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2006-07-12 Geschichte:
Demobilisierte Kriegsmaschine über
dem Deutschen Eck zu Koblenz

Die Geschichte der Festung Ehrenbreitstein und ihre Bedeutung in der Gegenwart
 
ape. Koblenz. Wohin treibt es den Ausflügler, Urlauber, Bildungsreisenden zuerst, sobald seine Route Koblenz berührt? Ans Deutsche Eck – die Stelle, an der die beiden wohl meist besungenen, meist bedichteten und meist gemalten deutschen Flüsse sich vereinen: Rhein und Mosel. Die Landspitze am Zusammenfluss ist das weltweit bekannte Wahrzeichen der 2000-jährigen Stadt. Sie wird beherrscht vom Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. auf monumentalem Steinsockel. Neben Flüssen und Denkmal prägt eine dritte Komponente die von geschichtlicher Bedeutung aufgeladene Örtlichkeit: ein gewaltiger historischer Baukomplex an den Flanken und auf der Höhe des Berges gegenüber. Dorthin, auf die andere, die rechte Rheinseite, richtet sich der Blick vom Deutschen Eck aus zwangsläufig. Und manchem Besucher entfuhr beim ersten Hinschauen schon die Frage „Was ist denn das für ein seltsames Schloss?“ oder die Bemerkung „das ist aber wahrlich eine riesige Burg“.
 
Der Komplex hat tatsächlich etwas von einem Schloss – denn die Weitläufigkeit der Anlage mit ihren teils gelb und rot abgesetzten Fassaden und Gebäuden im klassizistischen Stil strahlt auch repräsentative Erhabenheit aus. Er hat ebenso etwas von einer Burg – das wehrhafte Herauswachsen aus dem Felsen und die beherrschende Höhenstellung sprechen dafür. Indes: Was da vom Deutschen Eck aus gesehen das Gesichtsfeld schier ausfüllt, ist oder besser: war in erster Linie eine  Kriegsmaschine: die Festung Ehrenbreitstein. Auf drei Seiten von Steilhängen geschützt, erstreckt sie sich stufenartig ansteigend bis hinauf aufs fast 200 Meter hoch gelegene Plateau. Die gewaltige Wehranlage umfasst, durchdringt und krönt den gesamten Berg.

Ursprünglich von den Trierer Erzbischöfen und Kurfürsten im 11. Jahrhundert als allein stehendes Bollwerk und Machtzentrum gegründet, wurde die Festung Ehrenbreitstein im 19. Jahrhundert quasi Flaggschiff eines der bedeutendsten Festungsringe Europas, von den Preußen um den Zusammenfluss von Rhein und Mosel angelegt: die so genannte „Festung Koblenz“ mit dazugehörigen Wehranlagen wie Arzheimer Schanze, Fort Asterstein, Feste Franz oder Fort Konstantin in anderen Stadtteilen beiderseits des Rheines und beiderseits der Mosel. Als ganzes war der Koblenzer Festungsring zentrales Teilelement einer übergeordneten Festungslinie, die sich von Wesel und Jülich über Köln, Luxemburg, Koblenz und Mainz bis nach Rastatt erstreckte. Wozu der Aufwand? Wegen „des Feindes“, was dazumal in den preußischen Rheinprovinzen gleichbedeutend war mit: „wegen der Franzosen“.

Zurück nach Koblenz. Als Kriegsmaschine längst ausgemustert, bildet die Festung Ehrenbreitstein zusammen mit dem Deutschen Eck ein beeindruckendes  landschaftliches wie kulturhistorisches Großensemble. Dieses stellt zugleich das „nördliche Tor“ des 2002 zum Unesco-Welterbe erklärten „Oberen Mittelrheintales“ dar. Seit im Juni 2005 der römische Grenzwall Limes Unesco-Welterbe wurde, darf der oder die Ehrenbreitstein (umgangssprachlich für Berg und Festung) als Bindeglied zwischen beiden Welterbestätten gelten. Die Festung ist heute nicht nur imposantes Zeugnis einstiger Festungsarchitektur, sondern zugleich ein wichtiges ziviles Zentrum vielfältiger touristischer, kultureller und wissenschaftlicher Nutzung. Landesmuseum, Zentrale und Besucherdienst der rheinland-pfälzischen Burgen, Schlösser, Altertümer, Außenstelle der archäologischen Denkmalpflege des Landes, Jugendherberge und Restaurationsbetriebe haben in Kasematten, Bastionen, Residenzgebäuden Domizil und Aktionsraum gefunden. Die einstige Wehranlage dient als Veranstaltungsort für Ausstellungen, Konzerte, Pop-Festival, Theateraufführungen. Die vormalige Kriegsmaschine hat sich seit Ende des Zweiten Weltkrieges zur Friedensanlage, zum Kulturzentrum gewandelt. So schlägt die Festung Ehrenbreitstein die Brücke zu den Künstlern des 19. Jahrhunderts, zu den Rheinromantikern, die wie der Maler William Turner nicht die bedrohliche Militärpotenz des gewaltigen Gemäuers auf schroffem Fels empfanden, sondern die Fantasie-anregende Poesie und Ästhetik dieses Ortes.

Doch steht der Betrachter am Deutschen Eck und schaut über den Rhein hinüber zum Ehrenbreitstein, kann er ebenso leicht nachvollziehen, wie bei diesem Anblick in früheren Jahrhunderten heranziehenden Armeen zumute gewesen sein muss: mulmig, wenn die Soldaten daran dachten, diese Festung von Süden, Westen oder Osten her über die felsigen, obendrein mit Verteidigungseinrichtungen gespickten Steilhänge erstürmen zu müssen. Folgen wir den „feindlichen“ Kundschaftern auf ihrer Suche nach einer Stelle, an der die scheinbar uneinnehmbare Festung doch geknackt werden könnte. Die Suche führt an die Nordseite hoch oben auf dem in Richtung Westerwald weisenden Plateau. Wo heute der Besucherparkplatz liegt, lässt sich auf den ersten Blick erkennen: Die fast ebenerdige, offene Geländestruktur hier ist die natürliche Schwachstelle der Festung Ehrenbreitstein.

Das war den Preußen klar, als sie 1816  auf den Ruinen der Vorläuferfestung mit dem Bau ihrer neuzeitlichen Anlage begannen. Vollendet war sie 1834 und hat ihre „preußische“ Gestalt bis auf den heutigen Tag behalten. Die Schwäche der Nordseite lag  allen Hausherren schwer im Magen, die hier schon seit dem 10. Jahrhundert vorübergehend oder ständig Domizil bezogen. Mittelalterlicher Keim der späteren Festung war wohl die Burg eines Herrn Ehrenbert oder Ehrenbrecht. Dessen Name ergab in Verbindung mit dem steinigen Grund, auf dem sein Turm mit Ringmauer  stand, vermutlich die Lokalitätsbezeichnung „Ehrenbreitstein“.  Im Jahr 1020 nahmen  neue Herren das Anwesen in Besitz: die Erzbischöfe von Trier, denen vom Reich die Hoheit über den Mittelrhein zugesprochen war. Von da an wuchs und wuchs die Burg – zum wehrhaften Machtzentrum der trierischen Bischöfe und Kurfürsten im nordöstlichen Teil ihres Herrschaftsbereiches. Mitte des 12. Jahrhunderts ließ Bischof Hillin einen gewaltigen Bergfried erbauen – und die Nordflanke seines Anwesens durch den nach ihm benannten Hellengraben sichern.

Es folgen Ausbau um Ausbau. 400 Jahre später passt der Trierer Erzbischof Richard von Greiffenclau den gesamten Festungsbau der Entwicklung in der Artillerietechnik an: dem Wandel vom Steinkatapult zur Pulverkanone.  So entsteht an der Nordseite ein weiterer, tieferer Graben, an den sich eine hohe und starke Wehrmauer anschließt. Greiffenclau bestückt die Ehrenbreitstein mit allem, was das frühe 16. Jahrhundert an Waffentechnik zu bieten hat. Darunter der „Vogel Greif“, die mit 200 Zentnern Eigengewicht seinerzeit größte Kanone Europas, die 75 Kilogramm schwere Eisenkugeln verschießen konnte. Flanken deckende Bastionen, taktisch vorgelagerte Wehranlagen, systematische Schussfeldaufteilung und im rückwärtigen Festungsraum eine ausgeklügelte Gefechtslogistik… verknüpfen sich erstmals zur militärischen Raffinesse einer zeitgenössischen Festungsanlage, die nachfolgende Generationen von Trierer Kurfürsten und schließlich die Preußen immer weiter perfektionieren. Eine Kriegsmaschine eben.

Deren ganze Wucht und kalte Logik offenbart sich auch heute noch bei der Annäherung von Norden. Durchs Grabentor die preußische Festung betretend, steht der Besucher meterdicken, himmelhohen, bedrohlichen Wehrmauern gegenüber. Graben, Mauer. Noch ein Graben, noch eine Mauer. Und dahinter das gleiche noch einmal. Durch Tunnel, Brücken, Tore ebenso verbundene wie verschließbare Verteidigungslinien, an denen hunderte, tausende Angreifer sich festrennen konnten – von vorne, hinten und von den Seiten aus unzähligen Schießscharten mit Gewehr- und Kanonenkugeln beharkt, von unten durch Minentunnel, von oben durch Mörsergranaten bedroht. Was der Nordseite an natürlichem Schutz mangelt, dafür schuf Menschenhand tödlichen Ersatz.

Das Labyrinth der nördlichen Befestigungen überwunden, öffnet sich dem Besucher überraschend die lichte Weite des Oberen Schlosshofes. Urplötzlich verliert die Festung Ehrenbreitstein dort ihren martialischen Charakter. Hübsch herausgeputzt, wecken die Gebäude an den Rückseiten der Wehrmauern erneut den Eindruck einer schlossartigen Residenz, der sich schon beim Blick vom Deutschen Eck aus einstellte. Und tatsächlich war die Ehrenbreitstein ja immer auch Residenz – für die  erzbischöflichen Herren aus Trier so sehr, dass sie ihre wichtigste Reliquie, den Heiligen Rock, mehrfach für lange Zeit auf den Ehrenbreitstein überführten. Mancher Trierer mochte gleich gar nicht mehr nach Hause gehen. Etwa Erzbischof Arnold II., der sich schon im 13. Jahrhundert einen Rüffel seines Domkapitels einfing, weil er die Ehrenbreitstein „quasi pro domicilio“ bewohne, also beinahe als sein eigentliches Heim betrachtete.             

Doch der schier liebliche, zivile Eindruck, den man auf dem Oberen Schlossplatz gewinnt, täuscht. Schon die Namen der umliegenden Gebäude sprechen ihre eigene Sprache: Hohe Ostfront (heute Landesmuseum) , Rheinbastion (heute Zentrale von Burgen, Schlösser, Altertümer), Terrassenbatterie (heute ein Restaurant) verweisen auf vormals militärische  Zwecke. Je näher man auf dem Ehrenbreitstein den Details tritt, umso deutlicher wird: Kaum ein Loch, ein Stein, ein Gang, ein Treppenhaus, ein Wiesenstück, die nicht militärischen Zwecken untergeordnet waren. Schnuckelige Mannschaftsstuben mit Kochstelle entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Geschützstellungen, vermeintliche Speise- oder Weinkeller als Pulverlager. Im Gießhaus wurden nicht Blumen, sondern Kanonen gegossen. An manchem Wandhaken hingen dereinst statt Schinken Seilzüge, um Kanoniere mit Munition zu versorgen. Viele begrünte Mauerkronen und Dächer wurden zwar auch als Kräuter- und Gemüsegarten oder Viehweide genutzt, aber die teils meterdicke Erdbedeckung war in erster Linie als Bunkerschutz gedacht. Und selbst die Festungskirche ließ sich mit wenigen Handgriffen zur Musketenstellung oder Geschützbatterie umfunktionieren.

Eine Kriegsmaschine. Deren Existenz ausgerechnet an dieser Stelle erschließt sich sich dem Besucher sofort, sobald er ans westliche Terrassen-Ende des Oberen Schlosshofes tritt – um den unvergleichlich schönen Ausblick hinunter auf den Rhein, das Deutsche Eck und die Mosel, hinaus ins Neuwieder Becken, weit hinüber zu den Rändern von Eifel und Hunsrück zu genießen. Zehntausende Besucher kommen jedes Jahr allein dieses Ausblicks wegen hierher. Schon als die Preußen noch an ihrer Festung bauten und fast der gesamte Ehrenbreitstein militärisches Sperrgebiet war, ließen sich Reisende seit 1821 von Unteroffizieren zum Aussichtspunkt geleiten. Das Entgeld für diese Führung der besonderen Art, war in der Standortkommandantur im Ort Ehrenbreitstein unten am Rhein-Ufer zu entrichten.  Wer auf der Terrasse am Felsabsturz steht, nehme für einen Moment die Sichtweise eines Fürsten oder Generals an. Unversehens rutschen die Gedanken weg von der Schönheit, hin zur strategischer Bedeutung: Vom Ehrenbreitstein aus können die Übergänge über Rhein und Mosel, die Verkehrswege entlang der Flussufer und hinauf auf die Mittelgebirge kontrolliert werden, kein Feind kann sich unentdeckt nähern. Wer den Ehrenbreitstein hatte, hatte den Mittelrhein – im Griff.

Die natürlichen Bedingungen der Örtlichkeit mögen schon lange vor dem 10. Jahrhundert die wehrhafte Besiedelung des Ehrenbreitsteins befördert haben. Jüngere archäologische Funde datieren befestigte Siedlungen auf dem Berg für das frühe 4. Jahrtausend vor Christus (Jungsteinzeit), die mittlere und späte Bronzezeit 1800 bis 900 v. Chr. sowie die eisenzeitliche Hunsrück-Eifel-Kultur (bis 400 v. Chr.). Die alten Kulturen besiedelten zuerst den südlichen, am tiefsten liegenden Sporn des Ehrenbreitstein, den Helfenstein. Schon diese frühen Bewohner waren sich aber ihrer Gefährdung durch das offene nördliche Plateau bewusst: Die Archäologen haben jüngst bei Schachtarbeiten in der „Großen Traverse“ (einem Gebäudeteil am Rande des Oberen Schlosshofes) Hinweise auf Gräben und Holzpalisaden ’gen Norden gefunden.

Archäologische Arbeit im Festungsbereich ist schwierig, weil am selben Ort Kultur auf Kultur, Generation auf Generation folgte, und die Jüngeren die Hinterlassenschaft der Älteren als Rohmaterial in ihre eigenen Bauten einfügten oder zerstörten. Erst in den letzten Jahren fanden sich unter preußischem Kanonenschrott und dem Müll wechselnder französischer oder zuletzt amerikanisch-britischer Besatzungen keltische Spuren und Hinweise auf eine römische Militärstation. Letztere könnte bis ins frühe fünfte Jahrhundert n. Chr. Moselmündung, Rhein-Brückenkopf und die römische Fernstraße ins rechtsrheinischen Limes-Gebiet gesichert haben. Der Ehrenbreitstein ist eine jener Landmarken, an der Jahrtausende übergreifende Historie sich auf kleinstem Raum konzentriert. Nicht umsonst berühren sich dort gleich zwei Unesco-Weltkulturerbe. Nicht umsonst auch ist eine szenisch-theatralische Führung durch die Geschichte der Festung Ehrenbreitstein (die an den Sommer-Wochenenden stattfindet) überschrieben mit: „Der ewige Soldat“. Denn menschliche Kulturgeschichte ist an dieser Stelle immer auch Militär-Geschichte – ist die Geschichte von vermeintlich uneinnehmbaren Wehranlagen auf dem Felsenberg gegenüber der Moselmündung.

Uneinnehmbar? Die erste Eroberung der Festung Ehrenbreitstein datiert aufs 17. Jahrhundert. Das Trierer Erzbistum hatte sich – einer der vielen Wechselfälle des Dreißigjährigen Krieges – gegen die habsburg-wittelbachisch-spanische Kaiserallianz mit dem französischen König verbündet. Die Folge war eine kaiserliche Belagerungsarmee unter Jan van Werth, dem sich die Festung im Juni 1637 ergeben musste. Nicht weil sie erstürmt worden wäre, sondern weil sie ausgehungert wurde. Gut eineinhalb Jahrhunderte später das gleiche Schicksal noch einmal: Von 1794 an zogen französische Revolutionstruppen vier Mal gegen Ehrenbreitstein und holten sich blutige Köpfe. Dabei soll es zum ersten Luftangriff der Kriegsgeschichte gekommen sein: Die Franzosen schickten mit Phosphor beladene Körbchen an Ballons über den Rhein, auf dass es Feuer auf die Festung regne. Daraus wurde nichts: Das Phosphor landete im Rhein.

Weil die Festung im Sturm nicht zu nehmen war, griffen auch die Franzosen wieder auf jene uralte Belagerungsmethode zurück, gegen die selbst raffinierteste Waffentechnik kaum ankommt: das Aushungern. Bald würgten die Festungsmannschaften notgedrungen Kerzentalg und Rattenbraten hinunter. Als den Belagerern dann auch noch die von Arzheim in die Festung führende Wasserleitung durch Verrat entdeckt wurde, blieb nur noch die Kapitulation. Denn Mangel an Wasser bedeutete seinerzeit nicht nur Durst, sondern auch Stilllegung der Kanonen, deren Rohre nach jedem Schuss nass ausgeputzt und mit triefenden Tüchern gekühlt werden mussten. 1799 fiel die Festung, 1801 wurde sie gesprengt. Koblenz war französisch und das Ruinengelände auf dem Ehrenbreitstein diente fortan der örtlichen Metzgerszunft als Viehweide. Bis …

… bis in der Neujahrsnacht 1813/14 Blüchers Armee bei Mannheim, Kaub und Koblenz über den Rhein setzte, um dem bei der Völkerschlacht von Leipzig geschwächten Napoleon vollends den Garaus zu machen. In jener Nacht kam wohl Blüchers Generalen Aster und Gneisenau auch der Gedanke, dass der Wiederaufbau der Festung Ehrenbreitstein angesichts der  „französischen Bedrohung“ vielleicht nicht die schlechteste Idee wäre. Als 1815 beim Wiener Kongress Europa neu verteilt wurde, ging das Rheinland an Preußen. Weil zeitgleich Napoleon seiner Verbannung nach Elba entfloh und mit sichtlichem Erfolg auf Paris marschierte, hatte es der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. im Frühjahr 1815 plötzlich sehr eilig, den Wiederaufbau der Festung Ehrenbreitstein und den Ausbau der „Festung Koblenz“ zu einer der größten Garnisonen des 19. Jahrhunderts zu befehlen.

2000 bis zeitweise 6500 Handwerker und Tagelöhner arbeiteten auf der gigantischen Baustelle. Insgesamt acht mal wurde die Kriegsmaschine von 1830 an auf Volllast hochgefahren, also auf Gefechtsstärke (1500 Mann und 80 Geschütze) armiert. Anlass waren nicht nur zwischenstaatliche Kriege wie der preußisch-österreichische 1866/67 oder der deutsch-französische 1870/71. Auch während der französischen Juli-Revolution 1830/31 und der deutschen Revolution 1848/49 war die Festung Ehrenbreitstein bewaffnete Partei – auf Seiten der Reaktion. Die Kriegsmaschine auch eine Machtmaschine. Ihre letzte Mobilisierung erfuhr die Festung im Ersten Weltkrieg, aber da war sie aus militärischer Sicht längst zum Relikt geworden. Die moderne Kriegstechnik sah in steinernen Trutzburgen kein Hindernis mehr, also auch kein Instrument der Kriegsführung.

Um ein Haar wäre die Festung Ehrenbreitstein dennoch den Entwaffnungsbestimmungen des Versailler Vertrages zum Opfer gefallen. Einheimische Eingaben, unterstützt von kultursinnigen Besatzungsoffizieren verhinderten 1922 die Schleifung. Die historische, landschaftsprägende, kulturelle und ästhetische Bedeutung des/der Ehrenbreitstein triumphierte schließlich über die militärische Bedeutung. Hitlers Rede 1934 an 200 000 Jubler vor der Festung für den Anschluss des Saarlandes konnte das Rad ebenso wenig zurückdrehen wie die Stationierung einer Flakbatterie 1943-45. „Der ewige Soldat“ hatte sein Domizil verloren – seit 1972 würdigt das Ehrenmal des deutschen Heeres an einer der ausgedienten Wehrmauern eher sein Leid als seinen Ruhm.

Die Festung Ehrenbreitstein ist nach Jahrhunderten der Wehrhaftigkeit endgültig demobilisiert. 60 Jahre nach Ende des letzten Krieges feiert das Landesmuseum Koblenz als Teil der Festung jetzt seinen 50. Geburtstag. Ein Museum, gewidmet der Technikgeschichte und der Kultur an Rhein und Mosel. Ein lebendiges Museum an einem lebendigen Platz, der zwei Welterbe verbindet und tagtäglich Gäste aus aller Herren Länder als Freunde willkommen heißt. Die Kriegsmaschine hat ausgedient. Sie ist ein Ort der schönen Ausblicke, der erhellenden Einblicke, aber auch der mahnenden Rückblicke geworden.
 
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