Kritiken Theater
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2006-05-08 Schauspiel:
"Hedda Gabler" bringt keinen Ton heraus

Thomas Ostermeiers Ibsen-Inszenierung bei den Maifestspielen Wiesbaden
 
ape. Wiesbaden. Das erste prominente Sprechtheater-Gastspiel bei den diesjährigen Maifestspielen am Staatstheater Wiesbaden wurde von einer profanen Mallaise heimgesucht: Henrik Ibsens „Hedda Gabler“ hatte in Thomas Ostermeiers Inszenierung der  Berliner Schaubühne die Stimme verloren. Genauer: Titeldarstellerin Katharina Schüttler war mit wundem Kehlkopf angereist und brachte keinen Ton heraus. Schade, denn die 26-Jährige gilt als eines der interessantesten Talente des deutschen Theaters – ein Urteil, das sogar ihr stummes Spiel noch bestätigen konnte.
 
Stumm? Die Vorstellung abzusagen, kommt nicht in Frage, machte der Wiesbadener Theaterchef Beilharz dem berühmten Berliner Regisseur Ostermeier klar. Woraufhin der von der Seite den Text  für die tonlose Hedda sprach. Das Behelfskonstrukt eine Offenbarung an unerwarteten Kunstwirkungen zu nennen, wäre verfehlt. Aber dreierlei machte den Abend schließlich doch noch zum interessanten Erlebnis. Erstens, wie schon angedeutet, die ungeheure Präsenz und Ausdruckskraft auch der sprachlosen Schüttler. Zweitens die sehr zurückgenommene, verknappte und eben dennoch packend intensive Gegenwartsinszenierung. Drittens die Erfahrung, dass der zwar etwas leise, aber sensibel und differenziert betonende Ostermeier aus dem Off seiner Hedda quasi die Sprache zurückgeben kann.

Raffiniert Jan Pappelbaums dreidimensional offene Bühne. Ein Wohnzimmer, beherrscht von flächiger Wohncouch und einer Wand aus gläsernen Schiebetüren, die sich zu einer schmucklosen Veranda öffnen. An der Seite eine Mauer, hinter die schauen kann, wer in einen schräg über der Bühne hängenden Spiegel blickt. Von Szene zu Szene bringt die Drehbühne mal die Veranda, mal das Zimmer nach vorne. Was keinen großen Unterschied macht, da der Blick stets Drinnen und Draußen zugleich erfasst. Perspektivenwechsel meint keinen Bedeutungswechsel. Und wohin die Protagonisten sich auch wenden, sie schleppen ihr immer gleiches Gepäck mit: sich selbst.

Zuletzt haben wir Ibsens „Hedda Gabler“ im Stadttheater Koblenz gesehen. Das gleiche Stück, die Inhaltsinterpretation durchaus ähnlich, und doch ist alles ganz anders. In Koblenz ein Stück von gestern mit denkbaren Bedeutungen fürs Heute. In Berlin/Wiesbaden Szenen von heute, die Zeitgenossen von uns in schwieriger Alltagslage zeigen. In Koblenz Schauspieler, die teils sehr gut Außenansichten von Menschen vorführen, die auf Innenbefindlichkeiten verweisen. In Berlin/Wiesbaden  Menschen, bei denen Spiel und Sein scheinbar ineinander fließen.

In Koblenz ein künstlerisch ausgeformtes Abbild des Lebens. In Berlin/Wiesbaden, trotz stummer Hedda, Kunst gewordenes Leben selbst. Auch Letzteres eine Illusion, natürlich. Aber doch von einer Art, die, anders als am Stadttheater, aus Theaterhandwerk allein nicht erklärt werden kann.

 Mal wieder sehen, wie die  Theaterbundesliga spielt –  das ist das Schöne an den  Maifestspielen.
 
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