Kolumne Begegnungen regional
Thema Menschen / Initiativen
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2006-11-04 Begegnungen:
Ingrid Bátori und das Kulturleben

Begegnung XIV : Die ehemalige Koblenzer Kulturdezernentin über  die Vergangenheit im Amt, aktuelles Engagment für ihre Kulturstiftung und brennende Kulturprobleme
 
ape. Koblenz. Sie war von 1989 bis 1999 Kulturdezernentin von Koblenz. Wir trafen bei der  14. „Begegnung“ auf die Historikern und CDU-Politikerin Ingrid Bátori. Auch als Pensionärin zählt sie noch zu den kulturaktiven Persönlichkeiten dieser Stadt, die etwas bewegen wollen und auch bewegen.
 
 Wer Doktor Ingrid Bátori während ihrer Amtszeit erstmals begegnete, unterschätzte sie leicht. Wer näher mit ihr zu tun hatte, wusste bald, dass er eine gescheite Frau vor sich hat – die auch richtig „beißen“ kann. Wenn es sein musste, bekamen das selbst die Freunde von der CDU zu spüren, der sie erst später beigetreten ist. Was heute  undenkbar scheint, 1989 ging es noch: Eine in Koblenzer Politkreisen weitgehend unbekannte Parteilose wurde Dezernentin.

Bátoris Verabschiedung aus dem Amt zehn Jahre später zeugt von einer veränderten politischen Kultur: Die Dezernentenstelle wurde Handelsmasse im Politikgeschäft. Bei diesem Thema huschen Schatten über das Gesicht meines Gegenübers, denn damals fühlte sie sich auch von der eigenen Partei schofel behandelt. Doch die Frau ist hart im Nehmen – und sitzt heute, gar nicht mäuschen-brav, im CDU-Kreisvorstand. Weshalb man ja mal fragen kann, wer denn nach ihrem Dafürhalten alsbald Kulturdezernent in Koblenz sein wird. Da keckert die Dame schelmisch und skizziert ein Szenario, das vorführt, wie interessierte Kandidaten und vor allem Kandidatinnen sich im strategischen Kalkül verheddern. Gewinner wird sein … – Madame sagt es, nimmt mir aber ein diesbezügliches Schweigegelübde ab.

Ingrid Bátori, geboren 1938 in Prag; zur Schule gegangenen in Böhmen, Österreich, Deutschland; Studentin in Göttingen, Frankfurt, Wien. Journalistin hatte sie werden wollen, mit dem Feuilleton geliebäugelt, für einige Zeit als „Freie“ für Zeitungen und beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart gearbeitet. Es kam anders, denn eine  dreifache Mutter als Berufsanfängerin war damals beim Rundfunk keine Karriere-Kandidatin. Weshalb die seit 1964 mit Dr. phil. István Bátori verheiratete Frau und promovierte Historikern 1973 einen Forschungsauftrag der Universität Tübingen annahm.

Schon Bátoris Dissertation hatte ein urbanes Gemeinwesen zum Thema: Augsburg im 18. Jahrhundert. Nachher forschte sie über „Stadt in Spätmittelalter und Reformation in Süddeutschland“, publizierte Untersuchungen über Kitzingen und Nördlingen. Koblenz passt gut in diese Reihe historischer Mittelstädte. Und wie zuletzt beim Historiker Mario Kramp, droht auch diese „Begegnung“ sich in Geschichts-Exkursen schier zu verlieren. Wir sitzen am Kaffeetischchen eines Zimmers, das zwischen den Büros der Eheleute Bátori liegt. In dem Raum führen prall gefüllte Bücherregale und ein betagter Steinway-Flügel ein angenehmes Regiment. Eine Wand öffnet sich zur Terrasse, auf der noch einige Rosenblüten der herbstlichen Entlaubung trotzen.

Ingrid Bátoris Wurzeln liegen im bürgerlich-akademischen Milieu. Sie hat einst das Geigen-  und Klavierspiel erlernt, würde zu gerne ihren unlängst restaurierten Flügel spielen, aber die Fingergelenke wollen nicht recht. Ihr Herz hing schon vor und hängt auch nach den Dezernatsjahren an Kunst und Kultur. Bátoris jetziges Engagement gilt besonders der von ihr 1998 ins Leben gerufenen „Koblenzer Kulturstiftung“.  Im Gespräch mit  Jörg Assenmacher kam die schon Mitte der 90er die Stiftungs-Idee auf – als „Angebot an Leute, die keine Erben, aber Geld haben und es zu Lebzeiten oder nachher für einen kulturellen Zweck einsetzen wollen“.

STIFTUNG ALS GELDQUELLE FÜR KULTUFÖRDERUNG

Schon als Dezernentin fand sie den Gedanken an von wechselnden Haushaltslagen unabhängige Geldquellen für die Kultur bestechend. „Denn in den 90ern begann überall dieses schreckliche Sparen an der Kultur, obwohl die ohnehin bloß ein magerer Posten im Haushalt war“, sagt sie, und die Stimme gewinnt an Schärfe. „Du setzt dich täglich für die Kultur ein, stehst immer öfter mit dem Rücken an der Wand – weil dir überall das Geld fehlt, und weil so mancher Mitpolitiker wenig Verständnis für Kulturausgaben hat.“ Bátoris  Ausbrüche in Fraktion und Rat sind unvergessen: Wenn sie entnervt giftete „dann macht halt das Theater zu“, wusste man, dass eben das Maß voll war.

Statt Geschenken erbat sie zu ihrem 60. Geburtstag Geldspenden: 16 000 Euro brachte der Festtag. In der Folge „bin ich rund gegangen und habe die 100 000 Mark erbettelt, die für eine Stiftungsgründung nötig sind“. 130 000 Euro hat die ehrenamtlich geführte Kulturstiftung heute angelegt, kann mit Zinserträgen und Extraspenden jährlich 5000 bis 9000 Euro zur Kulturförderung in Kob〜lenz ausschütten. „Das ist nicht die Welt, ich weiß, aber manchem Projekt ist schon mit ein paar hundert Euro richtig geholfen.“

Ist der Markt in Koblenz für Stiftungen inzwischen nicht etwas eng? Allein Uni-Stiftung, Orchester-Stiftung und Kulturstiftung konkurrieren doch teils um dieselben Geldbörsen. Da gibt sich die Vorsitzende der Kulturstiftung gelassen: „So wird die Stiftungsidee weiter verbreitet. Man muss langfristig denken, die Idee auch denen nahe bringen, die vielleicht erst in 30 Jahren etwas zu vererben haben. Außerdem belebt Konkurrenz das Geschäft. Man muss sich immer etwas einfallen lassen, um an Stiftungsgelder zu kommen.“ Ihr jüngster Einfall heißt „Kultur-Aktie“. Das sind von Künstlern der Region entworfene Kunstdrucke, die in limitierte Kleinstauflage verkauft werden. Die „Kultur-Aktie 2006“ stammt von Heijo Hangen.

Worüber  möchte man mit einer Ex-Kulturdezernentin unbedingt reden? Über ihren Nachfolger. Doch dazu hat Ingrid Bátori spürbar keine große Lust. Fast scheint es, ihr gilt Nachfolgerschelte als unziemlich. Es bleibt bei einer allgemeinen Reaktion auf die Frage, ob heute die Handlungsspielräume von Kulturdezernenten nicht ohnehin gegen Null tendierten: „Man erreicht nur, was man erreichen will; man muss Ideen haben und man muss gute Ideen, die schon da sind, unterstützen.“ Und welche Ideen tragen Ingrid Bátoris Stempel? Und was ist von ihnen geblieben? Die Rede kommt, beispielsweise, auf die Internationalen Musiktage, auf die Koblenzer Kammerkonzerte, auf das Rhein-Museum, „das wir vom Totenbett geholt haben“, auf das Domizil von VHS und Musikschule an der Hövelstraße.

Mit Letzterem verbinden sich allerdings auch bittere Erinnerungen. Denn dass VHS/ Musikschule heute nicht in einem Neubau am Moselbogen residieren, sieht Bátori als eine der zwei schwersten Niederlagen ihres kulturpolitischen Lebens. „Diesen Neubau haben sie mir und dem OB im letzten Moment kaputt gemacht.“ Der andere Tiefschlag war „die Abwerbung von Georges Delnon nach Mainz“. Da selbst eine Dame von Welt für Schadenfreude anfällig sein kann, setzt Ingrid Bátori nach: „Ich habe es Zöllner gegönnt, dass er Delnon in Mainz nicht halten konnte; er hat ihn ja mit seiner Orchesterreform geradezu vertrieben.“


AUCH ANNEGRET RITZEL NACH KOBLENZ GEHOLT

Von der Vergangenheit des Theaters in seine Gegenwart: Wie Delnon, so hat Bátori auch Annegret Ritzel nach Koblenz geholt. Gefällt ihr, was sie heute im Stadttheater sieht? Auf diese Frage hatten zuletzt Herbert Grohe und Rolf Wegeler diplomatisch geantwortet: „Mal so, mal so.“ Ingrid Bátori lehnt sich überraschend weit aus dem Fenster: „Ja, mir gefällt, was ich sehe.“ Und damit keine Missverständnisse über ihre Stellung zur Intendantin aufkommen, schiebt sie nach: „Auch zu Houskas und Delnons Zeit beschwerten sich Theaterleute über ihren Chef. Im Theater treffen nun mal sehr empfindliche Menschen aufeinander.“ Dass unter Ritzels Ägide sich die Dinge etwas zuspitzen, liegt nach Bátoris Einschätzung vor allem an der gegenüber den Vorgängern relativ schwächeren Finanzkraft  des Theaters.

Welche Themen müssten naxch ihrer Ansicht inb Koblenz auf der kulturpolitischen Agenda ganz oben stehen? „Erstens braucht das Mittelrhein-Museum endlich eine Unterbringung, die seinen Sammlungen gerecht wird. Zweitens braucht die Stadtbibliothek eine Unterbringung, die zeitgemäßen Anforderungen entspricht.  Drittens braucht das Theater eine zweite Spielstätte, die das unsägliche Provisorium im Museum ersetzt.“ So Bátoris  Rahmensetzung, an der sich eine lange Unterhaltung entspinnt – über das Für und Wider der uralten Idee vom Theaterneubau gegenüber dem historischen Theater, des angedachten Kulturneubaus auf dem Zentralplatz oder eines Umzuges des Mittelrhein-Museums ins Schloss.

Als Abenddämmer sich ins Zimmer stiehlt, bedauert Ingrid Bátori eben die vertane Chance einer neuen Stadtbibliothek am Wöllershof. Zum Abschluss noch dies: „Schade, dass die Festungsspiele kaputt gemacht wurden. Was jetzt da geboten wird, ist Absinken ins Mittelmaß und bedeutungslos für das, was man erreichen könnte: überregionale Anziehungskraft statt bloß Vergnügung für die Koblenzer.“ Höre ich da Zorn oder Resignation? Beides wohl. Der letzte Eindruck indes ist ein kräftiger Handschlag und der nachdrückliche Hinweis auf die „Kultur-Aktie“.
Andreas Pecht

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