetretene und mit 23 zum Berufspolitiker avancierte Sozialdemokrat zwei Mal: Zuletzt vom ruhelosen Wanderleben zur Sesshaftigkeit, zuvor von der Bildungs- zur Kulturpolitik. Hofmann-Göttig hat Erziehungswissenschaften studiert, dann ein Zweitstudium der Rechtswissenschaften nachgeschoben - gedacht hatte er dabei an eine bildungspolitische Karriere. Die begann dann 1974 als hauptamtlicher Schülerreferent beim SPD-Bundesvorstand in Bonn, führte ihn über die Hessische und die Saarländische Landesvertretung sowie etliche andere Stationen 1991 als Staatssekretär ins Mainzer Ministerium für Bildung und Kultur.

Dort entfaltete sich seine Liebe zur Kultur zu voller Blüte. 20 Wohnsitzwechsel hatte Hofmann-Göttig durchgemacht, als er sich nach Domizilen in Berlin, Wilhelmshaven, Göttingen, Marburg, Bonn, Harxheim und Mainz in Koblenz niederließ. Knapp acht Jahre ist das her, jetzt "fühle ich mich erstmals im Leben angekommen". Ein wichtiges Bekenntnis - mit Folgen. Als die Rede ging, er könne im Saarland für ein Ministeramt in den Kampf ziehen, beschied er den Genossen: "Nehmt zur Kenntnis: Ich bin Koblenzer. Umziehen werde ich nur noch ein Mal: auf den Zentralfriedhof - von Koblenz."

Die Liebe zu Koblenz war allerdings keine auf den ersten Blick. Auf Koblenz als Wohnort fiel die Wahl, weil die Stadt so praktisch auf halbem Weg zwischen Mainz und Bonn liegt. Im Süden arbeitete er, im Norden die Gattin. Warum nicht in der Mitte treffen? Eine sich daraus ergebende "landespolitische Synergie wurde billigend in Kauf genommen": Weil die damalige Kulturministerin Rose Götte in der Pfalz daheim war, konnte es nicht schaden, wenn ihr Staatssekretär im nördlichen Landesteil siedelt. Die Liebe zur Stadt kam erst mit dem näheren Kennenlernen derselben.

KEINE OB-KANDIDATUR

Joachim Hofmann-Göttig sieht sich inzwischen als eingefleischter Koblenzer. Weshalb am Ende der "Begegnung" zwangsläufig die Frage steht, die seit Monaten in der Gerüchteküche köchelt, und deren Beantwortung wir wegen gesteigerten Publikumsinteresses vorziehen: Beabsichtigt er, bei der nächsten Oberbürgermeisterwahl in Koblenz zu kandidieren? Mein Gesprächspartner hat diese Frage erwartet, logisch. Er wird ernst und erklärt in wohlüberlegten Worten: "So wie ich aus Koblenz nicht mehr weg möchte, so möchte ich auch aus meiner Kulturpolitik nicht mehr weg. Ich lebe für diese Tätigkeit; es gibt für mich keine schönere Aufgabe in Rheinland-Pfalz."

Lasst also alle Hoffnungen oder alle Befürchtungen fahren, die ihr mit diesem Mann für die OB-Wahl 2010 gerechnet hattet! Er will nicht, er wird nicht - es sei denn, ein Machtwort seines Parteivorsitzenden würde ihn in diese Pflicht rufen. Sage in der Politik niemals nie, pflegte Hofmann-Göttig bei früheren Gelegenheiten zu bemerken. Rechnen muss die Koblenzer Politik dennoch mit ihm, beispielsweise in seiner Funktion als Welterbebeauftragter des Landes. Der ist nun Koblenzer, was einen Verdacht nährt: An welchen Schräubchen hat er gedreht, dass nach vielen Jahren der Nichtmachbarkeit eine Seilbahn vom Eck zur Festung während der Buga plötzlich in den Bereich des Machbaren gerät? Dazu direkt kein Kommentar.

Stattdessen dies: "Es geht nur die temporäre Lösung, zwei bis drei Jahre. Ich will Brief und vor allem Siegel von der Stadt, dass die Seilbahn danach wieder abgebaut wird!" Für die temporäre Lösung wolle er bei der Unesco gerne um Verständnis werben. Sollte Koblenz jedoch durch die Hintertür die Seilbahn zur Dauereinrichtung machen wollen, drohe die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten, fürchtet Hofmann-Göttig. "Das wäre eine Katastrophe für den gesamten Mittelrhein" - und dafür wird er sich gewiss nicht starkmachen. Zwei Herzen, ach, in seiner Brust? Hier der Landespolitiker und Welterbebeauftragte, da der Wahl-Koblenzer? Bei dieser Frage eher nicht. In der Denke dieses Mannes hat der Welterbestatus für Koblenz einen nachhaltigeren Nutzwert als eine Seilbahn ohne Welterbestatus je haben könnte.

DER MITTELRHEINER

Ohnehin sieht Hofmann-Göttig die Stadt nicht als Oase in einer ansonsten belanglosen Wüstenei. Koblenzer sein heißt für ihn Mittelrheiner sein. Originalton: "Ich liebe den Mittelrhein mit seiner Hauptstadt Koblenz." Die Schönheiten der Umgebung in den Flusstälern und auf den Höhen gehören zum Nimbus und zum Erlebniswert dieser Stadt. Umgekehrt gehören "der Reiz der Stadt und ihr unglaublich vielfältiges Kulturangebot" wesentlich zur Wertsetzung der Region. In diesem Angebot "ist nicht alles unbedingt Weltklasse, aber doch hinlänglich gut und vor allem von großartigem Abwechslungsreichtum. Wer sich in Koblenz langweilt, dem ist nicht zu helfen."

Dieser "Begegnung" wohnt ein gewisses Dilemma inne. Der Mainzer Staatssekretär wird den Teufel tun und an der Koblenzer Kultur herummäkeln. Andererseits darf man vom aufgeklärten Bürger Hofmann-Göttig erwarten, dass er sich auch kritisch mit dem Geschehen in seiner Kommune auseinandersetzt. Wie gedenkt er es zu halten? "Ich versuche zu helfen. Am Schlechtreden beteilige ich mich nicht." Na, na, Bürger Staatssekretär, Kritik und Schlechtreden sind ja nun verschiedene Schuhe. Weiß er natürlich, aber auf dem politischen Grat wandert es sich bisweilen beschwerlicher als auf dem Rheinsteig - über den Hofmann-Göttig gerne schreitet, so er nicht gerade auf dem Remstecken oder in den Augusta-Anlagen für den Mittelrhein-Marathon trainiert (den halben).

Dann lässt er sich doch noch etwas entlocken; zur Diskussion um den neuen Stadttheater-Spielplan: "Ich habe durchaus Verständnis für die ablehnende Position der Feuilletonisten." Teilen mag er sie indes nicht, schließlich "soll ein Haus auch auf ordentliche Auslastung achten. Würde das Theater leergespielt, würden dieselben Feuilletonisten das zurecht anprangern." Er selbst halte in allen Kultursparten viel von "Mischprogrammen, die niedrigschwellige Angebote fürs breite Publikum mit zeitgenössischen Appetithäppchen verbinden". Dieses "niedrigschwellig" ist ein alter Streitpunkt zwischen uns: Wo liegen die Schwellen? Wo die Grenzen zwischen Kunst und Amüsierbetrieb? Ab welchem Niedrigniveau wird Förderung mit öffentlichem Kulturgeld abwegig?

Viele Fragen, die an jede Kulturunternehmung neu und konkret zu richten sind. Weshalb wir uns den Grundsatzdisput sparen. Dafür dieser Vorstoß: Wo sieht Hofmann-Göttig Verbesserungsbedarf in der Koblenzer Kultur, welche Wünsche hätte er? Einen vor allem: "Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit, stärkere Vernetzung der Kulturinstitutionen bei der Außendarstellung. Es mangelt an der Wahrnehmbarkeit der Einrichtungen in ihrer Komplexität. Fragt man, welche Kultureinrichtungen es am Ort gibt, erschrickt man, wie wenige davon im Bewusstsein vieler Koblenzer präsent sind." Für eine Stadt, die kulturell nicht von der Beeindruckung durch imposante Großformate lebt, sondern vom Reiz eher kleinteiliger Vielfalt, ist das ein interessanter Aspekt.

Andreas Pecht

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Alle bisherigen Begegnungen finden Sie im ARCHIV von 
www.pecht.info (über Titelseite) und dort unter den Rubriken
KOLUMNEN > BEGEGNUNGEN REGIONAL
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Frühere Gespräche mit Hofmann-Göttig zu diversen Themen:

2006-12-29 Hintergrund:
Quo vadis, Stiftung Villa Musica?
Gespräch mit Doppelspitze Klaus Arp und Joachim Hofmann-Göttig


2006-05-19 Gespräch:
Hofmann-Göttig über Strategien für rheinland-pfälzische
Kulturpolitik der nächsten Jahre

 
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