Kritiken Theater
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2007-01-14 Schauspielkritik:
Szenen einer Männer-Ehe

Fassbinders Jugendwerk "Tropfen auf heiße Steine" in Wiesbaden als solide Beziehungskomödie mit Hintersinn, aber ohne Streitwer inszeniert
 
ape. Wiesbaden. Seltsamer Werdegang eines Theaterstückes: Vom 19-jährigen Rainer Werner Fassbinder (1945–1982) geschrieben, in der Schublade verschwunden, nach dem Tod des Autors  gefunden, 1985 uraufgeführt, kaum nachgespielt, bald vergessen, im Jahr 2000 als Verfilmung von Francois Ozon bekannt geworden, danach sporadisch auf der Bühne zu sehen. „Tropfen auf heiße Steine“, so der Titel des Werkes, wurde von der jungen Regisseurin Caroline Stolz jetzt am Wiesbadener Staatstheater als Beziehungskomödie im Kammerspielformat eingerichtet.
 
Raumbreit, doch von minimaler Tiefe, ist die Kulisse vor die erste Zuschauerreihe gequetscht: Ein Zimmer, altmodisch schon in den 1960ern, in denen die Handlung spielt. Das Raumkonzept (Neidert/Stephens) verstärkt die Intimität der Außenspielstätte Wartburg. Ein Großteil der Einrichtung existiert bloß zweidimensional: Leuchter, Sessel, Radio, Türen, ein Loreleygemälde – aufgeklebte Bilder nur. Diese kleine Welt ist präsent,  aber nicht real, darin Fassbinders Thema angemessen: dem Traum von der  Liebe und ihrer Unmöglichkeit.

Die Geschichte führt Leopold (55) und Franz (20) als Paar zusammen. Die Anbahnung dieser Beziehung ist ein Glanzstück der Inszenierung, weil die Regie sie  einfach als Annäherung zweier zueinander hingezogener Menschen  anlegt, weil Franz Nagler (Leopold) und Florian Thunemann sie auch ganz natürlich so spielen. Dem Altersunterschied zwischen beiden kommt eher Bedeutung zu als dem Umstand, das hier zwei Männer in den eheähnlichen Stand treten.

Was auf die erste Euphorie folgt, sind denn auch  gewöhnliche Szenen einer Ehe. Der Junge putz, kocht und betüttelt den Älteren. Der erweist sich, von der Arbeit heimkehrend, als Choleriker und Haustyrann. Alles ganz normal.

Problem: Diese Konstellation ist 2007 kein Aufreger mehr. Als die deutsche Gesellschaft das Stück hätte brauchen können, lag es leider vergessen in der Schublade. Caroline Stolz weiß das wohl, setzt in ihrer Inszenierung deshalb weder auf Provokation noch Belehrung, sondern spielt – sich auf  ihre Mimen, Situationskomik und Disco-Einlagen verlassend – mit den Absurditäten des Gewöhnlichen. Wozu in diesem Fall auch der Einbruch der  Ex-Freundinnen der beiden Männer in die homosexuelle Zweisamkeit gehört.

Mit Alexandra Finder wirbelt eine reizend lockende Göre (Anna) ins Geschehen. Mit Julia Grimpe tritt eine tragikomische Tussi (Vera) hinzu. Leopold wickelt sie beide um den Finger, würde nun gerne zum munteren Bi-Vierer blasen. Daraus wird nichts, weil Franz und Vera von der Sehnsucht  nach richtiger Liebe nicht loskommen. „Tropfen auf heiße Steine“ in Wiesbaden: Solide konstruiert, schön gespielt, aber für den gesellschaftlichen Diskurs etwas spät.⋌Andreas Pecht
 
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