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2006-06-11 Gespräch:
„Es wird keine Phase II der Orchesterreform geben“

Kulturstaatsekretär Joachim Hofmann-Göttig äußert einige Ansichten über und Absichten für das Musikleben in Rheinland-Pfalz
 
ape. Koblenz. Als der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck im April dieses Jahres seine Personalpläne für das neue Kabinett bekannt gab, fiel bei den Staatssekretären ein altbekannter Name: Joachim Hofmann-Göttig. Der in Koblenz wohnende Politiker (Jahrgang 1951) kehrt  als neuer Staatsskretär für Kultur im Ministerium Jürgen Zöllners auf einen Posten zurück, den er bereits 1991 bis 2001 innehatte. Der Betroffene selbst mag von „Rückkehr“ nicht reden, denn die jetzige Konstruktion sei eine deutlich andere, als die frühere in diesem Amt. Am 19. Mai offizielle ernannt, ist Hofmann-Göttig nun der erste Staatssekretär in Rheinland-Pfalz überhaupt, der einzig und allein für Kultur zuständig ist – was der frischgebackene Amtsinhaber als politisches Zeichen wertet für die Bedeutung, die seitens der Landesregierung der Kultur zugemessen wird. Ein Gespräch über das Musikleben in Rheinland-Pfalz.
 
Wie zu erwarten, kommentiert der Neue die Arbeit seines Vorgängers im Amt (Roland Härtel) nicht. Stattdessen setzt Hofmann-Göttig vier programmatische Eckpfähle, an denen sich seine Kulturpolitik künftig orientieren will – in allen Bereichen, auch der Musik. Erstens: Verstärkte nationale und internationale Profilierung von Rheinland-Pfalz als EIN Kulturland, mit den vier Welterbestätten/-gebieten des Landes (Mittelrhein, Limes, Speyer, Trier) als zentralem Drehkreuz. Zweitens: Weit reichende Vernetzung der vielfältigen Kultureinrichtungen und –aktivitäten im Land – zum Nutzen jedes Beteiligten, vor allem aber zwecks Erhöhung der Effizienz und Strahlkraft der gesamten Kulturlandschaft. Drittens: Erschließung neuer Spielräume, auch finanzieller Art, für die Kultur. Viertens: „Niedrig-schwellige Angebote“, um größere Teile der breiten Bevölkerung für die Kultur zu begeistern und dann an höherwertige Angebote heranzuführen.

Die große Programmatik umschwirren zahlreiche Einzelfragen, die Hofmann-Göttig nach erst wenigen Tagen im Amt natürlich noch nicht abschließend beantworten kann. Für das Orchesterleben eine der wichtigsten geht so: Ist die Orchesterstrukturreform jetzt abgeschlossen, oder wird es eine Fortsetzung geben? Eindeutige Antwort des Kulturstaatssekretärs: „Mit Sicherheit gibt es keine Orchesterstrukturreform Phase II.“ Aufatmen bei den Musikern und Freundeskreisen der rheinland-pfälzischen Staatsorchester, insbesondere beim SRP in Koblenz. Aber die Antwort des Politikers hat einen zweiten Teil:  „Mit derselben Sicherheit werden wir dieselben Probleme weiter haben, die wir in der Vergangenheit auch hatten, nämlich wie wir Kulturarbeit weiter mit Spielräumen ausstatten, die nicht daraus wachsen, dass wir plötzlich vom Himmel zusätzliches Geld kriegen, sondern die wir aus dem eigenen Bestand heraus erzielen müssen. Diese Problematik stellt sich nicht nur für die Orchester, sondern für die gesamte Kulturszene.“

Und weiter: „In jeder Kultureinrichtung muss man sich täglich den Kopf zerbrechen, wie man Overhead-Kosten so reduziert, dass man noch Geld genug hat für die Produktionen; wie man Vermarktungskonzeptionen so gut anlegen kann, dass am Ende Einnahmen erzielt werden. Das muss in allen Kultureinrichtungen geschehen, auch wenn sie unheimlich Personalkosten-intensiv sind und überwiegend mit Landesdienern besetzt.“ Kann man die jetzige Gründung der Orchesterstiftung als kleines Element der Spielraum-Erschließung bezeichnen?  „Ja natürlich. Aber man muss schon auch sehen, was wirft die Stiftung ab und wie viel sichert sie.“

Zur Abfederung der Orchesterreform war einmal die Einrichtung einer Orchesterakademie für junge Musiker angedacht worden. Die Ludwigshafener Staatsphilharmonie ist inzwischen Nutznießer eines von der BASF finanzierten Akademieverbundes mit den Orchestern aus Heidelberg und Mannheim. Was ist mit den Klangkörpern in Mainz und Koblenz? „Das kann ich  noch nicht beantworten“, räumt Hofmann-Göttig ein. Er verweist auf seine Pläne für die nächsten Wochen, wonach er  noch vor der Sommerpause alle bedeutenden Kultureinrichtungen des Landes besuchen will – „mit dem Ziel, mir dort jeweils von den handelnden Figuren sagen zu lassen, an was man gerade arbeitet, wo die Schwierigkeiten liegen, welche Erwartungen an mich bestehen. Auch mit der Rheinischen Philharmonie werde ich intensive Gespräche führen, nicht nur mit der Intendanz, sondern auch auf einer  Personalversammlung.“ Er möchte, dass die Musiker ihren künftigen Ansprechpartner kennen lernen, sieht sich selbst als eine Art Ombudsmann für alle Kulturschaffenden.

Ein anderes, aber durchaus verwandtes Thema ist die Zusammenarbeit zwischen der Landesstiftung Villa Musica, deren Vorsitzender der Kulturstaatssekretär ist, und den Staatsorchestern.  „Die Idee, die Kooperation sehr eng zu gestalten, ist nicht neu. Es gibt ja förmliche Vereinbarungen, nach denen Villa-Stipendiaten auch Aushilfstätigkeiten bei den Orchestern ausüben sollen. Ob man die Zusammenarbeit in der Weise erweitern soll, dass auch angehende Orchestermusiker Villa-Stipendiaten werden können, muss differenziert betrachtet werden: Im Prinzip ja, es wird niemand ausgeschlossen und Landeskinder werden grundsätzlich bevorzugt. Aber es gibt ein festes Verfahren, wie man Stipendiat der Villa Musica wird;, auf der Basis von Ausscheidungen und Vorspielen. Daran wird sich nichts ändern.“

Als Hofmann-Göttig 2001 vom Kultur- ins Schulministerium wechselte, gab es in der Mittelrhein-Region zwei große Klassikfestivals im Sommer: die Mittelrhein Musik Momente (MMM) und die Open-Air-Reihe im Schlosshof zu Engers. Unter seinem Nachfolger ist mit „RheinVokal“ ein drittes Festival hinzu gekommen. Was hält er von diesem neuen Festival? Und wie verortet er es zwischen den beiden anderen?  „Ich empfinde RheinVokal als interessant, insbesondere wegen der Kooperation mit dem SWR, auch im Hinblick auf die damit verbundenen Sendeplätze. Ich werde alsbald mit dem SWR-Sendedirektor und mit Herrn Neumann sprechen, wie wir das hinkriegen, dass auch hier von Vernetzung die Rede ist und nicht von Konkurrenz. Ich möchte, dass beide Festivals gedeihen und freue mich, dass MMM es jüngst aus eigener Kraft geschafft hat, eine Überlebensperspektive zu justieren. So werde ich hier nicht als Atemgeber gebraucht, sondern kann als Belebungs- und Vernetzungfaktor agieren.“

Auf die Frage nach der Rolle der Staatsorchester bei diesen Festivals die klare Ansage: „Die waren bisher schon dabei und müssen da auch weiter vorkommen.“  Richtig, aber beim Festival in Engers war die Staatsphilharmonie Ludwigshafen deutlich häufiger vertreten als die Rheinische Philharmonie. „Was nicht unvernünftig ist“, meint Hofmann-Göttig unter Marketing-Gesichtspunkt. „Man braucht für Festivals eben auch einen gewissen Neuigkeitswert. Wer fährt schon von Koblenz nach Engers, um dort zu hören, was er in Koblenz das ganze Jahr geboten bekommt. Das bedeutet umgekehrt allerdings auch, dass man sich Gedanken darüber machen muss, wie man die Rheinische Philharmonie beispielsweise auf den Domhof nach Speyer kriegt, als Neuigkeitswert für den Süden also. Wobei das heute mit der Konstruktion des Generalintendanten wesentlich einfacher sein dürfte als früher.“ 

Schon die Ankündigung, Joachim Hofmann-Göttig werde neuer Kulturstaatsekretär, war von der gesamten Kulturszene in Rheinland-Pfalz beinahe euphorisch aufgenommen worden. Die Erwartungen sind hoch, sehr hoch. Intendanz und Musiker des SRP sehen mit Spannung den  kommenden Gesprächen und ihren Ergebnissen für die Arbeit entgegen. Welcome (back), Herr Kulturstaatssekretär.    
 
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