Kolumne Begegnungen regional
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2006-09-01 Begegnungen:
Mario Kramp und das Populäre

Begegnung XII: Der Leiter des Koblenzer Mittelrhein-Museums über Ausstellungen, Selbstverständnis und Standortfragen

 
ape. Koblenz. Es ist der Senior unter den Koblenzer Museen, das Mittelrhein-Museum. Im Krieg vom Schloss auf den Ehrenbreitstein ausgelagert, vor 40 Jahren an den Florinsmarkt umgesiedelt, wartet es dort fast ebenso lange schon auf den Umzug in ein größeres Domizil. Plauderei mit dem Leiter  Mario Kramp über Freud und Leid städtischer Museumsarbeit.
 
Mario Kramp würde am liebsten über "Die göttliche Jette" sprechen. Würde gerne für die eben in seinem Museum eröffnete Ausstellung über jene vor 200 Jahren in Koblenz geborene Frau, die nachher als Sängerin weltberühmt wurde, werben. Mich interessiert jedoch mehr, wie weit die Türken schon auf Koblenz vorgerückt sind. Der 1961 in Euskirchen geborene Leiter des Koblenzer Mittelrhein-Museums stutzt einen Moment, ist aber schon im nächsten kaum mehr zu bremsen. Denn mit dem Ruf "Die Türken kommen" kündigt sich sein nächstes Projekt an, das ab November "unsere größte Sache in diesem Jahr wird", wie Kramp vorab-begeistert ausführt.

Diese Schau - im Untertitel "Mozart in Koblenz und die Orient-Sehnsucht in der Kunst" genannt - sollte ursprünglich Teil des großen Koblenzer Gemeinschaftsprogrammes zum Mozart-Jahr sein. Das Ungemach mit diesem Programm ist inzwischen Geschichte. Wie andere Mozart-Aktivitäten auch, wird sich die Türken-Ausstellung im Alleingang behaupten. Orient, Mozart, Koblenz? Wie passt das zueinander? Kramp skizziert ein Konzept, das bei den "Türken vor Wien" beginnt und beim Besuch des Sultans (hätten Sie"s gewusst?) 1867 in Koblenz endet. Das Museum will die damalige Entwicklung von der Türken-Angst zur Orient-Begeisterung in Mode und Kunst verdeutlichen. Dahinein passt auch die Mozart-Oper "Entführung aus dem Serail", mit der 1787 das neue Koblenzer Theater eröffnet wurde, dahinein passt ...

Die "Begegnung" läuft Gefahr, sich in hitziger Detaildiskussion zu verlieren. Die historischen und kunsthistorischen Verbindungen zwischen "hier" und dem Orient faszinieren halt beide Gesprächspartner. Ordnungsruf also! Und an Kramp die Frage, ob er heuer nicht zu sehr auf populäre Publikumsbringer setzt. Erst "Mord im Museum", dann Dalí, jetzt Jette, nachher noch Exotik und Erotik der Orient-Mode: Hab" ich doch den Kramp-Satz im Ohr, dass platter Populismus seine Sache nicht sei.

Jetzt wird"s ernst. "Populismus kommt für mich tatsächlich nicht in Frage. Ausstellung als bloße Show ohne richtige Substanz, das kann ich nicht", sagt der Museumsmacher, der 2002 seinen Dienst in Koblenz antrat. Etwas ganz anderes sei es allerdings, und dazu stehe er, "komplexe Inhalte populär zu vermitteln. Und wenn die Substanz stimmt, darf der Titel auch ein bisschen reißerisch sein". Kulturstaatssekretär Hofmann-Göttig wird es gerne hören, da er ein Freund "niedrigschwelliger Angebote" ist. Doch möchte man dem Politiker und dem Museumsmann zu bedenken geben: Dem Gefälligen wohnt die Tendenz inne, sich als Maß der Dinge im Geschmacksempfinden einzunisten und dort die Neugier aufs Anspruchsvolle eher zu ersticken als zu fördern. Siehe Entwicklung des Fernsehens und des Fernsehkonsums.

Mario Kramp widerspricht nicht, im Gegenteil: "Ja, die Maßstäbe können verloren gehen." Würde er sich in diesem Sinne nachträglich von einer seiner Ausstellungen distanzieren wollen? Das nun nicht, "aber es gibt immer wieder ein Ringen um die eigenen Qualitätsansprüche", so Kramp. "Die Dalí-Ausstellung beispielsweise, das war eine grenzwertige Sache. Einfach irgendeine Dalí-Schau als Publikumsmagnet hätte ich nicht gemacht." Den Ausschlag, Dalí doch zu bringen, sieht er in diesem Fall bei drei Qualitätsmerkmalen: Bei den Exponaten handelte es sich um eine geschlossene Sammlung aus rheinland-pfälzischem Privatbesitz; um eindeutig zuordenbare, "echte" Dalí-Werke; um schlüssige Werkzyklen.

MITTELALTER ALS GROSSTHEMA

Gibt es ein Ausstellungsthema, das ihm persönlich für die nächsten Jahre ganz besonders am Herzen läge? "Aber sicher: Mittelalter am Mittelrhein." Und gleich stecken wir wieder in einer aufregenden Einzeldiskussion. Dem Mittelalter galt schon das Interesse des Aachener Kunst- und Kunstgeschichtestudenten, des in Paris, später in Köln arbeitenden Doktoranden Kramp. Sein bislang wichtigstes "Werkstück" in dieser Sparte lieferte er im Jahr 2000 ab als Kurator der viel beachteten Aachener Ausstellung über Karl den Großen. "Mittelalter am Mittelrhein", das brennt Kramp auf den Nägeln, für 2008 denkt er an eine Realisierung des Projektes - vor dem "ich allerdings auch Angst habe".

Warum das? Weil der Mittelrhein mit seinen Burgen, Schlössern, Sagen zwar als archetypische Mittelalterlandschaft gilt, dieses Bild jedoch vom Blickwinkel der Romantik geprägt ist. "Über das tatsächliche Mittelalter am Mittelrhein wissen wir im Hinblick auf die Kunstgeschichte furchtbar wenig", so Kramp bekümmert. Was bedeutet, dass für dieses Ausstellungsprojekt noch erheblicher Forschungsbedarf besteht. Da nach seinem Verständnis "das Mittelrhein-Museum zuständig ist für das hiesige Weltkulturerbe", ist er aber schon mal initiativ geworden, hat "Mittelalter-Fühlung" mit dem Rhein-Museum in Bingen aufgenommen.

Mit ins Boot muss auch das Landesmuseum auf der Festung Ehrenbreitstein, sage ich. "Selbstverständlich", sagt er. Kurz gegrübelt, sollte man festhalten: Kramps Idee skizziert eine lohnende und wichtige Großaufgabe für eine Kooperation aus Museen, Land, BSA und Welterbeverwaltung. "Mittelalter am Mittelrhein" könnte durchaus als Folgeprojekt zur großen Konstantin-Ausstellung in Trier ins Auge gefasst werden. Damit wäre ein interessanter Stein des Anstoßes gefunden; mal schauen, ob wir ihn ins Rollen bringen.

Ein anderer Stein schien 2005 bereits in Bewegung: Befreiungsschlag für das räumlich so beengte Mittelrhein-Museum im Zuge einer "großen Lösung" für den Zentralplatz. Der Brocken liegt, so scheint"s, inzwischen wieder starr und stumm. Skeptiker halten nunmehr eine "kleine Lösung" mit Sandkasten, Touristenkiosk und Stehcafé für wahrscheinlicher als einen herzeigbaren Kulturkombibau. Den Schuh mag Kramp sich öffentlich nicht anziehen, aber entschiedener Widerspruch klingt anders als: "Offiziell gilt die große Lösung noch. Die Ausschreibung zum Architektenwettbewerb läuft." Aber wird das Ding auch gebaut? Da schlägt der Museumsleiter die Hände überm Kopf zusammen: "Das fragen Sie m i c h, Herr Pecht? Ich hatte gehofft, S i e können mir sagen, ob die das bauen."

MIT WEHENDEN FAHNEN INS SCHLOSS

Mal angenommen, das wird nichts mit dem Zentralplatz. Könnte sich Kramp vorstellen, mit seinem Museum ins Koblenzer Schloss umzuziehen, quasi heimzukehren ins Vaterhaus? "Jawohl, und zwar mit wehenden Fahnen! Denn das Schloss hat drei entscheidende Vorteile: Es steht schon, es ist ein hervorragender Bau, und es liegt am Rhein." Als Teil der Mosel-Rhein-Promenade, über die jeder Koblenz-Besucher spaziert, wäre es idealer Standort für ein Museum, in dem Kunst, Kultur und Geschichte von Stadt und Welterberegion eine so große Rolle spielen.

Mehr Platz, dann könnten endlich auch die Stücke aus den Depots gezeigt werden. Von denen geht in Koblenz seit jeher die Legende, das seien ganz unglaubliche Schätze. Mal Hand aufs Herz, Herr Kramp, was ist dran an der Mär? Sind Ihre Depots so was wie die geheimen Schatzkammern der Eremitage? "Ach was, es schlummern keine 20 Rubens-Gemälde im Keller, und der Marktwert unserer Bestände geht gewiss nicht in die Milliarden. Wir haben keine Sammlung von Weltniveau, aber eine von Niveau und mit erheblicher Aussagekraft. Wir haben in der Tat mehr, als wir zeigen können, und vieles davon ist noch nicht erforscht. Daran arbeiten wir." Der Museumschef verweist - wie bei einer früheren "Begegnung" schon seine Kollegin Beate Reifenscheid vom Ludwig Museum - auf eine in Koblenz verbreitete Eigenart, um nicht zu sagen Unart: "Man will hier für möglichst wenig Geld die weltbedeutende Riesennummer, andernfalls wendet man sich desinteressiert ab."

Auf welcher Ebene siedelt Mario Kramp sein Museum an? "Es wäre Unsinn, in der Liga Frankfurter Städel oder Deutsches Historisches Museum mitspielen zu wollen. Das ist auch, aber nicht nur eine Frage des Etats und der baulichen Situation. Mein Ansatz geht in zwei Richtungen. Erstens hat das Mittelrhein-Museum die bedeutendste Kunstsammlung zwischen Mainz und Bonn; mit diesem Pfund gilt es zu wuchern. Zweitens kann dieses Museum eine große Rolle bei der Identifikationsstiftung für Stadt und Region spielen."

Wenn man ihm die Möglichkeit gibt. Gibt man? Abwarten, ob sich etwa Kramps Wunsch erfüllt: Im Buga-Jahr 2011 zu seinem 50. Geburtstag einem neuen, größeren, lichteren Mittelrhein-Museum vorzustehen. "Meine Arbeit macht mir viel Spaß, aber es zehrt an den Kräften, wenn nicht entschieden wird, was als Problem schon vor Jahren im Bewusstsein angekommen ist oder sein sollte."
 
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