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2006-06-12 Interview:
"Dieses Orchester kann sehr weit kommen"

Interview mit Daniel Raiskin - Chefdirigent Rheinische Philharmonie - über Pläne, Programme, Ziele für Spielzeit 2006/07

 
ape. Koblenz. Daniel Raiskins Saison Nummer eins als Chefdirigent des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie (SRP) geht zu Ende. Für ihn, die Musiker und das Publikum war es eine Übergangszeit, denn der international hoch angesehene Dirigent, Konzertbratscher und Favorit des Orchesters war ohne zeitlichen Vorlauf für das neue Amt gewonnen worden. Und dennoch setzte er in den zurückliegenden Monaten mehrfach erste Qualitätsmarken. Nun wird die kommende Spielzeit die erste, für die der neue Chefdirigent das Konzertprogramm von Grund auf mitgestaltet hat, während der er seine ganze Kraft in die Arbeit mit dem Orchester einbringen kann. Im Interview umreißt er Pläne, Programme, Ziele für die nähere Zukunft.
 
FRAGE: Haben Sie es schon bedauert, dem Ruf nach Koblenz gefolgt zu sein?

RAISKIN: Natürlich nicht. Ich bin noch immer sehr froh, dass mein Weg mich hierher geführt hat. In der kurzen Zeit, seit ich in Koblenz Chefdirigent bin, habe ich nur noch mehr Lust bekommen auf die folgenden Spielzeiten. Vor allem auf die nächste, die sehr intensiv wird.


FRAGE: Die Saison 2005/2006 neigt sich dem Ende zu. D.h. die Übergangszeit, während der Sie noch diverse Altverträge erfüllen mussten, läuft aus. Sind Sie froh, sich dann endlich voll auf Ihr Koblenzer Orchester konzentrieren zu können?

RAISKIN: Neben meinen Verpflichtungen beim Koblenzer Orchester bleibe ich natürlich auch weiter aktiv als Gastdirigent. Denn es ist wichtig, dass der Chefdirigent auch eine auswärtige Ausstrahlung mitbringt. Aber, genau wie sie sagen, habe ich ab nächste Spielzeit endlich die Zeit und die Regelmäßigkeit beim Staatsorchester Rheinische Philharmonie den Schwerpunkt meiner Dirigententätigkeit deutlich zu setzen und zu profilieren. Das nicht nur, weil ich das  Programm der kommenden Spielzeit wesentlich mitgestaltet habe und Verantwortung dafür trage. Sondern auch wegen der Aufbauarbeit. Es ist wichtig, dass ein Orchester kontinuierliche Arbeit leistet – mit einem festen Dirigenten, der bestimmte Ziele hat, bestimmte Auffassungen von Klangkultur. Der auf diesem Weg konstant bleibt und so eine produktivere Arbeit des Orchesters ermöglichen soll.

FRAGE: Was sind Ihre Pläne  mit dem Orchester hier am Ort, hier in der Region?

RAISKIN: Die wichtigste Voraussetzung ist, dass die Rheinische Philharmonie – vor allem nach den zurückliegenden schweren Jahren – wieder eine deutliche Kulturrolle in der Region spielt. Es soll künftig weniger über das Orchester als kulturpolitischer Streitfall, dafür wieder mehr und gut über seine musikalischen Leistungen gesprochen werden. Ich halte es für absolut möglich, dass dieser renommierte Klangkörper mit seiner großen Geschichte nicht nur in der deutschen  Orchesterlandschaft sehr hoch angesiedelt werden kann.

Wir werden uns weiter in der Regionalarbeit stark engagieren. Es wird wieder Konzerte beispielsweise in Andernach, Mayen oder Simmern geben. Was das Konzertprogramm in Koblenz angeht, ist bei den Görreshaus-Konzerten die Kapazitätsgtrenze nahezu erreicht – sie sind meist ausverkauft. Wir wollen alles daran setzen, um diesen Erfolg auch in der nächsten Saison wieder zu erreichen oder vielleicht sogar ein Wachstum zu ermöglichen. Das könnte auf zwei Wegen geschehen: Entweder durch Wiederholungen einzelner Programme oder durch Erweiterung der Reihe von vier auf sechs Konzerte.

Das Kinderprogramm wird fortgeführt, womöglich intensiviert. Im Stadttheater stehen einige gewichtige Projekte an, an denen das Staatsorchester beteiligt sein wird, etwa „Tristan und Isolde“ von Wagner oder ein doppelter Puccini-Abend. Im neuen Spielplan des Theaters ist ebenfalls viel an Jugend gedacht; da machen wir natürlich mit und versuchen gemeinsam ein Band zu knüpfen in Richtung Jugend. Das ist ja ganz wichtig.  
     
 
FRAGE: In diesem Jahr ist eindeutig Mozart inhaltlicher Schwerpunkt. Gibt es in der kommenden Saison auch einen aus der Musikgeschichte erwachsenden programmatischen Schwerpunkt? Oder werden Sie einen setzen?

RAISKIN: Natürlich wird die erste Hälfte der Spielzeit 2006/07 noch stark im Zeichen des Mozart-Jahres stehen. Übrigens: So furchtbar viel Mozart haben wir, was die Konzerte angeht, bisher in 2006 eigentlich noch gar nicht gespielt. Es wird gleich zu Beginn der Saison wieder ein Programm mit den drei Jubilaren Mozart, Schumann und Schostakowitsch geben. Dann spielen wir viel Musik von Schumann, von Brahms, Dvorak, Mendelssohn. Das ist die rheinisch-romantische Schiene, da kommt noch Bruck dazu, die man sich ja von mir gewünscht hat. Gott sei Dank bin ich nie an Gigantomanie erkrankt. Ich habe also versucht, meine musikalischen Präferenzen abzustimmen auf die Besetzungsmöglichkeiten der Rheinischen Philharmonie, damit wir nicht für jedes Programm eine größere Zahl von Aushilfen oder Verstärkungen aus der Orchesterkooperation einsetzen müssen. Was aber keineswegs einzelne Produktionen mit großer Besetzung ausschließt. Denn es ist für die Entwicklung eines Orchesters wichtig, immer wieder auch die Erfahrung des Breitband-Klanges und der gesamten orchestralen Stilpalette zu machen.


FRAGE: Sie hatten im vergangenen Jahr angekündigt, der Musik ihrer russischen Heimat ordentlich Raum geben zu wollen. Ebenso der Moderne.

RAISKIN: Natürlich will ich auch meine russischen Wurzeln hier zeigen. Es werden Werke von Schostakowitsch und Strawinsky kommen; wir haben auch schöne frische Sachen von Lutoslawsky im Programm. Und es wird eine deutsche Erstaufführungen geben. Wir sind zusammen mit dem BBC-Sinfonieorchester London Auftraggeber für ein neues Werk des hoch angesehenen britischen Komponisten Marc-Anthony Turnage. Das Stück wird für eine interessante Besetzung geschrieben: Saxofon und Orchester. Wobei wir als Solisten für das Konzert am 10. Dezember im Görreshaus Martin Robertson gewinnen konnten, einen der derzeit besten Saxofonisten weltweit

Vielleicht darf ich ein paar Sätze zu der fantastischen Solistenpalette sagen, die wir in der nächsten Spielzeit haben werden. Ich hatte damals bei den Gesprächen mit dem Mainzer Kulturministerium zugesagt, meine Kontakte zu hervorragenden Solisten auch zu nutzen, um diese nach Koblenz zu holen. Alexej Lubimow; Daniel Müller-Schott, der fantastische junge deutsche Cellist; Benoit Fromanger; Julian Rachlin, der wunderbare Geiger und Bratscher; Dmitri Sitkovetzky, Hagai Schaham – das sind alles Leute, die gerne kommen. Und ich freue mich, dass ich durch meine langen Bekanntschaften und Freundschaften beitragen konnte, dass diese wunderbaren Musiker jetzt bei der Rheinischen Philharmonie gastieren.


FRAGE: Welche Daten sind dann 2007 im Kalender rot markiert?   

RAISKIN: In der zweiten Spielzeithälfte wird einer der bedeutendsten Sinfoniker des 20. Jahrhunderts eine große Rolle spielen: Jean Sibelius, dessen Todestag sich 2007 zum 50. Mal jährt. Wir beginnen damit schon im Dezember 06, mit Sibelius´ selten aufgeführter Suite „Pelleas und Melisande“ und seinem Stück „Rakastava“ (Der Liebende) beim ersten Görreshaus-Konzert. Beim Musikinstitut gibt es dann die 2. Sinfonie von Sibelius und zum Abschluss wieder im Görreshaus dessen Suite Mignon.

Das Thema „Pelleas et Melisande“ erscheint im zweiten Görreshaus-Konzert wieder, dann als Komposition von Gabriel Fauré. Dieser Konzertnachmittag wird für mich etwas Besonderes: Er fällt auf meinen Geburtstag und ich werde dort auch als Solist spielen, Alfred Schnittkes „Monolog für Viola und Streicher“. Zugleich wird dieses Konzert für mich eine Art Bratschen-Abschiedskonzert sein. Orchesterkonzerte als Bratschen-Solist werde ich danach wahrscheinlich nicht mehr spielen – einfach aus physischen Gründen. Ich kann nicht auf Dauer zweigleisig voll als Dirigent und Solist wirken, ohne die Gesundheit zu gefährden.    

 
FRAGE: Es wird allgemein erwartet, dass das Orchester – dank des internationalen Ansehens und der Verbindungen seines Chefdirigenten – öfter auch auswärts und im Ausland musikalisch Ehre einlegen wird für seine Heimatstadt. Welche „Auswärtsspiele“ stehen denn auf dem Programm?

RAISKIN: Der Schwerpunkt unserer Gastspiele wird erst 2007/08 sein, weil die Anlaufzeit in diesem Bereich noch zu kurz war. Auf dem Plan stehen vorerst eine umfangreiche Spanien-Tournee, Auftritte in Amsterdam und noch weitere große Projekte. In der bevorstehenden Saison sind wir natürlich wieder zu Gast bei den Koblenzer Mendelssohn-Tagen. Dann haben wir ein fantastisches Engagement in Antwerpen, wo wir im Königin-Elisabeth-Saal mit dem russischen Geiger Dmitri Sitkovetzky spielen. Das dortige Programm mit Schumanns vierter Sinfonie wird in Villingen-Schwenningen wiederholt. Zusammen mit Daniel Müller-Schott spielen wir Dvoraks Cello-Konzert im Rahmen einer sehr schönen SWR-Reihe in Göppingen. Wir sind beim Charlemange Musik Festival in Aachen, haben im Sommer zwei Auftritte beim renommierten „Festival de Forets“ im französischen Compiegne und noch etliche andere Auftritte in der näheren deutschen Umgebung, in Marburg beispielsweise. Immer wieder sind wir also relativ viel unterwegs, was sicher dazu beiträgt, das internationale Flair und Ansehen des Orchesters – das wir natürlich ausbauen möchten – zu stärken.   


FRAGE: Im Programm der Mittelrhein Musik Momente wird Daniel Raiskin zwei Mal als Kammermusiker aufgeführt. Sie greifen im Verbund mit dem Vogler-Quartett sowie dem Streichtrio „Belcanto Strings“ bei zwei Konzerten in Braubach zu Ihrem ureigenen Instrument, der Bratsche, mit der Sie als Solist berühmt geworden sind.

RAISKIN: Ich bin seit 15 Jahren mit „Belcanto Strings“ sozusagen unterwegs. In diesem Sommer machen wir unsere Abschiedstournee mit Auftritten bei verschiedenen internationalen Festivals in Deutschland, Holland, Finnland und Schweden. Wir haben ganz viel zusammen gespielt in den großen Sälen und Städten Europas. Das ist eine Musikfreundschaft gewesen, die ich nicht gerne verlasse, aber – für alles gibt es eine Zeit. Bleiben werden schöne Erinnerungen. Umso mehr freut es mich, mit meinen Kammermusikfreunden von „Belcanto Strings“ und auch vom Vogler-Quartett in Braubach noch einmal wunderbare Programme zu musizieren. Das ist für mich ein etwas empfindliches, vielleicht auch ein etwas schmerzliches Thema, denn nach diesen Konzerten werde ich so viel Bratsche nicht mehr spielen können. Wenn, dann zwar eher als Kammermusiker denn als Orchester-Solist. Aber auch das wird sich wohl beschränken auf wenige ausgewählte Anlässe.
 
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