Kolumne Begegnungen regional
Thema Menschen / Initiativen
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2006-07-01 Begegnungen:
Herbert Grohe und der Protest

Debeka-Vorstandsmitlgied und Vorsitzender der "Freunde der Rheinischen Philharmonie " über Orchesterreform, Orchesterstiftung und andere Kulturfragen
 
ape. Koblenz. Die elfte "Begegnung" führt den Autor in die Chef-Etage der Debeka-Hauptverwaltung in Koblenz. Dort residiert Herbert Grohe, im Hauptberuf Vorstandsmitglied der Versicherung, im Ehrenamt unter anderem Vorsitzender bei den "Freunden der Rheinischen Philharmonie". Viele Jahre war er ein wichtiger, aber eher stiller Förderer der Koblenzer Kultur - bis ihn 2003 die rheinland-pfälzische Kulturpolitik mit der Orchesterreform zwang, plötzlich eine Protestbewegung anzuführen.
 
Wer in Koblenz in Sachen Kultur unterwegs ist, kann Herbert Grohe häufiger begegnen. Schwerpunktmäßig bei klassischen Konzerten, im Theater und beim Jazz; da liegen seine persönlichen Vorlieben. Ein für gewöhnlich ruhiger, zurückhaltender, freundlicher Mann in den sprichwörtlichen "besten Jahren", also um die Pensionierung rum. Fragt man den 64-Jährigen nach seiner Meinung zu eben Gehörtem oder Gesehenem, neulich Erfahrenem oder Erlebtem, neigt er zu Mehrdeutigkeit und Süffisanz. Spontane Bewertungen künstlerischer Leistungen überlässt der gelernte Diplom-Betriebswirt gerne seiner Frau Ludmilla Petrowa (Grohe). Die einstige Bolschoi-Solistin und Ballettmeisterin fällt die schärferen Kunsturteile - im Schlechten, aber auch im Guten.

Hinsichtlich der Leistungen auf der Stadttheaterbühne sind Madame Petrowa und der Kritiker häufig ähnlicher Meinung - ebenfalls im Guten wie im Schlechten. Ihr Gatte jedoch mag sich auch im Rahmen der "Begegnung" zur Frage, wie ihm das Ritzel"sche Theater gefalle, nicht auf einen Grundtenor festlegen lassen. "Mal so, mal so; jede Inszenierung hat ihre Eigenarten." Keinen Hehl macht er allerdings aus seiner Sorge um den baulichen Zustand des Koblenzer Theaters: "Im Innern droht das Haus zu vergammeln."

Es braucht bei dieser "Begegnung" einen Moment, bis die aus dem kulturellen Umfeld bekannte Gelöstheit im Umgang sich wieder einstellt. Ich verkehre für gewöhnlich nicht mit Vorständen nationaler Großunternehmen. Grohe ist so einer, und das Büro im obersten Stockwerk des Debeka-Hochhauses an der Ferdinand-Sauerbruch-Straße entspricht der Stellung des Mannes im Betrieb: sehr groß, sehr aufgeräumt, für mein Gefühl von einer gewissen vornehmen Leere - mit einer gläsernen Wand, die einen beneidenswerten Ausblick über Koblenz eröffnet. Anwärmfrage: Gehen Vorstände dieses Unternehmens eigentlich auch mit 65 in Rente? Dann nämlich wäre für ihn am 2. November Schluss. "Im Prinzip ja. Aber ich fing am 1. September 1957 bei der Debeka als Lehrling an, und man hat mir zugestanden, die 50 Jahre voll machen zu können." Schmunzelnd schiebt er nach: "Nicht nur HwK-Hauptgeschäftsführer dürfen ein bisschen dranhängen."

Herbert Grohe bleibt also einige Monate über die Zeit bei seinem berufslebenslangen Arbeitgeber. Für den managt der gebürtige Schängel quasi im Nebenamt seit vielen Jahren auch die Kulturbeziehungen zwischen der Unternehmenszentrale und deren Standort Koblenz, wo die Debeka seit ihrer Gründung vor jetzt 101 Jahren ansässig ist.

Was sonst in der Wirtschaft gern als Sponsoring lautstark ganz hoch gehängt wird, hängt Grohe lieber tief: "Die Debeka macht im Regelfall kein Sponsoring. Und nur, weil Koblenz Sitz und Wurzel des Unternehmens ist, gibt es hier eine kleine Ausnahme von der Regel." Für eine kleine Ausnahme ist die Liste der Koblenz-Engagements der Versicherung ziemlich lang. Nutznießer sind unter anderem Uni, FH und die TuS-Jugend, Stadttheater, "Alle lieben Koblenz" und "Frau Bátoris Kulturstiftung", MMM, IMK und Mendelssohn-Tage, Ludwig Museum, Jugendtheater und Rheinische Philharmonie ...

"Wenn ich was mache, dann will ich es auch richtig machen", lautet eine der Maximen Grohes. Weshalb das Sponsoring der Debeka in vielen Fällen nicht bloß aus Geldzuwendungen, sondern auch aus der leibhaftigen Mitwirkung des Vorstandsmitgliedes Grohe besteht.

GROHES VIELE EHRENÄMTER

Auf dessen Schultern häufen sich folglich die Vereinsmitgliedschaften und Ehrenämter - etwa im Förderverein Schloss Stolzenfels oder im Kuratorium Kulturzentrum Festung Ehrenbreitstein oder beim Jazzclub Koblenz oder eben im Freundeskreis der Rheinischen Philharmonie. Örtliches Engagement als Vertreter seines Unternehmens und privates Engagement als Koblenzer Kulturbürger gehen in diesem Fall Hand in Hand.

Grohes wichtigste Kulturbaustelle ist im Moment die Orchesterstiftung. Jene Initiative zur privaten Unterstützung des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie, derentwegen er sich 2002 überhaupt zum Vorsitzenden des Vereins der Orchesterfreunde hatte wählen lassen. Wie geht es denn voran mit der Stiftung? "220 000 Euro haben wir jetzt zusammen", erklärt Grohe. Auf eine Million Euro Stiftungskapital war ursprünglich das erste Etappenziel beziffert worden. Zu hoch, zu ehrgeizig, eine Illusion? Davon mag er nichts wissen: "Ich will die Million erreichen, auch wenn das vielleicht etwas länger dauert." Aber ein bisschen Enttäuschung klingt doch durch darüber, dass Stiftungsbeiträge aus der Öffentlichkeit bislang eher spärlich fließen. "Ich hatte mir etwas mehr finanzielle Unterstützung von denen erhofft, die sich am Protest gegen die Orchesterreform beteiligten."

Na ja, möchte man trösten und kritisieren zugleich, ver-glichen mit dem Trommeln des Protestes damals fiel das Klappern für die Stiftung bislang auch noch etwas dünne aus. Grohe weiß das: "Da muss noch allerhand geschehen", sagt er und hofft auf wachsenden Zuspruch auch durch Firmen, Medien und Institutionen.

Im Oktober 2005 hatte es noch geheißen, die Stiftung werde auf jeden Fall vor Jahreswechsel gegründet. Warum dauerte das dann doch noch bis April 2006?

KEIN HAHNENKAMPF

Grohe erinnert daran, dass Minister Jürgen Zöllner unerwartet Karl-Jürgen Wilbert um Mitwirkung bei der Stiftungsgründung gebeten hatte: "Die Gespräche zwischen Wilbert und mir zogen sich etwas hin." Wilbert hat sich dann aus der Sache Orchesterstiftung zurückgezogen, Grohe die von Wilbert eingefädelten Stiftungspersonalia übernommen. "Ich wollte nicht, dass wir in der Öffentlichkeit wie zwei Hahnenkämpfer wirken", sagt Grohe. "Doch es gab zwischen uns schon grundlegende Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Stiftungszieles."

Da wird zwischen den Zeilen und hinter dem Willen zu einvernehmlichen Lösungen eine andere Eigenschaft dieses Mannes erkennbar, die während der Proteste gegen die Orchesterreform der einen Seite Freude und Hilfe, der anderen Ärger und Plage war: Schärfe und Konsequenz im Auftreten gegen etwas, das er für falsch hält. "Ich bin bis heute noch nicht überzeugt davon, dass das Land so arm ist, dass es derart an den Orchestern herumschnippeln muss." Wie fühlte er sich 2003? Statt als Vorsitzender der Orchesterfreunde in aller Ruhe eine Stiftung aufzubauen, stand er plötzlich in führender Rolle auf den Barrikaden gegen das Kulturministerium. "Ich habe mich sehr viel geärgert. Und ich habe mitbekommen, wie Regionalpolitik läuft. Die Landesgrünen waren die Einzigen, die von sich aus zu uns kamen, nur Ise Thomas hat mit uns gekämpft. Andere Parteien gingen in Deckung, andere Politiker ließen sich lange und meist vergeblich bitten."

Wie bei Rainer Neumann, so haben auch bei Herbert Grohe die damaligen Auseinandersetzungen Wunden geschlagen. Obwohl er den Intendanten noch immer für einen fähigen, kreativen Kopf hält, ist die Chemie zwischen beiden seit 2003 auch für Außenstehende spürbar gestört. "Zöllner ist Neumanns Dienstherr. Dass der Intendant als leitender Landesangestellter sich an die Spitze des Protestes gegen das Ministerium stellt, war nie zu erwarten. Aber er hätte doch einiges anders machen können."

Immerhin, was jetzt die Zielsetzung für die neue Orchesterstiftung angeht, sind die beiden sich mal völlig einig: Die Stiftungserlöse sollen vornehmlich für Orchester-Stipendiaten und -Praktikanten eingesetzt werden. Denn, was oft übersehen wird, die Orchesterreform reduziert die Rheinische Philharmonie ja nicht nur von 77 auf 66 Musikerstellen, sondern entzieht ihr zugleich alle Mittel für die bislang stets mitmusizierenden Praktikanten. Diese Lücke will die Orchesterstiftung schließen. Und die wird Herbert Grohe noch für einige Zeit Mühen und Kopfzerbrechen bereiten - wahrscheinlich über die auf September 2007 verschobene Pensionierung hinaus.
 
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