Thema Kultur
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2006-04-29 Figurentheater:
Rheinland-Pfalz lässt die Puppen kunstvoll tanzen

Figurentheater hat mit Mainzer Festival, KuSo-Festivalstern und Bad Kreuznacher Museum hochkarätige Standbeine  (Originaltext)
 
ape.  „Tri tra trulala“ –  Auftrittsmelodie für einen kleinen Kerl mit Zipfelmütze. Kasper, die Handpuppe mit dem buchstäblichen Holzkopf, Held des sprichwörtlichen Kasperltheaters, Noch immer gilt Puppentheater verbreitet bloß als Vergnügen für Kinder. Ein Missverständnis, denn das Spiel mit Puppen, Marionetten, Gegenständen kann sich technisch, inhaltlich und ästhetisch zu hoher Theater-Kunst verdichten.  Und diese findet im Kultursommer, findet in Rheinland-Pfalz Bühne, Förderung, Heimstatt und zusehends Publikum.

Für unzählige Kinder zahlloser Generationen war und ist das Puppen- oder Marionettentheater „live-haftige“ Erstbegegnung mit den darstellenden Künsten. Ihren frühen Verwandten von der Commedia gleich, zogen die Puppenspieler einst übers Land. Sie bauten auf Plätzen und in Wirtshäusern ihre kleinen Guckkastenbühnen auf, brachten bedrohlich-erbauliche Mysterienspiele oder frech-deftiges Kabarett en miniture keineswegs nur vors kindliche Volk.

Von der großen Geschichte der nur äußerlich so kleinen Kunst weiß das Museum für PuppentheaterKultur in Bad Kreuznach, kurz PuK genannt, manches zu erzählen. Obwohl vor einem Jahr erst eröffnet, durften Kasper und seine europäischen Verwandten Punch (England), Guignol (Frankreich), Pulcinella (Italien), Kapspárek (Tschechien)… im PuK bereits mehr als 20 000 Besucher begrüßen. Denen haben sich Stock- und Stabpuppen, Handpuppen und Marionetten, Puppenmacher und Puppenspieler von gestern und heute, von hier, nebenan oder aus dem fernen Asien vorgestellt.

Wer den Weg durch Bad Kreuznach hindurch ins PuK findet (der Besucher von auswärts wünscht sich sehnlich eine Wegbeschilderung), trifft dort alte Bekannte vom blechernen Ritter über Kasper und Seppl, die Augsburger Puppendynastie und die Fliewatüüt-Sippe bis zu den feisten Promis der Deutschland-AG. Er begegnet dort aber auch geheimnisvollen Gestalten nur aus Tuch und Kugeln oder miniaturisierten Protagonisten der alten Oper wie des jüngeren Schauspiels.

Dem Figurentheater ist keine Sparte und kaum eine Ausdrucksform des „richtigen“ Theaters fremd. Doch kann es zusätzlich einen ganz eigenen Reiz entfalten: die Belebung des Unbelebten. Und diesem Reiz erliegen auch passionierte Theaterfreunde, wenn sie –  manchmal erst weit im Erwachsenenalter – erstmals Figurentheater von Rang begegnen. Davon weiß Markus Dorner, selbst Puppenspieler und Gründungsdirektor des PuK, ebenso zu berichten wie Nike Poulakos, Projektleiterin für den landesweiten Festivalstern Figurentheater im Kultursommer sowie dessen Internationales Figurentheaterfestival alljährlich in den Mainzer Kammerspielen.

Für Jürgen Hardeck etwa, den heutigen künstlerischen Geschäftsführer des Kultursommers, war die magische Verwandlung von Holzfiguren in scheinbar lebende Wesen eine prägende Erfahrung. Sie widerfuhr ihm Anfang der 1990er im Westerwald, wo sich mit dem „Theaterhaus Alpenrod“, dem Theater „Eggs Press“ und dem „Hohenloher Puppentheater“ drei sehr verschiedene, aber ausgezeichnete Puppenspiel-Bühnen angesiedelt hatten. Aus dieser Konstellation erwuchs damals ein Festival, das in veränderter Form noch heute alle zwei Jahre in Hachenburg stattfindet (2006 wieder). Daraus erwuchs auch die Bekanntschaft mit Karl-Heinz Rother, dessen umfangreiche Sammlung von Puppen und Marionetten nachher das Land Rheinland-Pfalz erworben hat. Diese wunderbare Sammlung ist Bestandskern des PuK geworden.

Theater ist eine lebendige Kunst, die man erleben muss – auch Figurentheater. Weshalb im Rahmen des zugehörigen Festivalsterns jährlich sieben bis zehn Inszenierungen vor allem für Kinder mit rund 50 Aufführungen durch Rheinland-Pfalz touren.  Weshalb das Museum in Bad Kreuznach einerseits seine Dauerausstellung als interaktive konzipiert hat. Andererseits verfügt das Haus über ein eigenes Theater. Das wird regelmäßig von hiesigen und auswärtigen Künstlern bespielt. Während einer gemeinsam mit der Augsburger Puppenkiste realisierten großen Sonderausstellung „Mozart am Faden“ (3. Juni bis 2. September 2006) wird es mehrere Aufführungen in Sachen Mozart geben. Darunter Figurentheater-Adaptionen der Mozart-Werke „Die Zauberflöte“ und „Bastien und Bastienne“ sowie Figurenschauspiele unter dem Titel „Amadeus“ oder „Mozart auf Reisen“. (Infos: www.stadt-bad-kreuznach.de/puk/)

Hat im PuK das zeitgenössische Puppentheater für Erwachsene neben anderem auch seinen Platz, so ist das Mainzer Figurentheater-Festival vor allem der aktuellen Avantgarde des Metiers gewidmet. Das 10-tägige Festival in der Mainzer Kammerspielen tritt in diesem Jahr (23.9. bis 3.10.) unter dem neuen Namen „<no strings attached>“ an. Was etwa bedeutet „nicht an Bedingungen gekoppelt“ und signalisieren soll, dass Figuren an strings, an „Fäden“ also, zwar dabei sein können, aber keineswegs den Schwerpunkt bilden. Das internationale Festival – deshalb der englische Titel – verfolgt ein offenes Konzept, das diversen Ausprägungen des künstlerisch-experimentellen Puppenspiels der Gegenwart Raum bietet – auch spartenübergreifenden Formen, die Mensch und Puppe oder Objekt als gleichgewichtige Protagonisten inszenieren.

Wieder dabei sein wird das „Stuffed Puppet Theatre“ des Australiers Neville Tranters. Er gilt als herausragender Altmeister in der jungen Figurentheaterszene und begleitet das Mainzer Festival seit seinem Erstauftritt dort 1999 mit dem Stück „Molière“. 2006 bringt er seine jüngste Produktion „Vampyr“ mit, eine Geschichte über Rituale und Lebensängste, Horror und Humor, Treue und Untreue. Zu den insgesamt sechs Produktionen, die <no strings attached> heuer vorstellt, gehört beispielsweise  „MacBeth II.“, ein vage an Shakespeare angelehntes, hintersinniges Spiel mit Menschen, Klappmaul- und Handpuppen. Oder „La Tétralogie de Quat´sous“, ein von Richard Wagners „Ring“-Zyklus inspirierter Drei-Groschen-Ring, inszeniert für acht Blechbläser, drei Sänger und etliche Puppen der französischen Truppe „Les Grooms“.           

Das Theater umfasst Schauspiel, Oper, Ballett. Aber es hat noch eine vierte Sparte: das Figurentheater. Lange wurde es unterschätzt, oft wird es belächelt und  noch immer von einem nur relativ kleinen Publikum ernst genommen. Das ändert sich Zug um Zug, zumal in Rheinland-Pfalz, wo der Kultursommer nicht müde wird, auf die faszinierenden Möglichkeiten dieser Kunstform hinzuweisen.
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken