Thema Menschen / Initiativen
Thema Gesellschaft
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2006-08-21 Feature:
Europas Wissen neu entdecken -
Ein Studium Generale in der Freizeit

"Marienberger Akademie" bestand Feuertaufe  - 80 Teilnehmer nahmen  den ersten Durchlauf des Bildungsangebotes von Bürgern für Bürger wahr  - Eine Nachfrage
 
ape. Bad Marienberg.  Kopernikus, Galilei, Newton, Kant, Nietzsche, Marx: Was haben die Denker des Abendlandes Neues gebracht? Die Seminare der "Marienberger Akademie" geben die Antwort. Bildungshungrige aller Altersklassen treffen sich hier im Westerwald, um das Wissen Europas neu zu entdecken.

„Keine Vertragsbindung, jeder kann jederzeit aussteigen – aber niemand wird es wollen.“ So sicher war Barbara Abigt im Herbst 2005, dass das neue Bildungsangebot ihres Vereins „Marienberger Seminare“ auf  Gegenliebe stoßen würde. Sie behielt recht: Während 31 Sitzungen hat kein einziger Teilnehmer die Freude am privaten Studium Generale über Grundzüge der menschlichen Kulturentwicklung verloren.
 
 „Auf so etwas habe ich doch nur gewartet“, erinnert sich Sibylle Ströder aus Montabaur an ihre Reaktion, als sie im vergangenen Jahr aus der Zeitung von einer „Orientierungsreise durch die Kultur- und Geistesgeschichte des Abendlandes“ las. „Die grauen Zellen in Schwung bringen. Einen roten Faden finden durch das Teil- und Halbwissen, das man im Kopf hat, das wäre schön.“ Also meldete sie sich für den ersten Durchgang der „Akademie“ genannten jüngsten Sonderreihe der seit 1987 im Westerwald aktiven Marienberger Seminare an, fuhr fortan wöchentlich mittwochs nach Bad Marienberg. 31 Abende zwischen November 2005 und Juli 2006, denn 31 Sitzungen/Kapitel umfasst der Grundlagenkurs dieser in Deutschland eher ungewöhnlichen privaten, aber nichtkommerziellen Bildungsinitiative.

Dort traf die 62-Jährige auf rund zwei Dutzend Gleichgesinnte. Etwa auf den Gymnasiasten Gerrit Klein; der Jüngste in der Runde übernahm auch gleich den Tonmitschnitt der Seminarabende. Oder auf die 22-jährige Friseurin Ilka Reiter, die sich oft ärgerte, dass interessant beginnende Gespräche rasch versanden, weil man von vielem nichts oder nur ein bisschen weiß. Oder Rolf Steup, bis zur Pensionierung leitender Angestellter einer Krankenkasse. „Während meines Berufslebens war ich zeitlich sehr eingeengt“, sagt er. Der 66-Jährige kam zur „Akademie“, um jetzt, da er mehr Zeit hat,  sein Allgemeinwissen aufzufrischen, seine Allgemeinbildung zu erweitern. „Ich habe schon eine Menge gewusst, viele Einzelaspekte, aber irgendwie fehlte immer der große Zusammenhang.“  

Die Akademie-Teilnehmer kommen aus fast allen Altersklassen, aus unterschiedlichen Berufen und Lebensumständen,  bringen verschiedene Bildungshintergründe mit - und verfolgen doch ein gemeinsames Interesse: Ganz privat, ganz freiwillig und vornehmlich zur Erweiterung der persönlichen Horizonts wollen sie lernen, wollen sich bilden. Die großen Zusammenhänge für jedermann verständlich darzustellen, das verspricht die „Akademie“. Sie will eine grobe Orientierungskarte für die Kultur- und Geistesentwicklung von der Steinzeit über Antike, Mittelalter und Aufklärung bis ins Industriezeitalter und in die Computerepoche liefern. Basiswissen aus unterschiedlichen Disziplinen und der  fächerübergreifende Blick darauf wird in Aussicht gestellt, von der Kunst- und Sozialgeschichte über Psychologie und Philosophie bis zu Naturwissenschaft und Politik.

ERWARTUNGEN WURDEN ERFÜLLT

Erfüllte die „Akademie“ im ersten Durchgang diese Ansprüche? Die Frage geht auch an Elisabeth Postupa. Die Apothekerin und Hausfrau gehört zu jenen knapp 50 Teilnehmern, die von ferne,  quasi im Heimstudium mitgemacht haben.  31 Wochen lang bekam sie das reich bebilderte Skript zum jeweiligen Thema und auf CD den Tonmitschnitt des dazugehörigen Abendvortrags in Bad Marienberg per Post nach Hause geschickt. „Meine Erwartungen  haben sich voll erfüllt. Wie hier die Verbindungen zwischen den Fächern hergestellt werden, Wissen unter einem großen Dach geordnet wird, und das alles auf sehr gut verständliche Art, das ist einfach toll,“ begeistert sich die 57-Jährige.

„Ich freue mich richtig, wenn ich jetzt häufig unterwegs oder in den Medien Dinge wieder erkenne, von denen ich bei der Akademie gehört habe.“ Frau Postupa verweist etwa auf  Prospekte von Maria Laach, dem Kölner Dom oder romanischen Kirchen im Westerwald, die sie von Ausflügen mitbrachte. Die hat sie nun in einem Ordner gesammelt, in dem die 31 Skripte der Akademie gewissermaßen das Register bilden. Wie ging das mit dem Lernen allein daheim? „Für mich war das genau das Richtige: Freie Zeiteinteilung, mal beim Bügeln ein Kapitel auf CD anhören, ein andermal Konzentration auf das schriftliche Material. Und je nach Lust, Laune oder Anlass auch zurückblättern, frühere Abschnitte rekapitulieren.“ Elisabeth Postupa erlebt die „Akademie“ als nachhaltigen „Anreger, weiter zu gehen, neue Interessen und eine neue Aufmerksamkeit zu entwickeln. Da entsteht ein Netz aus Wissen, das ich immer weiter knüpfen kann.“

Sabrina Klein, 20-jährige Studentin an der Uni-Koblenz, ist ebenfalls Fernteilnehmerin. Sie zieht sich die Marienberger Akademievorträge schon mal beim Autofahren rein. CD in den Player und ab geht die interdisziplinäre Reise zur Politik in der Antike, zu Kopernikus, Galilei und Newton, zu Reformation, Aufklärung und Revolution, zu Architektur und Malerei von einst bis heute... Warum neben dem regulären Studium noch das Marienberger Studium Generale? „Wegen der Allgemeinbildung, wegen des Generalismus-Ansatzes, weil Schule und Uni zwar sehr viel Wissen im Einzelnen vermitteln, die Fach-übergreifenden Vernetzungen aber manchmal zu kurz kommen.“  Die angehende Lehrerin spricht vom Interesse an Mythologie und Philosophie, von der Faszination alter Geschichte. Sie spricht von der „ständigen Lust auf mehr“ und meint nicht Gummibärchen, sondern das Bedürfnis nach Wissen und Verstehen – das, einmal geweckt, sich für immer neue Fragen begeistere.

MAN LIEST JETZT ANDERS ZEITUNG

Bildung bereichert das Leben und verändert den Blick auf die Welt. Das ist kein hübscher Allgemeinplatz, sondern eine Erfahrung, die alle Teilnehmer der Marienberger Akademie – ob am Ort oder in der Ferne – bestätigten, mit denen wir nach Abschluss des Grundkurses sprachen. Man lese anders Zeitung als früher: Detail-genauer, kritischer, mit- und weiterdenkend, erklären Ströder, Klein und Postupa übereinstimmend. Man stellt sich sein Fernsehprogramm noch gezielter zusammen, weiß Steup. Man interessiert sich für Dinge, die einem früher selbst bei direkter Draufsicht nicht einmal ins Auge fielen.

Und: Die Art wie bei der Marienberger Akademie Bildung von statten geht, wie Wissensstoff hier von Akademikern verständlich an „Normalsterbliche“ vermittelt wird, macht offensichtlich Spaß. Kein Teilnehmer ist vom Grundkurs abgesprungen, 85 Prozent haben bereits nachfolgende Vertiefungsseminare gebucht: Psychologie/Soziologie sowie Literatur beginnen eben, Politik und Kunstgeschichte folgen im Frühjahr 2007. Dann wird der gerade laufende zweite Grundlagenkurs am Ort beendet sein und Nummer drei beginnen können: 31 Kapitel an 31 Abenden für jedermann und für kleines Geld. Von Terminen völlig unabhängig sind angehende Fernteilnehmer, wo immer sie auch zuhause sein mögen: CDs und Skripte liegen abrufbereit, der Einstieg ins Abenteuer Bildung ist jederzeit möglich.
Andreas Pecht
---------------------------------------------------------
Früherer Artikel über Marienberger Akademie:

 2005-10-14 Feature:
Westerwälder Verein bietet  Studium Generale für jedermann über 

abendländische Kulturgeschichte 
---------------------------------------------------------

Infos: www.marienberger-akademie.de, Telefon 02661/6702

---------------------------------------------------------

Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken