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2006-05-28 Theaterkritik:
Shakespeare zwischen Kitsch und Kunst

Berliner Ensemble zeigte Robert Wilsons Inzenierung des 
"Wintermärchen" bei Maifestspielen in Wiesbaden
 
ape. Wiesbaden. Das Publikum im Wiesbadener Staatstheaters war im Gros erstaunt, angetan, begeistert. Die Maifestspiele hatten mit Shakespeares "Wintermärchen" in einem von Robert Wilson inszenierten Gastspiel des Berliner Ensembles dort selten Gesehenes auf dem Plan. Dass bei Regisseur, Bühnenbildner und Lichtkonzeptionist Wilson auch die Shakespearschen Dinge eigentümliche Form annehmen, durfte erwartet werden. Dass sie sich im zweiten Teil des "tragikomischen Romanzendramas" von 1610 zur kalauernden Harlekinade entfesseln, kam überraschend.

Wunderbar der wortlose Prolog: Zwei Knaben plantschen im Badetrog. Das Vergnügen läuft wie in Zeitlupe, gerinnt zu gemäldeartigen Standbildern. Das sind: Sizilienkönig Leontes und Böhmenkönig Polixenes als Kindheitsfreunde. Wunderbar auch die ersten Akte, eine Tragödie am sizilianischen Hof. Dort verfällt Leontes dem Wahn, Gattin Hermione betrüge ihn mit Polixenes, habe sich gar schwängern lassen. Da ist nichts dran, aber Eifersucht folgt irren Gesetzen: Polixenes muss vor königlichen Mördern fliehen, Hermione stirbt nach der Geburt von Tochter Perdita im Kerker, das Baby wird ausgesetzt, Herzeleid tötet den erstgeborenen Bruder.

Wilson macht daraus eine im Handeln radikal reduzierte Szenerie sprechender Bilder. Wie Kunstfiguren stehen oder schreiten die Protagonisten in spätmittelalterlichem Hofornat zwischen antiken Säulen. Sie reden allweil voneinander abgewandt zum Publikum hin. Maskenhaft geschminkt, ist es, als stellten sie nicht individuelles Erleben dar, sondern trügen Gleichnisse über des Menschen Wahn vor.

Zur kunstvollen Lichtregie kommt eine raffinierte Akustik-Regie. Wie die an historische Klänge angelehnte Musik einer Grabenkombo, so werden Stimmen und Geräusche elektronisch verstärkt, auch verfremdet. Das Theater wird Klangraum - starke Wirkung, die allerdings bisweilen wohlfeiler Pop-Effekthascherei gefährlich nahe kommt. Wo ist noch Kunst und wo schon Kitsch?

Die Grenzen verwischen im zweiten Teil, in dem die von böhmischen Schäfern als Findelkind aufgezogene Perdita und der Sohn des Polixenes in Liebe zueinander entflammen. Der Böhmenkönig mag die scheinbar standeswidrige Verbindung nicht dulden, weshalb das junge Paar flieht. Wohin? Nach Sizilien, wo sich am Hofe des geläuterten Leontes alle schmerzliche Verwirrung in Glückseligkeit auflöst. Schon bei Shakes-peare war die zweite Hälfte als märchenhafte Narretei angelegt. Das nimmt Wilson auf - treibt es weiter zur Posse, wie sie auf ein historisches Jahrmarktsbrettl gepasst hätte. Grinsgesichtige Gecken machen schalkhafte Figur, führen unter "Oh", "Ah" und "Huch" Mummenschanz in solcher Fülle auf, dass er in der dritten Theaterstunde ermüdet. Und das trotz eines großartigen Stefan Kurt als Leontes und einer einmaligen Angela Winkler als Paulina.   
 
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