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2006-05-13 Ausstellungsbesprechung:
Dalí bebildert Werke der Weltliteratur

300 Druckgrafische Illustrationen des Spaniers im Mittelrhein-Museum
 
ape. Koblenz. Salvador Dalí: Exzentriker und Bürgerschreck, aber zugleich einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Das Koblenzer Mittelrhein-Museum widmet dem druckgraphischen Werk des 1989 verstorbenen Spanier seit diesem Wochenende eine 300 Exponate umfassende Ausstellung. Im Zentrum stehen Illustrationen weltliterarischer Werke wie „Don Quijote“, „Faust“ oder die „Göttliche Komödie“.
 
Manchmal knüpft der Zufall die interessantesten Vernetzungen. In direkter Nachbarschaft zu Sigmund Freuds 150. Geburtstag (6. Mai) eine Dalí-Ausstellung zu eröffnen, macht, ob gewollt oder nicht, richtig Sinn. Der ebenso geniale wie exzentrische Maler, Grafiker, Bildhauer Salvador Dalí (1904-1989) begegnete dem Begründer der Psychoanalyse 1938. Im Menschenbild des Seelendoktors fand der spanische Künstler eigene Denkansätze und Blickwinkel bestätigt: Das Leben speist sich wesentlich aus dem Unbewussten – Dalís Kunst bezieht folgerichtig seine Motive überwiegend aus einem Traumreich, einer Welt der Fantastik.

Bei der an diesem Wochenende im Koblenzer Mittelrhein-Museum beginnenden Dalí-Schau „Genie und Vision – Grafische Meisterwerke aus rheinland-pfälzischem Privatbesitz“ tritt zwischen das Traumreich und dessen Darstellung mit Mitteln der Bildenden Kunst ein Katalysator: die Literatur. Denn Schwerpunkt der rund 300 Druckgraphiken und einige andere Exponate umfassenden Schau sind Dalís Illustrationen zu Zentralwerken der Weltliteratur. Natürlich nimmt sich der Spanier auch des originärsten aller spanischen Romanstoffe an: des „Don Quijote“.

Wie der Held von der traurigen Gestalt um Dulcinea wirbt oder gegen Windmühlen ficht: Dalí macht farbige Lithografien davon, Bilder, die mit denen in unseren Köpfen übereinstimmen und doch wieder ganz anders sind. So bei Cervantes, so auch bei Goethe mit herrlichen Schwarz-Weiß-Radierungen zum „Faust“. Genauer: Zur  „Walpurgisnacht“, diesem Teil der großen Dichtung, der wie kein anderer die Pforten zu Albträumen und Lustabgründen des Unterbewussten aufreißt. Der Maler lässt, dem Dichter dicht auf den Fersen, Blatt um Blatt die Furien der Fantasie los: Nackte Hexen besteigen die Besen, schnaubend betritt ein Gehörnter die Szene, schnaufend verquirlen sich Leiber, die Elemente stehen Kopf.

Eine „Faust“-Szene wie für Dalí gemacht. Das gilt in noch stärkerem Maße für Dantes „Göttliche Komödie“, deren 100 Blätter umfassende Illustration wohl wichtigster Teil des grafischen Werkes von Dalí ist. Schon die literarische Vorlage aus dem Jahr 1321 war mit ihrem Weg durch die Hölle über den Läuterungsberg ins Paradies ein unglaubliches Schreckensszenario einerseits, andererseits schärfste Kritik an Offizialkirche und Gesellschaftsstruktur. Dalí spitzte all diese Bestandteile auf seine Weise bildlich zu. Und siehe: Die surrealistische Bildsprache passt kongenial zum epischen Gedicht Dantes.

Man kann an all diesen Blättern nicht einfach vorbei flanieren. Man muss ihnen nahe treten, muss sie einzeln studieren. Denn bei Salvador Dalí ist selten etwas so, wie es auf den ersten Blick scheint. Der Künstler erweist sich ein ums andere Mal als Meister der Täuschung, als Meister der Öffnung immer neuer Eindrücke und Bedeutungsebenen mittels bloß vermeintlich unscheinbarer Details. Dort, im Detail, findet sich neben schwärzesten Schatten und lichtesten Momenten auch am ehesten Dalís skurriler Humor.

Es schließen sich Illustrationsbearbeitungen zu „Alice im Wunderland“ (frech), Illustrationen zu Casanovas „Memoiren“ und Boccaccios „Decameron“ (sinnlich und frech) an. Ein farbenprächtiger, aber überraschend braver Grafik-Zyklus dokumentiert eine „Carmen“-Produktion an der New Yorker Met. Schließlich zeigt die Schau, wie Dalí sich mit Goyas „Caprichos“ von 1799 auseinandersetzt: Er lässt die Bilder dieser aufklärerischen „Sammlung launiger Themen“ als Originalradierung auferstehen, bearbeitet sie hernach mit vielerlei Techniken, wobei diverse Bildteile verändert, variiert werden. Eine typisch Dalísche Respektlosigkeit gleich am Titelblatt: Dalí verpasst nicht nur dem Bild einige Änderungen, er versieht es auch mit der dreisten Botschaft an Goya „Im Ausdruck mangelhaft“.

Die am Freitag im Mittelrhein-Museum vom ehemaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel eröffnete Dalí-Ausstellung wurde bereits in mehreren deutschen Städten, wurde in Frankreich und Luxemburg gezeigt.. Koblenz ist die erste Präsentation in Rheinland-Pfalz - wofür es nun allerdings auch Zeit wurde, stammen doch die Exponate samt und sonders aus dem Besitz rheinland-pfälzischer Privatsammler.
 
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