Kritiken Theater
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2007-01-21 Theaterkritik:
"Dreigroschenoper" voller Lachnummern

André Wilms' Einrichtung des Brecht-Klassikers am S
chauspiel Frankfurt:
Viel Amüsement, wenig Reibungsfläche
 
ape. Frankfurt. Die Bühne im großen Frankfurter Schauspiel hat einen Orchestergraben gekriegt. Darin sitzt eine Polizeikapelle, Evergreens schmetternd. Darüber singt und mimt loddriges Theatervolk in und zwischen Notunterkünften aus Pappkarton. Gegeben wird komische Oper: Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“. Der Zuschauerraum war bei der Premiere jetzt bis auf den letzten Notsitz gefüllt; die Kartennachfrage für Folgevorstellungen brummt, ist zu hören. So kennt man das von diesem schrägen Stück seit seiner Uraufführung anno 1928 im Berliner Theater am Schiffbauerdamm: Die antibürgerliche Bettleroper entzückt das Bürgertum – worüber der arme BB sich zeitlebens die Haare raufte.
 
Räubergauner Mackie Messer landet am Galgen, weil die Songzeile vom Primat des Fressens vor der Moral eben auch für die Ganovenehre gilt: Diese Geschichte gehört längst zum abendländischen Kulturkanon. Dank „Dreigroschenoper“ sind Halsab- und Beutelschneider, Bettler und Huren in der Bühnenkunst Königen, Gräfinnen, Generälen und Bankiers gleichgestellt. Sogar über sie erhoben, denn: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ – so soll Mackie laut Stücktext  mit Strick um den Hals auf kapitalistische Wesenszüge insistieren. In Frankfurt, wo  statt des Galgens der Eiserne Vorhang als Guillotinemesser dräut, tut er das leider nicht, jedenfalls nicht vernehmlich.

Regisseur André Wilms (wegen Krankheit die letzten zehn Tage vor der Premiere nicht mehr bei den Proben) hat  der langen Reihe von mehr kulinarisch-amüsant denn trotzig-provokant orientierten „Dreigroschenoper“-Inszenierungen eine weitere hinzugefügt. Der zweistündige pausenlose Abend macht jede Menge Spaß, verzichtet aber  auf Reibungsflächen und Widerständigkeit. Darin ähnelt die Frankfurter Arbeit, trotz ihrer ungleich besseren Ausführung,   derjenigen von Irmgard Lange im vergangenen Jahr in Mainz. Weshalb Thirza Brunckens Bonner „Dreigroschenoper“ vom Januar 2006 als aggressiver Albtraum heutiger Unkultur die interessanteste Variante in der Großregion darstellt.

Frankfurt trumpft musikalisch auf. Bei den grün uniformierten Musikanten im Graben handelt es sich um das Ensemble Modern, erweitert um Mitglieder von dessen Internationaler Akademie IEMA. Das tönt in bester Kurt-Weill-Manier treibend, kauzig, frech auf des Messers Schneide zwischen knarziger Straßenmusik und versiertem  Big-Band-Sound tanzend. Das Bühnenpersonal liefert trefflich dazu, was dieses Werk unbedingt verlangt: Schräges Gesinge fernab jedes opernhaften Schönklangs. Erst gewöhnungsbedürftig, dann hinreißend etwa die gekiecksten Polly-Songs von Sascha Icks, der rauhe Jenny-Gesang von Yvon Jansen, das überschäumende Kanonen-Duettgegröle von Michael Lucke als Brown und Wolfram Koch als Mackie.

Dieser Macheath ist ein famoser Brecht-Darsteller. Was immer er hier macht, er macht es augenzwinkernd. Wann er Koch spielt und wann den Mackie bleibt verschwommen – das ist mehr Kabarett denn Schauspiel. Gleiches gilt für den ausgiebig belachten und nachher umjubelten Liebling des Publikums: Karin Neuhäuser als abgetakeltes Eheweib von Bettlerkönig Peachum (Joachim Nimtz, stimmkräftiger Geschäftsmann).

  Bald besoffen krakeelend, bald weinerlich herum mozend, schlurft sie in schmuddeligem Schlafrock und Filzpantinen durch die Szenerie. Eine Art Comedyantin, die mit einem Feuerwerk scheinbar improvisierter Aktionen Mitspieler und Publikum vergackeiert. Ein starker, Lachmuskeln reizender Auftritt, der den Affen bisweilen allerdings zu viel Zucker gibt. So ist diese Frankfurter „Dreigroschenoper“ eine handwerklich gut gemachte Amüsier-Sache. Sollte das aber heutzutage schon hinreichen?
Andreas Pecht

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Zu den Kritiken "Dreigroschenoper" 2006 in Mainz und Bonn:
 
 2006-02-06 Musiktheater: 
Brechts "Dreigroschenoper" am
Staatstheater Mainz


 2006-01-23 Musiktheater:
Brechts "Dreigroschenoper" in

 Bonn/Bad Godesberg
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