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2007-01-11 Analyse:
Die EU will beim Klimaschutz
Vorreiter sein

Kommissionsvorschläge für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt und
ehrgeizigere Klimaschutzziele stoßen auf zwiespältiges Echo
 
ape. Der Präsident der EU-Kommission nennt es das „ambitionierteste Ziel, das es jemals auf der Welt gegeben hat“. Umweltschützer  sprechen von einem „armseligen Papier“.  Brüssel will mehr Wettbewerb ermöglichen, die Stromversorger fürchten „Enteignung“ oder  „Zerschlagung“ ihrer Unternehmen.  Gegensätzlicher können sie kaum sein, die Reaktionen auf die aktuellen Brüsseler Pläne zur europäischen Energiepolitik.
 
Will die EU-Kommission mit ihren in dieser Woche vorgestellten Vorschlägen für die künftige Energiepolitik der Gemeinschaft eine Revolution anzetteln? Oder entfacht sie bloß  einen Sturm im Wasserglas, den die Regierungschefs der EU schon bei ihrem März-Gipfel wieder glätten werden? Dass die eben von Kommissionspräsident Barroso vorgestellten Pläne schließlich nur in entschärfter, verwässerter, mit allerlei Ausnahmen versehener Form zur Anwendung kommen werden, ist mehr als wahrscheinlich. Denn bei beiden Hauptthemen, die von den jetzigen Beschlüssen berührt werden, spielen nationale Interessen und Vorbehalte eine ziemlich große Rolle.

Das eine Hauptthema ist das Ansinnen Brüssels, den Energiekonzernen die gleichzeitige Verfügungsgewalt über Netzbetrieb und Stromerzeugung zu entziehen. Danach soll künftig ein Unternehmen nur entweder Netzbetreiber oder Stromerzeuger sein dürfen. Ohne die eigentumsrechtliche Aufspaltung der beiden Bereiche werde es, so Barroso, den nötigen Wettbewerb nicht geben. In der Tat wird damit ein tiefer Eingriff in die Eigentumsstrukturen der Energiewirtschaft vorgeschlagen. E.ON oder RWE müssten gezwungenermaßen entweder ihre Netze oder ihre Kraftwerke verkaufen. Verkaufen - wofür „Enteignung“  kaum das passende Wort ist.

KOMMISSION UNGEWÖHNLICH RADIKAL

Was hat die EU-Kommission zu diesem für ihre Verhältnisse radikalen Schritt bewogen? Dazu sagte Barroso den schlichten Satz: „Der Wettbewerb funktioniert nicht wie er soll.“ Diese Feststellung nebst parteiübergreifender Kampfansage dagegen war im vergangenen Jahr in Deutschland bezüglich der Strom-, mehr noch der Gas-Versorger häufig zu hören. Dennoch ist es vor allem Deutschland, das gemeinsam mit Frankreich Widerstand gegen den Brüsseler Vorstoß angekündigt hat. Man wird sehen, was am Ende von der Absicht bleibt, durch die Trennung von Netzbetrieb und Erzeugung mehr Wettbewerb und damit niedrigere Energiepreise zu erzwingen. Womöglich ein eher zahnloser lockerer Verbund nationaler Regulierungsbehörden.

Bei dem Furor, mit dem nach Barrosos Bekanntmachung um diese Frage gestritten wurde, ging das andere, wahrscheinlich wichtigere Thema beinahe unter: Die neuen Klimaschutzziele, die Brüssel den europäischen Staaten ins Stammbuch schreiben will. Das sind: Reduzierung der CO2-Emissionen um 20 Prozent gegenüber 1990, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien bis 2020 auf 20 Prozent der Stromerzeugung, zudem 20 Prozent Energieeinsparung.  Grüne und Umweltschutzverbände kritisieren diese Festlegungen als völlig unzureichend. Besonders groß ist die Enttäuschung über die angestrebte CO2-Reduktion von nur 20 Prozent. Es war fest mit einer Zielmarke von 30 Prozent gerechnet worden.

Wobei Brüssel die 30 Prozent offenbar durchaus für machbar hält. Denn erklärt wurde, man sei dazu bereit, wenn auch die anderen Industriestaaten auf der Welt mitziehen würden. Für diesen Fall hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel angekündigt, das deutsche CO2-Reduktionsziel sogar auf 40 Prozent hochzuschrauben. In Sachen Klimaschutz will Europa  Vorreiter sein – und Deutschland Vorreiter des Vorreiters. Warum dann noch warten, vielleicht auf das Mitwirken der USA am Klimaschutz nach dem Ende der Amtszeit von Georg W. Bush?

DRINGLICHKEIT UNTERSTRICHEN

Das Positive an diesen aktuellen Absichtserklärungen ist, dass sie die Dringlichkeit energischer Klimaschutzmaßnahmen unterstreichen. Der Zeitpunkt ist wohl nicht zufällig gewählt, steht doch für Anfang Februar der Hauptbericht des UN-Weltklima-Gremiums IPCC zu erwarten. Darin wird wahrscheinlich vor einer Erderwärmung von 4,5 Grad bis ins Jahr 2100 gewarnt, sollte der  CO2-Ausstoß nicht schleunigst um 30 Prozent bis 60 Prozent weltweit reduziert werden. Nur wenn dies geschieht, ist eine Begrenzung der Erwärmung auf zwei Grad möglich. Alles was darüber liegt, dessen waren sich die 1000 IPCC-Wissenschaftler schon im Vorfeld sicher, hätte katastrophale Folgen.

Die neuen Klimaschutzziele der EU-Kommission sind   ehrgeiziger als die bisher vereinbarte acht-prozentige CO2-Verminderung zwischen 2008 und 2012. Die gute Absicht in Ehren. Aber die meisten Länder, Deutschland eingeschlossen, hinken arg schon hinter den alten Zielen her. Um die neuen, noch immer nicht hinreichenden, zu erfüllen, braucht es etwas mehr als bloß einen Sturm im Wasserglas.

Andreas Pecht
 
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