Kritiken Bücher
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2006-09-27 Buchkritik:
Mädchenträume aus der Puppenstube

Mit „Das Eva-Prinzip“ propagiert Eva Herman ein vorgestriges, realitätsfernes und diskriminierendes Frauenbild
 
ape. Eva Hermans Buch „Das Eva-Prinzip“ war vom Start weg ein Bestseller. Zugleich aber ist es auch das meistgescholtene Buch in diesem Herbst. Gescholten vor allem von Frauen, weil die vormalige Miss Tagesschau darin ihre Geschlechtsgenossinnen aufruft, den „Irrweg der Emanzipation“ aufzugeben und zur klassischen Rolle als Mutter, Hausfrau, Gattin zurückzukehren.   
 
Es wäre verfehlt, eine gesellschaftliche Debatte zu nennen, was Eva Herman mit ihrem Buch „Das Eva-Prinzip“ ausgelöst hat. Das große Rauschen im Blätterwald dieser Tage muss eher als kollektives Abwatschen der Autorin und ihres Plädoyers für eine angeblich „neue Weiblichkeit“ gedeutet werden. Zumindest ist derart einhellige Ablehnung eines „Frauenbuches“ durch Frauen aus dem öffentlichen Leben für die letzten drei Jahrzehnte nicht erinnerlich.

 „Suada zwischen Mutterkreuz und Steinzeitkeule“ verurteilte erwartungsgemäß Alice Schwarzer „Das Eva-Prinzip“. Schriftstellerin Karen Duve fand das Werk „zum Knochenkotzen“. Grünen-Chefin Claudia Roth schimpfte: „Wir brauchen keine Rücknahme der Emanzipation, sondern einen Schritt vorwärts“. Die Ablehnung ist bei weitem nicht nur in  links gestimmten Kreisen daheim: Eine „überholte Kamelle“ nannte der Verband deutscher Unternehmerinnen das Buch. Und  Katherina Reiche (CDU) hielt Frau Herman entgegen: „Der überwiegende Teil der jungen Frauen möchte Familie und Beruf in Einklang bringen.“

Ob rot, grün, schwarz, ob katholisch, protestantisch oder gar nichts, alle Welt zerbricht sich den Kopf über das wirkliche Problem: Wie kriegen wir es hin, Wirtschaft, Staat, Gesellschaft in eine Richtung zu verändern, die erstens Frauen auch realiter in gleiches Recht setzt und zweitens Kinderfreundlichkeit selbstverständlich werden lässt? Die Buchschreiberin ficht das  nicht an, sie zetert über „feministisch inspirierte Frauen“, die die Meinungsmacht im Lande hätten. Die „Millionen Hausfrauen und Mütter“, die nach guter alter Sitte leben, kämen nicht zu Wort, weshalb sie nun ihr Buch geschrieben habe.

Was Frau Herman darin ausbreitet, lässt sich auf etwa folgende Kernthesen reduzieren. 68er und Frauenbewegung hätten die (Klein-)Familie als Hort der Liebe und idealen Ort sozialer Erziehung zerstört. Erstes Werkzeug dazu sei die Lebenslüge von der Selbstverwirklichung der Frau durch Berufstätigkeit. Zweites Werkzeug sei die Ideologie der „Gleichheit“ von Mann und Frau. Beide Werkzeuge hätten die Frau von ihren natürlichen Anlagen, Fähigkeiten, Wünschen und Neigungen getrennt: Wo aber Frau nicht mehr Mutter und Nestpflegerin sein könne, höre sie auf Frau zu sein. Alle übrigen Krisen des menschlichen Miteinanders betrachtet Eva Herman als Folge der Wegentwicklung der Frauen von ihrer biologischen Bestimmung.

Schlussfolgerung und Programm für eine Bewegung der „neuen Weiblichkeit“, die die Autorin gerne ins Leben rufen möchte: „Ich würde mir einen Mann suchen, ihn arbeiten lassen und mich um unsere fünf Kinder kümmern.“  Basta. Die biologistische Betrachtungsweise von „Das Eva-Prinzip“ stellt alles, was Mutter und Kind voneinander trennt unter Generalverdacht: Krippen, Horte, Tagesmütter, Babysitter etwa. Sie mag auch von Softie-Männern nichts wissen, denn dem Manne sei ebenfalls seit Urzeiten eine natürliche Rolle zugewiesen: Zeuger, Versorger, Beschützer.
 
Die Lektüre von „Das Eva-Prinzip“ ist quälend. Nicht etwa, weil die Autorin darin das Gegenteil von dem postuliert, was sie selbst bisher als Karrierefrau gelebt hat. Umdenken, aussteigen, zu neuen Ufern aufbrechen wäre schließlich keine Schande. Das Quälende rührt daher, dass dieses Buch nicht sehr klug, aber sehr dogmatisch und sehr intolerant ist. Mit nervtötendem Missionierungseifer zieht Eva Herman für die „Rückkehr zur natürlichen Bestimmung“ von Frau und Mann zu Felde. Zum Beweis, dass unser urwüchsiges Sehnen ohnehin in Richtung Kleinfamilie mit klassischer Rollenverteilung gehe, lässt die Autorin regelrechte Schreckgespenster verbiesterter, frustrierter, durchgeknallter Emanzen und Karrierefrauen aufmarschieren.

Schließlich wird die Mär von den Millionen Hausfrauen und Müttern bemüht, die in aller Stille ihr Weiblichkeits-Glück leben oder davon träumen, derweil berufstätige Frauen und Feministinnen lautstark ihr naturwidriges Frauenverständnis als allgemeine Norm durchboxen. Eine aktuelle Forsa-Umfrage kommt zu einem anderen Schluss: Drei Viertel der Deutschen halten Hermans Frauenbild für falsch und überholt, in den neuen Bundesländern gar 92 Prozent.

Wirtschaftliche Zwänge für Lebensplanungen gibt es in diesem Buch so wenig wie das  Patriarchat. Als Entgleisung in Ausnahmen ausgeblendet wird, dass Familie vielfach auch Ort von Unterdrückung und Gewalttätigkeit ist. Dass die Berufstätigkeit der Frau in der Arbeitsbevölkerung seit eh und je völlig normal ist, davon weiß die Autorin nichts. Für sie hängt es am persönlichen Wollen, ob junge Menschen eine Art Kleinfamilie bilden können, die schon bei ihrer Erfindung im Biedermeier nichts mit der Lebenswirklichkeit der Bevölkerungsmehrheit zu tun hatte: Den ganzen Tag umsorgt die Frau liebevoll die Kinder, hegt und pflegt Nest und Ehemann.

Eva Hermans Familienbild hat mit Realitäten wenig zu tun. „Das Eva-Prinzip“ walzt Mädchenträume von Puppenstubenidyllen aus. Also alles Unfug? Nicht ganz. Es wird bisweilen der Finger auf tatsächlich wunde Punkte gelegt. Etwa, dass Kitas und Kindergärten vielfach schlecht ausgestattet sind und es oft an qualifiziertem Personal mangelt. Oder, dass viele Frauen mit den multiplen Anforderungen aus Beruf und Familienleben überfordert sind. Allerdings zielen solche Befunde bei Frau Herman nicht auf Änderung der Bedingungen ab, sondern einzig auf Diskreditierung der Frauenemanzipation, vor allem der berufstätigen Mutter als Unding wider die Natur.
Andreas Pecht
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken