Thema Politik
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2006-10-25 Analyse:
Armee soll deutsche Interessen
in aller Welt schützen

Neues "Weißbuch" sieht Bundeswehr als globale Interventionsarmee
 
ape. Mit der Billigung des "Weißbuches zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr" stellt die Bundesrepublik ihre Militärpolitik auf eine neue Grundlage: Die Bundeswehr ist nun auch offiziell eine international agierende Streitmacht.
 
Die rund 130 Seiten des neuen Weißbuches sind überwiegend eine ziemlich dröge Lektüre. Sie führt den Leser weit in die Niederungen profaner Militärverwaltung, Verpflegungslogistik inklusive. Fast alles, was im Zusammenhang mit dem Titel der Strategieschrift spannend sein könnte, hüllt sich in Amtsdeutsch, Politdeutsch, oder begegnet einem als Binsenweisheit: "Sicherheitsvorsorge" bedeutet "künftig eine noch engere Integration politischer, militärischer, entwicklungspolitischer, wirtschaftlicher, humanitärer, polizeilicher und nachrichtendienstlicher Instrumente". Will wohl sagen: Bloß mit Soldaten und Kanonen sind Friede und Sicherheit nicht erreich- und nicht erhaltbar. Ach ja. War das denn jemals anders?

BEILÄUFIGE 180-GRAD-WENDE

Aber so leichtgewichtig, wie das Weißbuch auf den ersten Blick erscheint, ist es nicht. Denn festgeschrieben wird darin der völlige Abschied der Republik von der guten alten Bundeswehr als Armee zum Zwecke der Landes- und Bündnisverteidigung. Anders ausgedrückt: Mit diesem Weißbuch setzt die Große Koalition den von Rot-Grün mit dem Kosovo-Einsatz 1999 eingeleiteten Paradigmenwechsel in der deutschen Militärpolitik fort: Dass die Bundeswehr als globale Interventionsarmee verstanden wird, ist seit gestern offizielle deutsche Staatsdoktrin. Die schiere Beiläufigkeit, mit der dieser Kurswechsel vollzogen wird, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine 180-Grad-Wende handelt: Ein Jahrzehnte währendes bundesrepublikanisches Grundverständnis wird aufgegeben.

Im Moment lenkt vor allem der Umstand Aufmerksamkeit auf sich, dass das Weißbuch mit nebulösen Formulierungen Meinungsverschiedenheiten zwischen SPD und CDU in einem Punkt überspielt: Einsatz der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr im Inneren Deutschlands. Dafür möchten die Christdemokraten gern freie Bahn, während den Sozialdemokraten dieses Thema eher Bauchgrimmen verursacht. Sie würden wohl allenfalls einer stark gezügelten und streng reglementierten Einsatzmöglichkeit in Extremausnahmen zustimmen. Militäreinsätze als Instrument der Innenpolitik waren bislang in der Bundesrepublik Deutschland vor allem aus historischen Erfahrungen heraus ein Tabu. Ob ein Tabubruch in dieser Frage mehr Sicherheit oder nur eine stärkere Militarisierung der Zivilgesellschaft mit sich bringt, ist eine noch zu führende Diskussion.

Festzuhalten bleibt indes, dass die Wende weg von der Verteidigungsarmee und hin zur globalen Interventionsarmee gewissermaßen ein gemeinsames Kind von Rot-Grün-Schwarz ist. Wozu soll sie dienen, diese deutsche Globalstreitmacht? Das Weißbuch nennt an erster Stelle die Sicherung "außenpolitischer Handlungsfähigkeit". Was bedeutet, dass die Bundeswehr nunmehr ein Instrument deutscher Außen- und Weltpolitik wird. Besser gesagt: schon seit einer Weile ist. Denn das Weißbuch verleiht im Wesentlichen bloß nachträglich höhere Weihen für das, was schon seit Joschka Fischer deutsche Militärpolitik und -praxis ausmacht.

Der frühere Verteidigungsminister Struck setzte die Parole in die Welt, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt. Wer das für einen nassforschen Ausrutscher hielt, wird jetzt eines Besseren belehrt: Das Weißbuch erklärt Strucks Vorstoß quasi zu offizieller deutscher Politik - freilich durch die Blume. Danach verteidigt die Bundeswehr künftighin nicht Deutschland, sondern die "Werte und Interessen Deutschlands". Das ist ein gravierender Unterschied.

IM DIENSTE DER ÖKONOMIE

Und was sind das für Interessen? "Deutschland, dessen wirtschaftlicher Wohlstand vom Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen abhängt, hat ein elementares Interesse an einem friedlichen Wettbewerb der Gedanken, an einem offenen Welthandelssystem und freien Transportwegen." Der Bundesmarine beispielsweise fällt deshalb eine besondere Verantwortung für die Seeverbindungen zu - nicht nur in Nord- und Ostsee, sondern fortan auf allen sieben Weltmeeren. Nämliches gilt im Rahmen des vom Weißbuch selbst so genannten "umfassenden Sicherheitsbegriffes" natürlich auch für die Land- und Luftstreitkräfte.

Eine derartige Definition deutscher Sicherheitsinteressen auch als  militärisch zu schützende Wirtschaftsinteressen ist in der Geschichte der Bundesrepublik ein Novum. Dazu mag man stehen, wie man will - man sollte sich allerdings bewusst sein, dass dies haargenau der amerikanischen Definition für "amerikanische Sicherheitsinteressen" rund um den Erdball und selbst noch im Weltraum entspricht.
 
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