Kritiken Theater
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2006-05-10 Schauspiel:
„Buddenbrooks“ auf der Theaterbühne

Hamburger Thalia triumphiert mit Spielfassung des Romans in Wiesbaden
 
ape. Hamburg/Wiesbaden. Die größten Werke der Weltliteratur als zwei- bis dreistündige Theaterstücke:   Ein Ding der Unmöglichkeit? Mitnichten. Ins Gedächtnis gerufen seien Ur- und Erstaufführungen der letzten Jahre: Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ in Bonn; Robert Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törless“ in Wiesbaden; Thomas Manns „Zauberberg“ 2003 in Mainz. Veritable Erfolge allesamt, weil Regisseuren und Spielern das Kunststück gelang, trotz notwendiger radikaler Verknappung zentrale Fragestellungen und tragende Figuren, den Geist der Romane auf die Bühne zu retten.
 
Die jüngste Dramatisierung einer großen Literarvorlage fürs Theater besorgte Regisseur Stephan Kimmig für das Hamburger Thalia: Thomas Manns Nobelpreis-geadelter Roman „Buddenbrooks“. Grundlage ist eine Bearbeitung durch den Schriftsteller und früheren Bonner Dramaturgen John von Düffel. Schon die Uraufführung im Dezember 2005 in Hamburg war ein Bringer. Der eintägige Abstecher jetzt zu den Wiesbadener Maifestspielen wurde im ausverkauften Staatstheater zum Triumph.

Gespielt wird auf einer zwei Handbreit über dem Bühnenboden schwebenden Fläche, darauf montiert Waden-hohe Metallschienen. Darüber eine gewellte, futuristische Decke aus weißem Kunststoff mit Leuchten vom historischen Gelblicht bis zum zeitgenössischen Neon. Katja Hasses Bauten signalisieren manches: Zeitenwechsel auf unsicherem Grund, vom Leben in festen Gleisen bis zur grell ausgeleuchteten Orientierungslosigkeit. Am Schluss, in der Gegenwart angekommen, sind Schienen und alter Komptoir-Schreibtisch verschwunden, hadert Thomas Buddenbrook auf einem modernen Bürostuhl im leeren Raum mit seinem sinnlosen Kaufmanns-Dasein.

Die Stück-Zeit ist gegenüber der Roman-Zeit um etwa 100 Jahre in Richtung Gegenwart  verschoben. Das Bühnengeschehen schreitet die Roman- Zeitläufe in exemplarischen Szenen ab, die auf die Psychologie der Buddenbrookler in tragischen Umbruchsmomente der Familiengeschichte zugespitzt sind. Folge davon ist, dass dem Stoff jede Behaglichkeit ausgetrieben wird, er sich insofern zwar atmosphärisch von Thomas Mann entfernt, zugleich aber die Grundfragen des Romans – „Verfall einer Familie“ des untergehenden Altbürgertums – verschärft in den Vordergrund stellt.

Fast unmerklich gehen die Szenen ineinander über, dabei oft Jahre, Jahrzehnte und diverse Handlungsstränge des berühmten Romans überspringend – und doch ein schlüssiges Kontinuum formend. Das lebt vom Stellungsspiel im abstrakten Raum, lebt vor allem von zielgerichtet feinsinnigem und ambivalentem Charakterspiel eines wunderbaren Ensembles,  vorneweg Norman Hacker (Thomas)  und Katrin Wichmann (Tony).

Ein starkes Theatererlebnis, das auch ein Bedürfnis nach neuerlicher Lektüre des Romans weckt. Denn im Theater wird klar: Der alte Stoff ist brennend aktuell, insofern er im total ökonomisierten Heute die Sinnlosigkeit und Entmenschlichung einer rein ökonomischen Orientierung des Lebens in Erinnerung bringt.
 
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