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2007-02-21 Analyse:
Klimaschutz braucht mehr als Symbolik

Glühbirnenverbot, Auto-Theater und überraschende Forderungen von Konzernen
 
ape. Die EU-Umweltminister wollen Europa zum Vorreiter im Klimaschutz machen. Ihr australischer Kollege will mit einem  Glühbirnenverbot ebenfalls die Führungsrolle spielen. Fast 100 internationale Großkonzerne verlangen derweil in New York von den Regierungen der Welt die Festlegung verbindlicher Obergrenzen für die Emission von Treibhausgasen.  Es ist allerhand Bewegung in den Klimaschutzprozess gekommen. Doch manches davon erschöpft sich auch in Symbolik.
 
Die Erfindung von Thomas Edison hat uns 130 Jahre lang ausgezeichnete Dienste geleistet. Doch jetzt schlägt der Glühbirne offenbar das letzte Stündlein. Malcolm Turnbull, Umweltminister Australiens, hat angekündigt, das antiquierte Leuchtmittel werde in seinem Land verboten. Grund: Die Lichtausbeute des Glühfadens im Glaskolben steht mit fünf Prozent in keinem Verhältnis zum Energieverbrauch.

Der Mann hat Recht, und gegen die Abschaffung der Glühbirne ist wenig einzuwenden, zumal vollwertiger Ersatz in Form von Sparlampen zur Verfügung steht. Deren Einsatz kann den Stromverbrauch für Licht um 80 Prozent verringern. Für den vorliegenden Fall heißt das: Bis 2015 könnten die australischen Emissionen von Treibhausgasen um vier Millionen Tonnen gesenkt werden. Und eben darum gehe es ihm, sagt der Minister Turnbull, dessen Land derzeit von der schlimmsten Dürre seit Menschengedenken gebeutelt wird: Um einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz.

Im Fernsehen wirft sich der konservative Politiker in die Brust: „Wenn der Rest der Welt unserer Führung folgt, wird dies eine erhebliche Energieeinsparung bedeuten.“ Damit hat er nun allerdings nicht Recht. Denn von „erheblicher Energieeinsparung“ kann im Verhältnis zum Gesamtproblem keine Rede sein: 2004 blies Australien 565 Millionen Tonnen Treibhausgas in die Atmosphäre; nach einer Studie von Turnbulls eigener Regierung werden es ab 2008 etwa 603 Millionen Tonnen pro Jahr sein.
Die Reduzierung durch das Glühbirnenverbot ist willkommen, aber bloß ein Tropfen auf den heißen Stein.  Der  Furor, mit dem die Meldung vom fünften Kontinent aus um die Welt geht, steht in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Maßnahme für den Klimaschutz. Sie ist deshalb nicht überflüssig, denn es werden bei der CO2-Reduktion auch die Zehntel  hinterm Komma wichtig.

Nützen können diese freilich bloß, wenn sich vor dem Komma im deutlich zweistelligen Bereich (20, 30, 40 Prozent) etwas bewegt. Wenn nicht, bleibt das Glühbirnenverbot ein Feigenblatt, hohle Symbolik, lachhaft, gerade beim Kioto-Verweigerer Australien.
Deutsche Politiker haben gestern die Idee von Malcolm Turnbull aufgegriffen – und sind sogleich in Streit darüber geraten, ob ein Verbot angemessen sei.  Schon die Diskussion über diese Frage ist angesichts des Klimawandels ein Unding. Dass die Glühbirne sich überlebt hat, darüber besteht kein Zweifel. Also nehmen entweder die Hersteller sie vom Markt oder man verbietet den Verkauf. Niemand hätte einen Schaden: Die Kunden nicht wegen des Sparlampenersatzes; die Hersteller nicht, weil die Sparlampen ebenfalls aus ihrer Produktion kommen. Was  also soll das Getue um diese Lappalie? Das Verschwinden der Glühbirne ist schiere Selbstverständlichkeit. Macht es einfach! Und dann weiter an die wirklich großen Klimaschutzaufgaben.

Letzteres wurde jetzt auch von einer internationalen Konferenz in New York eingefordert. Bei der Zusammenkunft handelte es sich weder um eine Umweltschützertagung, noch um ein UN-Forum. Von 100 vertretenen Organisationen waren 85 weltweit agierende Großkonzerne, darunter Bayer, die Allianz-Versicherung, General Electric, Air France oder der Aluminiumriese Alcoa.

Die Wirtschaftsgiganten verlangen in einer gemeinsamen Erklärung von den Regierungen, „verbindliche Obergrenzen für den Ausstoß von Treibhausgasen festzusetzen“. Dieses Ansinnen hat nun mit Symbolik gar nichts mehr zu tun. Es zielt auf nicht weniger ab, als dass die Politik der Wirtschaft und dem Markt einen klimapolitischen Zwangsrahmen setze. Und zwar einen, der für alle gilt, deshalb die Wettbewerbsbedingungen nicht verzerrt. Einen, der den Unternehmen möglichst klar definiert, mit welchen Klimaschutz-Auflagen sie in den nächsten Jahren zu rechnen haben.

Das ist ein völlig neuer Ton in der Umweltdiskussion. Auch wenn die Beweggründe dafür kaum philantropischer Natur sind: Hier wird nicht länger gegen Umweltauflagen opponiert, sondern werden entschiedene,  wirksame und investiv einplanbare Maßnahmen verlangt. „Wir erkennen, dass wir Teil des Problems sind. Aber wir sind auch Teil der Lösung“, erklärte einer der Konzernvertreter in New York. Alcoa-Chef Alain Belda sagte, es sei riskant und kostenintensiv, dem Klimawandel zu begegnen, „aber viel größer ist das Risiko, nicht zu handeln“.

Warum rufen hier Unternehmen nach dem Staat, statt von sich aus die eigenen CO2-Emmissionen zurück zu fahren? Weil sie sich und Ihresgleichen kennen. Weil sie wissen, dass im beinharten Konkurrenzkampf freiwillige gute Vorsätze gezwungenermaßen schnell vergessen sein können. Die notwendige Verlässlichkeit kann nur von verbindlichen Gesetzen kommen. Über die mag dann jeder murren, aber halten müssen sie sich alle dran.

Vielleicht legt Herr Belda  mal bei seinen Managerkollegen von der deutschen Autoindustrie ein gutes Wort für den Klimaschutz ein.  Damit die begreifen, dass ein europaweit verbindlicher Abgasgrenzwert  von 130 Gramm CO2 je Kilometer Autofahrt keine Wettbewerbsverzerrung ist, sondern eine allgemeine Rahmensetzung innerhalb derer sich zeitgemäße Innovationskraft bewähren kann – freilich auch muss.

Der europäischen, nicht zuletzt der deutschen Politik möge der neue Ton aus Teilen der Weltwirtschaft Ansporn sein, Klimaschutzpolitik entschiedener unter dem Aspekt zu betreiben, was hinten tatsächlich herauskommt. Anstatt bei jeder neuen Maßnahme zuerst ins Lamentieren, Abwehren und Ausnahmen-Suchen zu verfallen. Das aktuelle Schauspiel um eine Reform der KFZ-Steuer beispielsweise ist gar zu arg. Sollten die Einwände aller Reichsbedenkenträger berücksichtigt werden, bleibt am Ende womöglich wieder bloß Symbolik – noch weniger wirksam als Mister Turnbulls Glühbirnen-Revolution.

Andreas Pecht  
 
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