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2006-04-29 Gastbeitrag:
20 Jahre Haus Felsenkeller in Altenkirchen

Das erste soziokulturelle Zentrum des Westerwaldes feiert Jubiläum -
Ein Gastbeitrag von Marco Pecht (Originaltext)
 
map. Altenkirchen. Es war eine bewegte Zeit: Bioläden und Jugendzentren schossen in großen Städten aus dem Boden und „Atomkraft - Nein danke“ war das Motto einer Generation. Doch im beschaulichen Westerwald war Anfang der 80er-Jahre war davon noch nicht allzu viel zu spüren. „Ganzheitliches Leben? Was ist das?“, fragte sich mancher nicht nur in Altenkirchen, einer Kleinstadt zwischen Köln und Koblenz. Doch dann machten sich 14 Menschen mit vielen Idealen auf, im Westerwald etwas Neuartiges zu versuchen.
 
Vollwertrestaurant, Erlebnispädagogik oder Kleinkunst in ländlicher Region: Darüber schüttelt längst niemand mehr den Kopf. Aber als vor 20 Jahren das Haus Felsenkeller in Altenkirchen entstand, sah das anders aus. Ursprünglich ein Projekt, das von teils arbeitslosen Akademikern geschaffen wurde, ist die Einrichtung inzwischen fester Bestandteil des kulturellen Lebens im nördlichen Rheinland-Pfalz und mit vielen Veranstaltungen auch des Kultursommers. Margret Staal, Helmut Nöllgen und ihre Mitstreiter vom Felsenkeller haben Spuren hinterlassen. Ein Blick zurück: Sie kamen aus Berlin, das Studium und erste Berufserfahrungen hinter sich, wollten zurück aufs Land, anders, ganzheitlich und vor allem ökologisch leben. Mit Plakaten haben sie Gleichgesinnte gesucht, Menschen, die Interesse an ökologischem Bauen, an Frauenemanzipation, an Bildung und Kultur hatten. Sie haben sie gefunden und mit 14 Mitgliedern einen Verein gegründet. Viele standen am Anfang, hatten selber Bauernhöfe gekauft oder einen neuen Betrieb eröffnet und ein leeres Konto bei der Bank.

Dennoch: Altenkirchen wurde zum Treffpunk einer bestimmten Lebensform im Westerwald. Die erste durchschlagende Äußerung dieser Lebensform war eine Messe für ökologisches Handwerk und soziale Initiativen. Und jetzt kam das große Anwesen Haus Felsenkeller ins Spiel. Dort ging die erste „Projekta – die andere Messe“ über die Bühne. Das Grundstück des leer stehenden Kinderheims wurde hergerichtet. Doch nicht nur das Haus musste bereitet werden, auch Skeptiker galt es zu überzeugen. Der Verein pachtete das Haus Felsenkeller. Mit viel Eigenleistung entstand eine „Bildungs- und Begegnungsstätte“. „Mit dem Begriff ,Soziokultur' konnte man hier noch nichts anfangen“, erinnert sich Margret Staal. Doch es gab sie, die Menschen, die auf eine solche Einrichtung gewartet hatten. Schon zur ersten Projekta kamen 2000 Interessierte. Der Westerwald war also keine Diaspora für die alternative Szene: Sonntagsbrunch, Vollwertrestaurant, natürlich Kultur und Bildung und spezielle Frauenangebote wie Frauenfrühstück wurden angenommen.

Gerade bei den Veranstaltungen lohnt der Blick zurück. Die „Kleinkunstbühne Felsenkeller“ hat  manchem Großen den Weg bereitet: Herbert Knebel oder Gabi Köster konnten sich ausprobieren, und für die legendäre Stunksitzung im Kölner Karneval wird bis heute im Westerwald geprobt. Die Menschen der Region sollten an den Veranstaltungen teilhaben. Das war nicht immer einfach, Berührungsängste mussten abgebaut werden. Darum führte und führt der Kulturbetrieb der Einrichtung gewissermaßen ein Nomadenleben: Dorfgemeinschaftshäuser der Umgebung werden bespielt. „Das war damals wichtig, ist aber jetzt nicht mehr nötig“, bilanziert Helmut Nöllgen. „Veranstaltungen sind zum Gesamtevent geworden, um das Publikum anzusprechen, muss auch die Location stimmen.“ Darum soll jetzt ein neuer Raum her. Die Suche danach gestaltet sich schwierig, Anbauen ist nicht einfach bei der Hanglage des Felsenkellers. Und Geld ist überall knapp, auch wenn Kooperationen mit Verbandsgemeinde, Kreis und Land längst üblich sind. Die Suche nach den weniger werdenden Fördermitteln schlägt da schon aufs Gemüt.

Motivieren können sich die Macher vom Haus Felsenkeller aber mit einer anderen Erfolgsgeschichte, die zeigt, dass auch ungewöhnliche Formate auf dem Land funktionieren: „Kultur für die Sinne im original 20er-Jahre Spiegelzelt“. Vom 13. bis 27. September steht der Crystalpalace wieder auf dem Schlossplatz von Altenkirchen. „Die Leute konnten sich zunächst nichts darunter vorstellen“, so Helmut Nöllgen. Doch als sich die Plane des 400 Personen fassenden Zeltes nach dem Aufbau 2001 erstmals öffnete, lief der Vorverkauf rasch.  Auch das Spiegelzelt-Programm im Jubiläumsjahr 2006 soll ein breites Spektrum abdecken: Vom Tenor Johannes Kalpers bis zur exotischen Diva Tim Fischer oder zu Konstantin Wecker im Doppelprogramm mit Pippo Pollina reicht die Bandbreite. Außerdem zieht der Felsenkeller mit dem Theater Antagon und seinem Stück „Time Out“ im Juli unter dem Titel „20 Jahre Soziokultur in der Region – zwar nicht weltmeisterlich – aber meisterlich“ als Teil des Kultursommers ebenfalls mitten in die Stadt. Mit dabei ist auch wieder „World Music“ in Anknüpfung an die langjährige Open- Air-Tradition, die es als eigenständiges Festival aus Kostengründen nicht mehr geben wird.

Eines darf beim Geburtstagsfeiern nicht vergessen werden: Das Haus Felsenkeller war immer schon ein Ort auch für Benachteiligte. So wie es vor 20 Jahren Arbeitslosen eine Perspektive gegeben hat, versucht es das heute noch. Unter anderen, meist schwierigeren Vorzeichen: 2006 sind es sechs Ein-Euro-Jobber, die im Felsenkeller Dienst tun. Ein Stück Kultur, auch wenn es dafür keine vollen Säle gibt.

(Infos: www.haus-felsenkeller.de; Tel. 02681/3870)
 
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