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2006-12-28 Porträt:
Schmuckkünstler und Kunstpädagoge in einer Person: Theo Smeets

Der Professor für Schmuck- und Objektgestaltung am Idar-Obersteiner Studiengang für Edelstein- und Schmuckdesign der FH-Trier im Porträt

 
ape. Künstler oder Pädagoge? Bei der Begegnung mit Theo Smeets stellt sich diese Frage sehr bald zwingend. Denn der Blick auf sein schmuckgestalterisches Oeuvre lässt einen Künstler von Rang erkennen. Währenddessen zeigen ihn die letzten acht Jahre vornehmlich als Hochschullehrer. In der Vita des gebürtigen Niederländers Jahrgang 1964 sind beide Momente wesentlich. „Zur Zeit bin ich objektiv wohl mehr Pädagoge und fühle mich auch so“, erklärt Smeets selbst. Seit 1998 lehrt er in Idar-Oberstein als Professor für Schmuck- und Objektgestaltung. Smeets ist Prodekan des Fachbereichs Gestaltung der FH-Trier und leitet deren in Idar-Oberstein ansässigen Studiengang für Edelstein- und Schmuckdesign. Vor Beginn seiner Lehrtätigkeit in der traditionsreichen deutschen Schmuck- und Edelsteinstadt an der Nahe prägte freilich der Werdegang zum freien Schmuckkünstler sein Leben.
 
Ringe, immer wieder Ringe – sie sind der Stoff seiner frühen künstlerischen Phase. Aus zwölf dieser Kleinodien besteht schon Smeets’ Diplomarbeit mit der er 1992 das Studium an der Amsterdamer „Gerrit Rietveld Akademie“ als Schmuckdesigner abschließt. Etliche der hohlmontierten Stücke bergen ein Geheimnis, sind auf eigenartige Weise vieldeutig. Außen  glatt, bar figurativer oder ornamentaler Formen, quasi Ringe in ihrer schlichtesten Urform. Ihr wahres Leben entfalten sie auf der Innenseite. Dort, im verborgenen Intimraum zwischen Haut und Schmuckmetall, umschmiegen etwa bei einer Arbeit namens „Haremsring“ fein ziselierte Frauenleiber des Trägers Finger, oder drückt ein „Fakirring“ 128 winzige Goldstäbe auf die Haut. Smeets nennt das „die Umkehrung des Rolexprinzips“.

Will sagen: Auch dieser Schmuck ist zwar als tragbarer konzipiert, dient jedoch vorderhand dem Fühlen des Trägers und nicht der Außendemonstration. Mal ist das Innenleben solch eines Rings für Außenstehende völlig unsichtbar. Mal zeigt es sich als vorübergehend bleibender Abdruck nach dem Abnehmen des Stückes. Später sind einige Ringe derart gearbeitet, dass sei beim Betrachter die Ahnung aufblitzen lassen, es könnte zwischen Fingeroberfläche und Ring-Innenseite eine ganz eigene Welt geben. Für Smeets geht es um Dialog mit der Umwelt, einen Dialog, der vom Schmuckstück gelenkt wird. Die verborgene Sinnlichkeit seiner Ringe motiviert Neugierde, für die der Träger sich nach eigenem Gusto öffnen kann oder es lassen. Damit werden Ring und Träger zum motivierenden Ausgangspunkt von Kommunikation.

Gold und Silber spielen bei Theo Smeets gerade anfangs  im eigenen Atelier erst in Amsterdam, ab 1994 in Berlin eine wichtige Rolle. Da wirkt auch seine handwerkliche Grundausbildung als Gold- und Silberschmied in der 1980ern an der niederländischen Vakschool Schoonhoven nach. Doch sein Umgang mit dem Material scheint eigentümlich: Smeets fertigt Schmuck bewusst aus stumpfem, geschwärztem Silber; Goldoberflächen raut er absichtlich mit der Holzraspel auf. Der konzeptionelle Gedanke hinter dieser Praxis: Erst  durch die Benutzung, durch das Tragen erhalten die Arbeiten ihren „letzten Schliff“. Ihr „Leben beginnt mit dem Kauf“, sagt Smeets und nennt es  „Umkehrung des Abnutzungsprinzips, denn der Träger selbst vollendet das Stück“.

Selbstredend, es bleibt nicht bei der Ring-Arbeit. „Die ersten Ideen sind ausformuliert, andere Ideen reifen, stehen auf Abruf“.  Reifen, das meint bei Smeets ein Reifen zur künstlerischen Freiheit hin. Und künstlerische Freiheit meint bei ihm stetiges Wachsen des souveränen Umgangs mit Material und Form, meint Weiterung des persönlichen Formenkanons – bis schließlich der Künstler in Ästhetik gießen kann, was er mitteilen möchte. Smeets ist Mitte der 90er kein Unbekannter mehr in der Schmuckszene, hat Ausstellungen etwa bei Marzee in Nijmegen, Porée in Paris, v&v in Wien. Und doch stellt das selbständige Schaffen in Berlin  auch ihn vor die gewöhnlichen handfesten Anforderungen: „Im praktischen Leben zählt die Sauberkeit der Lehre nicht so viel“, man muss sein Brot verdienen. Der Künstler öffnet sein Schaffen auch für Broschen, Ketten, Colliers, spielt mit Materialien und Formen, geht neue Wege - darunter beispielsweise die „nichtinzestuöse Selbstbefruchtung“ wie er die Praxis des souveränen Aufgreifens eigener Arbeitsfehler für Neukreationen nennt. Dennoch bleibt er einigen vorherigen Grundsätzen treu. Etwa diesem: Ich schaffe tragbaren Schmuck und keine Raumskulpturen. Oder jenem: Meine Arbeiten sind nie nur fürs Auge gemacht, sondern weisen immer eine haptische Dimension auf, wollen gespürt und berührt werden.

Gerühmt wird Smeets für die Perfektion seiner Technik, für die Sparsamkeit und kunstvolle Schlichtheit seiner Schmuckformen, die indes bei jeder Arbeit auf ganz eigene Art mit sinnlicher, intellektueller, ästhetischer Vielschichtigkeit einhergehen. Bei diesem Schmuck müssen Träger und Betrachter immer mit unerwarteten Einblicken, überraschenden Perspektiven und verblüffenden Brechungen rechnen. „Was in deinem Leben eine Rolle spielt, taucht irgendwann als Form im Schmuck auf“ weiß der Idar-Obersteiner Professor und weist auf Arbeiten, die in jüngerer Zeit aus seinen Erfahrungen im Hochschullehrer-Leben  entstanden sind, und die sich deutlich von ihren Vorgängern unterscheiden. „Sieben Zicklein“ heißt eine Kette, in deren Mitte der Wolf lauert; „Schnarcher“ eine beim Anschauen zum Gesicht mutierende, klappernde Brosche; „Weisheit mit Löffeln“ eine andere Brosche, mit der er sich seinen Ärger über nassforsche Besserwisserei von der Seele „redet“. Da schwingt im Kunstwerk karikierender Witz mit.

Es bleibt die Frage, was diesen Mann geritten hat, im Jahr 1998 sein Berliner Atelier von jetzt auf gleich aufzugeben, nach Nierstein am Rhein umzusiedeln, um fortan im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein als Kunstpädagoge zu wirken. Der Preis, den Theo Smeets dafür zahlt, scheint hoch. Die ersten beiden Jahre liegt das eigene Kunstschaffen völlig brach, zieht das Einarbeiten in die neue Profession alle Energie auf sich. Dann die Feststellung, dass der FH-Betrieb „etwas mit dir macht: Du lernst, zu reden; und je besser du dich in Sprache ausdrücken kannst, umso geringer das Bedürfnis, dich in Schmuckstücken auszudrücken.“  Auch wenn ihn der Umstand schier zur Weißglut bringt, dass Uni- und FH-Professoren in Deutschland „unendlich viel Zeit mit Managamentaufgaben vertun müssem“,  so bereut Theo Smeets bis heute seinen Schritt nicht. Er spricht im Gegenteil von einer „jetzt sehr großen Zufriedenheit“. Die rührt von drei Faktoren.

Erstens empfindet er es als Vorrecht, maßgeblich an der Entwicklung der jüngsten deutschen Hochschuleinrichtung in Sachen Schmuckdesign mitzuwirken. Zweitens kann er - der als gelernter Gold- und Silberschmied tief im Handwerklichen wurzelt – sich „so sehr für die Edelsteintradition in Idar-Oberstein erwärmen, dass ich mich freue, einen Beitrag zur Weiterentwicklung dieses Metiers in dieser Stadt zu leisten“. Und drittens empfindet er Kunst und Lehre ohnehin nicht als Widerspruch, weil auf beiden Feldern der „Humanfaktor sehr hoch ist“, es beiderseits um Menschen, Emotionen, Kommunikation gehe. Hier schließt sich der Kreis vom Künstler, der „Objekte für Körper, Gefühl und Geist, also den Menschen macht“, zum Pädagogen, der als seine Aufgabe begreift, den Studenten Raum und Hilfe für die Entwicklung eigener Gestaltungskreativität anzubieten.

Dem Nachwuchs nicht Konzepte und Schulen überstülpen, sondern ihm beim Finden eigener Wege zu unterstützen, das ist Theo Smeets’ pädagogische Leitlinie – die vom Wintersemester 07/08 an auch Grundsatz für den neuen Master-Studiengang Schmuckdesign in Idar-Oberstein sein soll. Dieser nächste Schritt im Auf- und Ausbau der erst 1986 gegründeten FH-Abteilung ist zugleich Teil einer über die Hochschule hinausgreifenden Gesamtstrategie, mit der Idar-Oberstein an seine einstige Bedeutung als Schmuck- und Edelsteinzentrum von europäischem Rang anknüpfen will. Eine Strategie, die seit etwa drei Jahren mit hochrangigen Symposien, einer Vielzahl von Schmuckausstellungen und Initiativen zu europäischen Kooperationen zwischen Schmuckkünstlern und –hochschulen verstärkt die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Stadt und FH-Abteilung ziehen hier an einem Strang, um Idar-Oberstein als europäischen Schmuck-Ort geistiger Offenheit und internationaler Diskursivität zu etablieren.

Der Prozess läuft, der FH-Bereich Edelstein- und Schmuckdesign ist einer seiner wichtigsten Motoren. „Unser Ziel ist es, in 10 bis 15 Jahren einen in mehreren europäischen Ländern angesiedelten und somit grundsätzlich internationalen Masterstudiengang für Schmuckdesign zu haben“, erklärt Smeets. Schon vorher sollen Studierende und Lehrende in den Genuss von Kooperationen mit diversen Partner-Hochschulen im EU-Raum kommen. Er ist überzeugt, dass von diesem Weg wertvolle Entwicklungsimpulse für die Ausbildung der Schmuckkünstler, die europäische Schmuckkunst generell und schließlich auch für den Schmuck- und Edelsteinstandort Idar-Oberstein ausgehen können. Es gibt sie schon: “Was wir hier initiieren, trifft draußen auf ein großes Interesse. Das internationale Netzwerk der Kontakte, des Austausches, der Diskussionen wächst unglaublich schnell.“

Theo Smeets schwärmt nicht, aber er spricht mit dem Feuer des Pioniers: über die Freude, „etwas aufzubauen, das über die eigene Armlänge hinausreicht“; ein geistiges Feld zu beackern, eingebettet in ein produktives Team. „Das ist ein hohes Maß an Glück.“ Künstler oder Pädagoge? Künstler und Pädagoge und Pionier in Sachen Schmuckkunst.

Andreas Pecht

 
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