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2006-10-27:
„Die Türken kommen!“ nach Koblenz

Mittelrhein-Museum ist ältestes Museum der Stadt – Ab 24.11. Ausstellung über Orient-Sehnsucht in der Kunst
 
ape. „Die Türken kommen!“ lautet das Hauptmotto für die am 24. November beginnende  wichtigste Ausstellung der Saison im ältesten Koblenzer Museum, dem Mittelrhein-Museum. Das Motto meint nicht die Gegenwart, denn türkischstämmige Mitbürger sind längst selbstverständlich in der Rhein-Mosel-Stadt. Mit dem Ruf „Die Türken kommen!“ wurde 1683 die Stadt Wien alarmiert als ein 200 000 Soldaten zählendes Heer des Osmanischen Reiches gegen die Donaumetropole vorrückte. Mit der Belagerung Wiens erreichte eine bis dahin bereits 300-jährige Auseinandersetzung zwischen dem Vielvölker-Großreich der türkischen Sultane und den westeuropäischen Mächten ihren Höhepunkt. Die Osmanen wurden geschlagen, von da an ging es mit ihrer weltpolitischen Bedeutung bergab:  200 Jahre später sprach man vom „kranken Mann am Bosporus“. Und als im Juli 1867 Abdulaziz, der 32. Sultan, nach Paris und London auch Koblenz besuchte, kam er am Rhein mit Wilhelm I. nebst Gattin Augusta vor allem des Geldes wegen zusammen.

Die Ausstellung im Mittelrhein-Museum hat noch zwei Untertitel: „Exotik und Erotik – Mozart in Koblenz und die Orient-Sehnsucht in der Kunst“. Denn wo Mächte wie Westeuropa und das Osmanische Reich sich über Jahrhunderte  aneinander reiben, kommt es zwangsläufig zu wechselseitiger kultureller Beeinflussung. Sind die Kulturen dann auch noch so unterschiedlich, kennt die Fantasie der Zeitgenossen kein Halten.  Museumsdirektor Mario Kramp und Beate Dorfey vom Landeshauptarchiv Koblenz stellen deshalb eine Schau zusammen, die den Wandel des Türkenbildes in westlichen Köpfen seit der Belagerung Wiens an Hand von interessanten und erlesenen Exponaten von der Bildenden Kunst über kunsthandwerkliche Preziosen aus Tuch, Porzellan, Edelmetall bis hin zu Waffen  beider Parteien nachzeichnet.

Die Idee für diese Ausstellung entsprang dem Nachdenken darüber, was das Museum zum Mozart-Jahr 2006 beitragen könne. Am Beginn der Überlegungen stand Mozarts Oper „Entführung aus dem Serail“, mit der am 23. November 1787 das neue Koblenzer Theater eröffnet wurde. Ein Problem der damaligen Aufführung war: Woher die vorgesehene Janitscharen-Kapelle nehmen? Was sind überhaupt Janitscharen, wie sehen die aus? Der Ehrenbreitsteiner Hofmaler Steyreiff entwarf Kostüme, in die wurden Musiker des Kurfürsten Wenzeslaus gesteckt, denen man ungewohnte Instrumente in die Hand drückte. Mozarts „Entführung“ soll in Koblenz mit einem gewaltigen Dschingdarassabum von Janitscharen-Marsch über die Bühne gegangen sein. Dass dieser Auftritt osmanische Kulturrealität abbildete, darf bezweifelt werden. Wie überall im okzidentalen Europa wurde gezeigt, was die damalige Türkenmode für orientalische Kultur hielt.

Wieder eine Bürger-Initiative

Wir bleiben im 18. Jahrhundert und werfen einen Blick auf die Geschichte des Mittelrhein-Museums selbst. Als 1787 das Theater eröffnet wurde, war Joseph Gregor Lang gerade 31 Jahre alt. Ob der Neuendorfer Pastor, Pädagoge, Kunstsammler und Universalgelehrte Mozarts „Entführung“ sah, ist nicht bekannt. Ohne den 1834 verstorbenen Lang gäbe es jedoch wahrscheinlich kein Mittelrhein-Museum. Der Pastor nämlich vermachte  seine beträchtliche Kunstsammlung der Stadt Koblenz, auf dass die sie für alle Zeit pflege und ausstelle. Die „Langsche Gemäldesammlung“ und eine vom 1883 gegründeten Museumsverein zusammengetragene Sammlung mit Schwerpunkt Archäologie, Kunstgewerbe und Kunst aus der Region sind die Ursprünge des Mittelrhein-Museums.

Man muss das mal herausstreichen: Wie das Theater und das Musikinstitut, so ist auch das Mittelrhein-Museum historisch ein Produkt des privaten Engagements von Koblenzer Bürgern. Und wie im Falle der Festung Ehrenbreitstein, hat auch beim Musikinstitut und beim Museum der  Kultursinn vieler Koblenzer im Verbund mit außeramtlichem Kultursinn einiger rhein-preußischer UND etlicher französischer Beamter der Kultur in Koblenz wichtige Hilfen gegeben. Statt bei heimischer Geschichte allweil bloß an den kurtrierischen Fürstenhof zu denken, sollten die Koblenzer öfter mal ihrer bemerkenswerten Bürgertradition gedenken.
 
Die 170-jährige Geschichte des Mittelrhein-Museums ist eine Odyssee, eine Irrfahrt durch ständig wechselnde Domizile, Provisorien, Notunterkünfte. Erst das Jahrhunderthochwasser 1920/21 zwang die beiden Sammlungen (die Langsche und die des Museumsvereins) zur Vereinigung an einem endlich angemessenen Ort: im Koblenzer Schloss. Im Zweiten Weltkrieg in die Katakomben der Festung Ehrenbreitstein ausgelagert (und dort ziemlich gefleddert), wurden die Bestände vor vier Jahrzehnten ins Alte Kauf- und Danzhaus am Florinsmarkt umgesiedelt. Dort wartet das Mittelrhein-Museum mit seiner seit 1834 vielfach erweiterten Sammlung nun über Jahrzehnte auf ein größeres  Domizil.

Die Dauerausstellung des Museums kann nur Teile der Bestände zeigen, zu denen eine umfangreiche Skultpuren- und eine mehr als 10000 Blätter umfassende Grafiksammlung gehören. In der Gemäldesammlung sind Werke etwa von Valckenborch oder Januarius Zick, von Foelix, Beckenkamp oder Manskirch, aus den Schulen von Rembrandt oder Van Dyck vertreten. Natürlich gehören Rheinromantiker zum Bestand und auch Vertreter der klassischen Moderne. Mario Kramp nennt die Kunstsammlung „die bedeutendste zwischen Mainz und Bonn“. Sein Haus sieht er in einer „Balance zwischen Regionalmuseum und Kunstmuseum“, das „für die Region ein wichtiger Identifikationsfaktor sein kann“. Womit wir wieder bei der kommenden Türkenausstellung wären, die mit ihren Exponaten aus Wiener, niederländischen und eigenen Beständen manchen Bezug auch zur hiesigen Region herstellen will.

Fantasterei über den Harem

Das Interesse am Orient und die Türkenmode flammten nach der osmanischen Niederlage vor Wien so richtig auf. Die Bedrohung war weg, Gesandtschaften reisten nach Istanbul, brachten aus dem geheimnisvollen Land der Turbanträger und verschleierten Haremsdamen seltsame Kunde mit. Das Bild vom Krummsäbel schwingenden Heiden war bald passé. Die orientalische Kaffeekultur wurde adaptiert. In Wien, Venedig, Dresden, Berlin, Paris wurden orientalisch anmutende Kleidung, Accessoires, Einrichtungen chick. Die Vorlagen lieferte der Maler Van Mour, der als quasi erster westlicher Bildberichterstatter im Tross politischer Gesandtschaften die Türkei bereiste und seine Eindrücke in Gemälden festhielt. Eine ganze Generation westlicher Künstler und Kunsthandwerker orientierte sich an Van Mour, kopierte, variierte und fantasierte – am liebsten über jene sagenumwobene Einrichtung mit Namen Harem. Harems-Fantasien in der Kunst spielen in der Koblenzer Ausstellung eine große Rolle, werden ergänzt durch Einblicke in das wirkliche Leben am Sultanshof.

Fantasie und Realität spielen schließlich auch bei Mozart noch einmal eine Rolle. Wie hat Wolferl eigentlich ausgesehen? Mario Kramp und Beate Dorfey warnen: Die allseits bekannten Darstellungen etwa auf den Mozart-Kugeln rühren von Gemälden, die erst lange nach dem Tod des Genius entstanden sind. Das Mittelrhein.Museum wird nun ein zu Lebzeiten Mozarts gemaltes Porträt ausstellen, das dem tatsächlichen Aussehen des Meisters wesentlich näher kommen dürfte. Kleine Sensation: Dies Bildnis war bisher fast noch nie außerhalb Österreichs zu sehen, wird jetzt von der Gesellschaft der Musikfreunde Wiens zusammen mit anderen wertvollen Stücken – darunter originale Janitschareninstrumente –  nach Koblenz entliehen. Und wie sieht Mozart auf diesem Gemälde aus? Auf jeden Fall weniger hübsch als gewohnt.  

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Infos: „Die Türken kommen!“ 24.11.06 bis 18.02.07.; Mittelrhein-Museum Koblenz; Tel. 0261/1292520;

www.mittelrhein-museum.de
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